die Hand gedrückt. Es solle am Schlosse vorübergezogen werden, hieß es.
Der ganze Bau war bis zum dritten Stockwerk hinauf taghell erleuchtet. Mächtige Holzstöße brannten zu beiden Seiten. In Pfannen und Becken loderte Pech. Die mächtige Fassade, der klobige Eckturm, die Fensterreihen und Erker lagen in rote Glut getaucht. Das Ganze schien eine große Feuers¬ brunst und war doch nur ein Freudenspiel. Nun brach der Fackelzug aus den Gebüschen und Baumgruppen des Parkes hervor; wie eine feurige Schlange näherte sich's dem Schlosse.
Von der breiten steinernen Freitreppe, die vom erhöhten Parterre des Schlosses in den Park hinabführte, sah die Hoch¬ zeitsgesellschaft dem Schauspiele zu. Herren mit Epauletten und Ordenssternen, Damen mit Spitzen, Brillanten, weißen Pelz¬ kragen und Mantillen. Greise Häupter, liebliche Mädchenge¬ sichter! Ein Flor von hellen duftigen Toiletten! Dazwischen der Ernst des Frackes, und das Blitzen der Uniformen. --
Karl war es, als träume er. Wie eine Erscheinung aus anderer Welt, ein Wunder, nie gesehen, von ungeahntem, un¬ begreiflichem Glanz, stand dieses Bild auf einmal vor den er¬ staunten Augen des Dorfkindes. Als wär ein Vorhang weg¬ gerissen und er dürfe einen Blick thun in den Himmel, war ihm zu Mute. Er konnte nur starren und starren. Das Bild stand da, lebendig, in tagheller Beleuchtung; ringsherum war Nacht.
Der Zug machte Halt. Jemand sprach. Der Bräutigam verneigte sich und schüttelte einigen Deputierten die Hände. Die Braut winkte mit ihrem weißen Arme. Dann schrie eine Stimme: "Hoch!" Hunderte fielen ein und schwenkten die Hüte. Karl schrie aus Leibeskräften mit. Ihn hatte es auf einmal wie Begeisterung erfaßt. Feierlich war ihm zu Mute; er mußte gegen das Weinen ankämpfen. Kommando¬ ruf! Die Spitze setzte sich in Bewegung. Die einzelnen Rotten marschierten im Gleichtritt vorüber, den Kopf stramm nach rechts gewandt, wie bei der Parade. Noch einmal sah Karl das Bild, jetzt zum Greifen nahe. Die einzelnen Gesichter ganz deutlich, den bloßen Arm einer Dame, die Bärte der
die Hand gedrückt. Es ſolle am Schloſſe vorübergezogen werden, hieß es.
Der ganze Bau war bis zum dritten Stockwerk hinauf taghell erleuchtet. Mächtige Holzſtöße brannten zu beiden Seiten. In Pfannen und Becken loderte Pech. Die mächtige Faſſade, der klobige Eckturm, die Fenſterreihen und Erker lagen in rote Glut getaucht. Das Ganze ſchien eine große Feuers¬ brunſt und war doch nur ein Freudenſpiel. Nun brach der Fackelzug aus den Gebüſchen und Baumgruppen des Parkes hervor; wie eine feurige Schlange näherte ſich's dem Schloſſe.
Von der breiten ſteinernen Freitreppe, die vom erhöhten Parterre des Schloſſes in den Park hinabführte, ſah die Hoch¬ zeitsgeſellſchaft dem Schauſpiele zu. Herren mit Epauletten und Ordensſternen, Damen mit Spitzen, Brillanten, weißen Pelz¬ kragen und Mantillen. Greiſe Häupter, liebliche Mädchenge¬ ſichter! Ein Flor von hellen duftigen Toiletten! Dazwiſchen der Ernſt des Frackes, und das Blitzen der Uniformen. —
Karl war es, als träume er. Wie eine Erſcheinung aus anderer Welt, ein Wunder, nie geſehen, von ungeahntem, un¬ begreiflichem Glanz, ſtand dieſes Bild auf einmal vor den er¬ ſtaunten Augen des Dorfkindes. Als wär ein Vorhang weg¬ geriſſen und er dürfe einen Blick thun in den Himmel, war ihm zu Mute. Er konnte nur ſtarren und ſtarren. Das Bild ſtand da, lebendig, in tagheller Beleuchtung; ringsherum war Nacht.
