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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Sachsengänger. Am Schlusse schrieb Pauline, daß sie im
Herbst alle nach Halbenau zurückkehren wollten.

Die Witwe faltete den Brief sorgfältig zusammen und
steckte ihn ein. Dann seufzte sie und wischte sich die Augen
mit einem Zipfel ihrer blau und weiß gedruckten Schürze.
"Ju Ju!" sagte sie, 's is och gutt su! Wenn se ack bale zu¬
ricke kimma wellten! 's is ne schiene uf der Welt so alleene --
nee 's is och ne schiene!" Hier ließ sie eine Pause eintreten; wohl
für jenen, zum Überlegen des Gehörten. Dann mit besonderem
Blicke auf den Mann: "Ich ha' schon manch a lieb's Mal bei mer
gedacht, der Büttnerpauer muß es duch firchterlich eensam han,
ha'ch gedacht. Den muß duch ordentlich bange sen, ha'ch gedacht!
-- So alleene, wie der is uf der Welt. -- Is ne a su, Pauer?"

Statt der Antwort nahm der Alte die Sense wieder auf
und fuhr fort, Klee zu hauen, als sei niemand da.

Frau Katschner mußte endlich abziehen.

Sie war ziemlich kleinlaut, und im Innersten gekränkt,
daß ihre gute Absicht, den Einsamen zu trösten, auf so undank¬
baren Boden gefallen war.


Inzwischen neigte sich der Sommer seinem Ende zu. Die
Ernte war eine ungewöhnlich reiche gewesen. Der Roggen
hatte volle Ähren mit vielen und schweren Körnern getragen,
das Stroh war lang und reichlich, auch Hafer und Kartoffeln
versprachen guten Ertrag.

Bittere Gefühle waren es, mit denen der alte Mann in
diesem Jahre den Erntesegen betrachtete. Wo er bestellt und ge¬
säet hatte, ernteten andere. Täglich fuhren jetzt die Wagen der
kleinen Leute, die sich ein paar Morgen vom Büttnerschen Gute er¬
standen hatten, durch den Bauernhof. Für die vielen Parzellen, die
bei der Vereinzelung entstanden, war dies der einzige Abfuhrweg.

Auch auf den Feldern, die sich Harassowitz für sich selbst
zurückbehalten hatte, standen schöne Früchte. Es war von vorn¬
herein klar, daß der ehemalige Büttnerbauer die Ernte allein nicht
werde bewältigen können. Eines Tages erschienen denn auch Helfer.

Sachſengänger. Am Schluſſe ſchrieb Pauline, daß ſie im
Herbſt alle nach Halbenau zurückkehren wollten.

Die Witwe faltete den Brief ſorgfältig zuſammen und
ſteckte ihn ein. Dann ſeufzte ſie und wiſchte ſich die Augen
mit einem Zipfel ihrer blau und weiß gedruckten Schürze.
„Ju Ju!“ ſagte ſie, 's is och gutt ſu! Wenn ſe ack bale zu¬
ricke kimma wellten! 's is ne ſchiene uf der Welt ſo alleene —
nee 's is och ne ſchiene!“ Hier ließ ſie eine Pauſe eintreten; wohl
für jenen, zum Überlegen des Gehörten. Dann mit beſonderem
Blicke auf den Mann: „Ich ha' ſchon manch a lieb's Mal bei mer
gedacht, der Büttnerpauer muß es duch firchterlich eenſam han,
ha'ch gedacht. Den muß duch ordentlich bange ſen, ha'ch gedacht!
— So alleene, wie der is uf der Welt. — Is ne a ſu, Pauer?“

Statt der Antwort nahm der Alte die Senſe wieder auf
und fuhr fort, Klee zu hauen, als ſei niemand da.

Frau Katſchner mußte endlich abziehen.

Sie war ziemlich kleinlaut, und im Innerſten gekränkt,
daß ihre gute Abſicht, den Einſamen zu tröſten, auf ſo undank¬
baren Boden gefallen war.


