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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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statt Antwort zu erhalten, den Rücken des Alten zu sehen
bekam.

Was eigentlich in der Seele dieses Mannes vorgehe, wußte
niemand. Der Pastor machte ihm einige Zeit nach dem Be¬
gräbnis der Bäuerin seinen Besuch, an einem Sonntag Nach¬
mittage. Er fand den Bauern im Werkeltagskleide im Hofe,
mit einer Arbeit beschäftigt. Das wäre in früheren Zeiten
auch nicht passiert! -- Der Pfarrer drückte ein Auge zu, über
die Sonntagsarbeit, und betrat mit dem Alten die Wohnstube.

Der Hirt verstand es, das Gespräch gar bald auf geist¬
liches Gebiet hinüberzuleiten. Das Elend, in dem sich der ehe¬
malige Gutsbesitzer jetzt befand, gab dem Seelsorger Anlaß,
auf die Nichtigkeit alles Irdischen hinzuweisen, und den Sinn
auf die ewigen Güter zu richten. Der Geistliche erinnerte
den Bauern auch an sein Alter, und daß er vielleicht bald vor
einem Höheren werde Rechnung ablegen müssen. Er fand be¬
wegliche Worte, der Herr Pastor. --

Der alte Mann sagte nicht ja und nicht nein dazu. Mit
verdrossener Miene saß er in seiner Ecke. Er schien das seel¬
sorgerische Bemühen des Pfarrers als eine Belästigung zu em¬
pfinden, in die man sich wohl oder übel schicken mußte.

Seine Religiosität war niemals über eine äußerliche Kirch¬
lichkeit hinausgekommen. Nun er nicht mehr zur Kirche ging,
kam das Heidentum zum Vorschein, das tief in der Natur des
deutschen Bauern steckt. Was kümmerten ihn die überirdischen
Dinge; von denen wußte man nichts! Der Boden, auf dem er
stand, die Pflanzen, die er hervorbrachte, die Tiere, die er nährte,
der Himmel über ihm mit seinen Gestirnen, Wolken und Winden,
das waren seine Götter. Jene anderen, morgenländischen,
hatten doch etwas mehr oder weniger Fremdartiges für ihn.

Als der Geistliche schließlich von dem Bauern wegging,
wußte er nicht, ob er Eindruck auf das Gemüt des Mannes
gemacht habe, oder nicht.

Einer anderen Persönlichkeit, die sich dem Alten nähern
wollte, um ihn in seiner Verlassenheit zu trösten, ging es nicht
viel besser. Frau Katschner erschien eines Tages auf dem Büttner¬

ſtatt Antwort zu erhalten, den Rücken des Alten zu ſehen
bekam.

Was eigentlich in der Seele dieſes Mannes vorgehe, wußte
niemand. Der Paſtor machte ihm einige Zeit nach dem Be¬
gräbnis der Bäuerin ſeinen Beſuch, an einem Sonntag Nach¬
mittage. Er fand den Bauern im Werkeltagskleide im Hofe,
mit einer Arbeit beſchäftigt. Das wäre in früheren Zeiten
auch nicht paſſiert! — Der Pfarrer drückte ein Auge zu, über
die Sonntagsarbeit, und betrat mit dem Alten die Wohnſtube.

Der Hirt verſtand es, das Geſpräch gar bald auf geiſt¬
liches Gebiet hinüberzuleiten. Das Elend, in dem ſich der ehe¬
malige Gutsbeſitzer jetzt befand, gab dem Seelſorger Anlaß,
auf die Nichtigkeit alles Irdiſchen hinzuweiſen, und den Sinn
auf die ewigen Güter zu richten. Der Geiſtliche erinnerte
den Bauern auch an ſein Alter, und daß er vielleicht bald vor
einem Höheren werde Rechnung ablegen müſſen. Er fand be¬
wegliche Worte, der Herr Paſtor. —

Der alte Mann ſagte nicht ja und nicht nein dazu. Mit
verdroſſener Miene ſaß er in ſeiner Ecke. Er ſchien das ſeel¬
ſorgeriſche Bemühen des Pfarrers als eine Beläſtigung zu em¬
pfinden, in die man ſich wohl oder übel ſchicken mußte.