Der Zug machte Halt. Jemand ſprach. Der Bräutigam verneigte ſich und ſchüttelte einigen Deputierten die Hände. Die Braut winkte mit ihrem weißen Arme. Dann ſchrie eine Stimme: „Hoch!“ Hunderte fielen ein und ſchwenkten die Hüte. Karl ſchrie aus Leibeskräften mit. Ihn hatte es auf einmal wie Begeiſterung erfaßt. Feierlich war ihm zu Mute; er mußte gegen das Weinen ankämpfen. Kommando¬ ruf! Die Spitze ſetzte ſich in Bewegung. Die einzelnen Rotten marſchierten im Gleichtritt vorüber, den Kopf ſtramm nach rechts gewandt, wie bei der Parade. Noch einmal ſah Karl das Bild, jetzt zum Greifen nahe. Die einzelnen Geſichter ganz deutlich, den bloßen Arm einer Dame, die Bärte der
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die Hand gedrückt. Es ſolle am Schloſſe vorübergezogen
werden, hieß es.
Der ganze Bau war bis zum dritten Stockwerk hinauf
taghell erleuchtet. Mächtige Holzſtöße brannten zu beiden
Seiten. In Pfannen und Becken loderte Pech. Die mächtige
Faſſade, der klobige Eckturm, die Fenſterreihen und Erker lagen
in rote Glut getaucht. Das Ganze ſchien eine große Feuers¬
brunſt und war doch nur ein Freudenſpiel. Nun brach der
Fackelzug aus den Gebüſchen und Baumgruppen des Parkes
hervor; wie eine feurige Schlange näherte ſich's dem Schloſſe.
Von der breiten ſteinernen Freitreppe, die vom erhöhten
Parterre des Schloſſes in den Park hinabführte, ſah die Hoch¬
zeitsgeſellſchaft dem Schauſpiele zu. Herren mit Epauletten und
Ordensſternen, Damen mit Spitzen, Brillanten, weißen Pelz¬
kragen und Mantillen. Greiſe Häupter, liebliche Mädchenge¬
ſichter! Ein Flor von hellen duftigen Toiletten! Dazwiſchen
der Ernſt des Frackes, und das Blitzen der Uniformen. —
Karl war es, als träume er. Wie eine Erſcheinung aus
anderer Welt, ein Wunder, nie geſehen, von ungeahntem, un¬
begreiflichem Glanz, ſtand dieſes Bild auf einmal vor den er¬
ſtaunten Augen des Dorfkindes. Als wär ein Vorhang weg¬
geriſſen und er dürfe einen Blick thun in den Himmel, war ihm
zu Mute. Er konnte nur ſtarren und ſtarren. Das Bild ſtand
da, lebendig, in tagheller Beleuchtung; ringsherum war Nacht.
Der Zug machte Halt. Jemand ſprach. Der Bräutigam
verneigte ſich und ſchüttelte einigen Deputierten die Hände.
Die Braut winkte mit ihrem weißen Arme. Dann ſchrie
eine Stimme: „Hoch!“ Hunderte fielen ein und ſchwenkten
die Hüte. Karl ſchrie aus Leibeskräften mit. Ihn hatte es
auf einmal wie Begeiſterung erfaßt. Feierlich war ihm zu
Mute; er mußte gegen das Weinen ankämpfen. Kommando¬
ruf! Die Spitze ſetzte ſich in Bewegung. Die einzelnen Rotten
marſchierten im Gleichtritt vorüber, den Kopf ſtramm nach
rechts gewandt, wie bei der Parade. Noch einmal ſah Karl
das Bild, jetzt zum Greifen nahe. Die einzelnen Geſichter
ganz deutlich, den bloßen Arm einer Dame, die Bärte der
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/364>, abgerufen am 28.11.2024.
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