Inzwiſchen neigte ſich der Sommer ſeinem Ende zu. Die
Ernte war eine ungewöhnlich reiche geweſen. Der Roggen
hatte volle Ähren mit vielen und ſchweren Körnern getragen,
das Stroh war lang und reichlich, auch Hafer und Kartoffeln
verſprachen guten Ertrag.

Bittere Gefühle waren es, mit denen der alte Mann in
dieſem Jahre den Ernteſegen betrachtete. Wo er beſtellt und ge¬
ſäet hatte, ernteten andere. Täglich fuhren jetzt die Wagen der
kleinen Leute, die ſich ein paar Morgen vom Büttnerſchen Gute er¬
ſtanden hatten, durch den Bauernhof. Für die vielen Parzellen, die
bei der Vereinzelung entſtanden, war dies der einzige Abfuhrweg.

Auch auf den Feldern, die ſich Haraſſowitz für ſich ſelbſt
zurückbehalten hatte, ſtanden ſchöne Früchte. Es war von vorn¬
herein klar, daß der ehemalige Büttnerbauer die Ernte allein nicht
werde bewältigen können. Eines Tages erſchienen denn auch Helfer.

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[333/0347] Sachſengänger. Am Schluſſe ſchrieb Pauline, daß ſie im Herbſt alle nach Halbenau zurückkehren wollten. Die Witwe faltete den Brief ſorgfältig zuſammen und ſteckte ihn ein. Dann ſeufzte ſie und wiſchte ſich die Augen mit einem Zipfel ihrer blau und weiß gedruckten Schürze. „Ju Ju!“ ſagte ſie, 's is och gutt ſu! Wenn ſe ack bale zu¬ ricke kimma wellten! 's is ne ſchiene uf der Welt ſo alleene — nee 's is och ne ſchiene!“ Hier ließ ſie eine Pauſe eintreten; wohl für jenen, zum Überlegen des Gehörten. Dann mit beſonderem Blicke auf den Mann: „Ich ha' ſchon manch a lieb's Mal bei mer gedacht, der Büttnerpauer muß es duch firchterlich eenſam han, ha'ch gedacht. Den muß duch ordentlich bange ſen, ha'ch gedacht! — So alleene, wie der is uf der Welt. — Is ne a ſu, Pauer?“ Statt der Antwort nahm der Alte die Senſe wieder auf und fuhr fort, Klee zu hauen, als ſei niemand da. Frau Katſchner mußte endlich abziehen. Sie war ziemlich kleinlaut, und im Innerſten gekränkt, daß ihre gute Abſicht, den Einſamen zu tröſten, auf ſo undank¬ baren Boden gefallen war. Inzwiſchen neigte ſich der Sommer ſeinem Ende zu. Die Ernte war eine ungewöhnlich reiche geweſen. Der Roggen hatte volle Ähren mit vielen und ſchweren Körnern getragen, das Stroh war lang und reichlich, auch Hafer und Kartoffeln verſprachen guten Ertrag. Bittere Gefühle waren es, mit denen der alte Mann in dieſem Jahre den Ernteſegen betrachtete. Wo er beſtellt und ge¬ ſäet hatte, ernteten andere. Täglich fuhren jetzt die Wagen der kleinen Leute, die ſich ein paar Morgen vom Büttnerſchen Gute er¬ ſtanden hatten, durch den Bauernhof. Für die vielen Parzellen, die bei der Vereinzelung entſtanden, war dies der einzige Abfuhrweg. Auch auf den Feldern, die ſich Haraſſowitz für ſich ſelbſt zurückbehalten hatte, ſtanden ſchöne Früchte. Es war von vorn¬ herein klar, daß der ehemalige Büttnerbauer die Ernte allein nicht werde bewältigen können. Eines Tages erſchienen denn auch Helfer.

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/347>, abgerufen am 25.11.2024.