Seine Religioſität war niemals über eine äußerliche Kirch¬
lichkeit hinausgekommen. Nun er nicht mehr zur Kirche ging,
kam das Heidentum zum Vorſchein, das tief in der Natur des
deutſchen Bauern ſteckt. Was kümmerten ihn die überirdiſchen
Dinge; von denen wußte man nichts! Der Boden, auf dem er
ſtand, die Pflanzen, die er hervorbrachte, die Tiere, die er nährte,
der Himmel über ihm mit ſeinen Geſtirnen, Wolken und Winden,
das waren ſeine Götter. Jene anderen, morgenländiſchen,
hatten doch etwas mehr oder weniger Fremdartiges für ihn.

Als der Geiſtliche ſchließlich von dem Bauern wegging,
wußte er nicht, ob er Eindruck auf das Gemüt des Mannes
gemacht habe, oder nicht.

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wollte, um ihn in ſeiner Verlaſſenheit zu tröſten, ging es nicht
viel beſſer. Frau Katſchner erſchien eines Tages auf dem Büttner¬

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[331/0345] ſtatt Antwort zu erhalten, den Rücken des Alten zu ſehen bekam. Was eigentlich in der Seele dieſes Mannes vorgehe, wußte niemand. Der Paſtor machte ihm einige Zeit nach dem Be¬ gräbnis der Bäuerin ſeinen Beſuch, an einem Sonntag Nach¬ mittage. Er fand den Bauern im Werkeltagskleide im Hofe, mit einer Arbeit beſchäftigt. Das wäre in früheren Zeiten auch nicht paſſiert! — Der Pfarrer drückte ein Auge zu, über die Sonntagsarbeit, und betrat mit dem Alten die Wohnſtube. Der Hirt verſtand es, das Geſpräch gar bald auf geiſt¬ liches Gebiet hinüberzuleiten. Das Elend, in dem ſich der ehe¬ malige Gutsbeſitzer jetzt befand, gab dem Seelſorger Anlaß, auf die Nichtigkeit alles Irdiſchen hinzuweiſen, und den Sinn auf die ewigen Güter zu richten. Der Geiſtliche erinnerte den Bauern auch an ſein Alter, und daß er vielleicht bald vor einem Höheren werde Rechnung ablegen müſſen. Er fand be¬ wegliche Worte, der Herr Paſtor. — Der alte Mann ſagte nicht ja und nicht nein dazu. Mit verdroſſener Miene ſaß er in ſeiner Ecke. Er ſchien das ſeel¬ ſorgeriſche Bemühen des Pfarrers als eine Beläſtigung zu em¬ pfinden, in die man ſich wohl oder übel ſchicken mußte. Seine Religioſität war niemals über eine äußerliche Kirch¬ lichkeit hinausgekommen. Nun er nicht mehr zur Kirche ging, kam das Heidentum zum Vorſchein, das tief in der Natur des deutſchen Bauern ſteckt. Was kümmerten ihn die überirdiſchen Dinge; von denen wußte man nichts! Der Boden, auf dem er ſtand, die Pflanzen, die er hervorbrachte, die Tiere, die er nährte, der Himmel über ihm mit ſeinen Geſtirnen, Wolken und Winden, das waren ſeine Götter. Jene anderen, morgenländiſchen, hatten doch etwas mehr oder weniger Fremdartiges für ihn. Als der Geiſtliche ſchließlich von dem Bauern wegging, wußte er nicht, ob er Eindruck auf das Gemüt des Mannes gemacht habe, oder nicht. Einer anderen Perſönlichkeit, die ſich dem Alten nähern wollte, um ihn in ſeiner Verlaſſenheit zu tröſten, ging es nicht viel beſſer. Frau Katſchner erſchien eines Tages auf dem Büttner¬

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/345>, abgerufen am 25.11.2024.