neben ein Fläschchen. Rings um ihn her Gesichter, und vor jedem eben solch ein Gläschen und Fläschchen. "Büttner be¬ zahlt de Zeche, der hat's gruße Gald," hieß es. "Ich -- ich -- ha nischt ne mih, de Frau hat's!" Ein lautes Gelächter erscholl.
Karl stand auf, schlug auf den Tisch, und wollte den Freunden erzählen, wie ihn Therese um sein Geld gebracht hätte; da schwanden ihm die Sinne, er stürzte hin.
Als er erwachte, lag er im Straßengraben, über und über mit Tau bedeckt. Am Himmel zeigten sich rötliche Streifen. War es Abend oder Morgen? Er befühlte seine Glieder. Der Kopf schmerzte ihm.
Einige Zeit darauf befand sich Karl Büttner auf dem Wege nach Haus. Die Mütze fehlte ihm, er hinkte, über die Backe lief ihm eine blutunterlaufene Strieme. So humpelte er weiter, die Zähne auf einander gebissen, die Fäuste ge¬ ballt. Sein Hirn war noch umnebelt; kaum daß er begriff, wo er sei.
Aber er hatte einen Gedanken, der sich seines gesamten Sinnens und Denkens bemächtigt hatte, ein Ziel auf das er mit der stieren Wut des Betrunkenen losging: sein Geld!
Er wollte das Geld zurück haben. Seine Frau hatte es ihm weggenommen. Es gehörte ihm. Heraus damit! --
So kam er mit blutunterlaufenen Augen heran. Er schwankte und turkelte, aber er näherte sich seinem Ziele.
Es war bereits heller Tag, als er vor das Haus kam. Die Thür war verschlossen. Er donnerte mit schwerer Faust dagegen. Therese steckte den Kopf zum Fenster hinaus. "Bist De's? -- Schwein!" Damit warf sie den Flügel wieder zu. Er lehnte da eine ganze Weile, rüttelte an der Thür, brüllte um Einlaß.
Endlich öffnete sie. Er stürzte ihr halb in die Arme. Sie fing seine schwere Last auf, bewahrte ihn so vor siche¬ rem Sturze. "Wo hast De gesteckt, de ganze Nacht? -- De stinkst nach Schnapse!" Damit stieß sie ihn durch den Gang, vor sich her. Er strebte, die Thür zum großen Zimmer
neben ein Fläſchchen. Rings um ihn her Geſichter, und vor jedem eben ſolch ein Gläschen und Fläſchchen. „Büttner be¬ zahlt de Zeche, der hat's gruße Gald,“ hieß es. „Ich — ich — ha niſcht ne mih, de Frau hat's!“ Ein lautes Gelächter erſcholl.
Karl ſtand auf, ſchlug auf den Tiſch, und wollte den Freunden erzählen, wie ihn Thereſe um ſein Geld gebracht hätte; da ſchwanden ihm die Sinne, er ſtürzte hin.
Als er erwachte, lag er im Straßengraben, über und über mit Tau bedeckt. Am Himmel zeigten ſich rötliche Streifen. War es Abend oder Morgen? Er befühlte ſeine Glieder. Der Kopf ſchmerzte ihm.
Einige Zeit darauf befand ſich Karl Büttner auf dem Wege nach Haus. Die Mütze fehlte ihm, er hinkte, über die Backe lief ihm eine blutunterlaufene Strieme. So humpelte er weiter, die Zähne auf einander gebiſſen, die Fäuſte ge¬ ballt. Sein Hirn war noch umnebelt; kaum daß er begriff, wo er ſei.
Aber er hatte einen Gedanken, der ſich ſeines geſamten Sinnens und Denkens bemächtigt hatte, ein Ziel auf das er mit der ſtieren Wut des Betrunkenen losging: ſein Geld!
Er wollte das Geld zurück haben. Seine Frau hatte es ihm weggenommen. Es gehörte ihm. Heraus damit! —
So kam er mit blutunterlaufenen Augen heran. Er ſchwankte und turkelte, aber er näherte ſich ſeinem Ziele.
Es war bereits heller Tag, als er vor das Haus kam. Die Thür war verſchloſſen. Er donnerte mit ſchwerer Fauſt dagegen. Thereſe ſteckte den Kopf zum Fenſter hinaus. „Biſt De's? — Schwein!“ Damit warf ſie den Flügel wieder zu. Er lehnte da eine ganze Weile, rüttelte an der Thür, brüllte um Einlaß.
Endlich öffnete ſie. Er ſtürzte ihr halb in die Arme. Sie fing ſeine ſchwere Laſt auf, bewahrte ihn ſo vor ſiche¬ rem Sturze. „Wo haſt De geſteckt, de ganze Nacht? — De ſtinkſt nach Schnapſe!“ Damit ſtieß ſie ihn durch den Gang, vor ſich her. Er ſtrebte, die Thür zum großen Zimmer
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neben ein Fläſchchen. Rings um ihn her Geſichter, und vor
jedem eben ſolch ein Gläschen und Fläſchchen. „Büttner be¬
zahlt de Zeche, der hat's gruße Gald,“ hieß es. „Ich —
ich — ha niſcht ne mih, de Frau hat's!“ Ein lautes Gelächter
erſcholl.
Karl ſtand auf, ſchlug auf den Tiſch, und wollte den
Freunden erzählen, wie ihn Thereſe um ſein Geld gebracht
hätte; da ſchwanden ihm die Sinne, er ſtürzte hin.
Als er erwachte, lag er im Straßengraben, über und
über mit Tau bedeckt. Am Himmel zeigten ſich rötliche Streifen.
War es Abend oder Morgen? Er befühlte ſeine Glieder.
Der Kopf ſchmerzte ihm.
Einige Zeit darauf befand ſich Karl Büttner auf dem
Wege nach Haus. Die Mütze fehlte ihm, er hinkte, über die
Backe lief ihm eine blutunterlaufene Strieme. So humpelte
er weiter, die Zähne auf einander gebiſſen, die Fäuſte ge¬
ballt. Sein Hirn war noch umnebelt; kaum daß er begriff,
wo er ſei.
Aber er hatte einen Gedanken, der ſich ſeines geſamten
Sinnens und Denkens bemächtigt hatte, ein Ziel auf das er
mit der ſtieren Wut des Betrunkenen losging: ſein Geld!
Er wollte das Geld zurück haben. Seine Frau hatte es
ihm weggenommen. Es gehörte ihm. Heraus damit! —
So kam er mit blutunterlaufenen Augen heran. Er
ſchwankte und turkelte, aber er näherte ſich ſeinem Ziele.
Es war bereits heller Tag, als er vor das Haus
kam. Die Thür war verſchloſſen. Er donnerte mit ſchwerer
Fauſt dagegen. Thereſe ſteckte den Kopf zum Fenſter hinaus.
„Biſt De's? — Schwein!“ Damit warf ſie den Flügel wieder
zu. Er lehnte da eine ganze Weile, rüttelte an der Thür,
brüllte um Einlaß.
Endlich öffnete ſie. Er ſtürzte ihr halb in die Arme.
Sie fing ſeine ſchwere Laſt auf, bewahrte ihn ſo vor ſiche¬
rem Sturze. „Wo haſt De geſteckt, de ganze Nacht? —
De ſtinkſt nach Schnapſe!“ Damit ſtieß ſie ihn durch den
Gang, vor ſich her. Er ſtrebte, die Thür zum großen Zimmer
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/366>, abgerufen am 24.11.2024.
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