zugebracht; aber wo hatte er seine Augen damals gehabt! Jetzt erst, schien es ihm, wisse er, wozu er überhaupt lebe. Bis da¬ hin hatte er hingedämmert ohne Sinn und Verstand. Er sah auf einmal die Welt mit ganz anderen Augen an. Hier allein in der großen Stadt war das Leben des Lebens wert, wo jeder Augenblick neue Erlebnisse, neue Erfahrungen, brachte.
Aber dieses schöne Leben fand sein Ende. Eines Tages beim Überzählen seiner Barschaft entdeckte Gustav, daß er kaum noch so viel habe, um nach Hause reisen zu können. Die letzten Tage hatten viel gekostet. Da war mancher Groschen für die arbeitslosen Genossen draufgegangen.
Häschke hatte auch nichts mehr, aber er nahm Vorschuß und konnte so Gustav aushelfen.
Eines Tages trennten sie sich. "Mach's gut, Schwager!" sagte Häschkekarl zum Abschiede. "Und wenn Dir's in Hal¬ benau nich gefallen will, dann denk' an Häschken. Ich wer' Dir 'n Platz hier warmhalten."
zugebracht; aber wo hatte er ſeine Augen damals gehabt! Jetzt erſt, ſchien es ihm, wiſſe er, wozu er überhaupt lebe. Bis da¬ hin hatte er hingedämmert ohne Sinn und Verſtand. Er ſah auf einmal die Welt mit ganz anderen Augen an. Hier allein in der großen Stadt war das Leben des Lebens wert, wo jeder Augenblick neue Erlebniſſe, neue Erfahrungen, brachte.
Aber dieſes ſchöne Leben fand ſein Ende. Eines Tages beim Überzählen ſeiner Barſchaft entdeckte Guſtav, daß er kaum noch ſo viel habe, um nach Hauſe reiſen zu können. Die letzten Tage hatten viel gekoſtet. Da war mancher Groſchen für die arbeitsloſen Genoſſen draufgegangen.
Häſchke hatte auch nichts mehr, aber er nahm Vorſchuß und konnte ſo Guſtav aushelfen.
Eines Tages trennten ſie ſich. „Mach's gut, Schwager!“ ſagte Häſchkekarl zum Abſchiede. „Und wenn Dir's in Hal¬ benau nich gefallen will, dann denk' an Häſchken. Ich wer' Dir 'n Platz hier warmhalten.“
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0386"n="372"/>
zugebracht; aber wo hatte er ſeine Augen damals gehabt! Jetzt<lb/>
erſt, ſchien es ihm, wiſſe er, wozu er überhaupt lebe. Bis da¬<lb/>
hin hatte er hingedämmert ohne Sinn und Verſtand. Er<lb/>ſah auf einmal die Welt mit ganz anderen Augen an. Hier<lb/>
allein in der großen Stadt war das Leben des Lebens wert,<lb/>
wo jeder Augenblick neue Erlebniſſe, neue Erfahrungen, brachte.</p><lb/><p>Aber dieſes ſchöne Leben fand ſein Ende. Eines Tages<lb/>
beim Überzählen ſeiner Barſchaft entdeckte Guſtav, daß er kaum<lb/>
noch ſo viel habe, um nach Hauſe reiſen zu können. Die letzten<lb/>
Tage hatten viel gekoſtet. Da war mancher Groſchen für die<lb/>
arbeitsloſen Genoſſen draufgegangen.</p><lb/><p>Häſchke hatte auch nichts mehr, aber er nahm Vorſchuß<lb/>
und konnte ſo Guſtav aushelfen.</p><lb/><p>Eines Tages trennten ſie ſich. „Mach's gut, Schwager!“<lb/>ſagte Häſchkekarl zum Abſchiede. „Und wenn Dir's in Hal¬<lb/>
benau nich gefallen will, dann denk' an Häſchken. Ich wer'<lb/>
Dir 'n Platz hier warmhalten.“</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></div></body></text></TEI>
[372/0386]
zugebracht; aber wo hatte er ſeine Augen damals gehabt! Jetzt
erſt, ſchien es ihm, wiſſe er, wozu er überhaupt lebe. Bis da¬
hin hatte er hingedämmert ohne Sinn und Verſtand. Er
ſah auf einmal die Welt mit ganz anderen Augen an. Hier
allein in der großen Stadt war das Leben des Lebens wert,
wo jeder Augenblick neue Erlebniſſe, neue Erfahrungen, brachte.
Aber dieſes ſchöne Leben fand ſein Ende. Eines Tages
beim Überzählen ſeiner Barſchaft entdeckte Guſtav, daß er kaum
noch ſo viel habe, um nach Hauſe reiſen zu können. Die letzten
Tage hatten viel gekoſtet. Da war mancher Groſchen für die
arbeitsloſen Genoſſen draufgegangen.
Häſchke hatte auch nichts mehr, aber er nahm Vorſchuß
und konnte ſo Guſtav aushelfen.
Eines Tages trennten ſie ſich. „Mach's gut, Schwager!“
ſagte Häſchkekarl zum Abſchiede. „Und wenn Dir's in Hal¬
benau nich gefallen will, dann denk' an Häſchken. Ich wer'
Dir 'n Platz hier warmhalten.“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/386>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.