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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Haarausraufen, als er jetzt vor ihrer Leiche stand. Ein tiefer
Seufzer und ein paar Thränen, die ihm über die Wangen
liefen, ohne daß er es recht wußte; das war alles.

Dann machte er sich daran, für die Entschlafene zu thun,
was noch für sie gethan werden konnte. Er drückte ihr die
Augenlider herab, hob den schweren Körper aus dem Bette,
reinigte die Leiche, und kleidete sie in ein frisches Hemd. --
Alles, ohne eine Spur von Grauen vor der greifbaren Nähe des
Todes zu empfinden. Dann ging er in's Dorf, meldete den
Tod beim Standesbeamten an, bestellte den Sarg und besprach
im Pfarrhaus den Tag der Beerdigung mit dem Geistlichen.

Der Leichenzug fiel über Erwarten stattlich aus, Jung
und Alt beteiligte sich, Kränze waren gespendet worden, aus
freien Stücken trug ein Gesangverein eine Arie am offenen
Grabe vor.

Es zeigte sich, daß die Büttnersche Familie doch noch manchen
Freund besaß in Halbenau. Es kam in dieser auffälligen Teil¬
nahme etwas, wie Demonstration, zum Ausdruck. Das Schick¬
sal des Büttnerschen Bauerngutes hatte Aufsehen erregt, und
Manchen, der auf überschuldetem Grund und Boden saß, mit
Bangen erfüllt, daß es ihm früher oder später auch so ergeben
möge. Am Bieten hatte man sich zwar eifrig beteiligt, als
das Bauerngut zerkleinert wurde; aber es gab doch nur wenig
Leute in Halbenau, die nicht in ihrem Herzen für den banke¬
rotten Bauern gewesen wären, gegen seine Ausbeuter. Dieses
Gefühl, das sich offen nicht hervorwagte, machte sich in Ehren¬
erweisungen für die verstorbene Bäuerin Luft.

Man war gespannt, ob Kaschelernst zur Beerdigung er¬
scheinen werde. Aber der schlaue Kretschamwirt mochte etwas
von der Stimmung, welche im Dorfe herrschte, gewittert haben,
er kam nicht. Er hatte Ottilie entsendet, die einen Kranz auf
den Sarg legen mußte.

Hinter dem Sarge schritt der Witwer, neben ihm Therese
und Karl. Das war alles, was von der ehemals zahlreichen
und angesehenen Büttnerschen Familie jetzt noch in dieser Gegend
übrig war.

Haarausraufen, als er jetzt vor ihrer Leiche ſtand. Ein tiefer
Seufzer und ein paar Thränen, die ihm über die Wangen
liefen, ohne daß er es recht wußte; das war alles.

Dann machte er ſich daran, für die Entſchlafene zu thun,
was noch für ſie gethan werden konnte. Er drückte ihr die
Augenlider herab, hob den ſchweren Körper aus dem Bette,
reinigte die Leiche, und kleidete ſie in ein friſches Hemd. —
Alles, ohne eine Spur von Grauen vor der greifbaren Nähe des
Todes zu empfinden. Dann ging er in's Dorf, meldete den
Tod beim Standesbeamten an, beſtellte den Sarg und beſprach
im Pfarrhaus den Tag der Beerdigung mit dem Geiſtlichen.

Der Leichenzug fiel über Erwarten ſtattlich aus, Jung
und Alt beteiligte ſich, Kränze waren geſpendet worden, aus
freien Stücken trug ein Geſangverein eine Arie am offenen
Grabe vor.

Es zeigte ſich, daß die Büttnerſche Familie doch noch manchen
Freund beſaß in Halbenau. Es kam in dieſer auffälligen Teil¬
nahme etwas, wie Demonſtration, zum Ausdruck. Das Schick¬
ſal des Büttnerſchen Bauerngutes hatte Aufſehen erregt, und
Manchen, der auf überſchuldetem Grund und Boden ſaß, mit
Bangen erfüllt, daß es ihm früher oder ſpäter auch ſo ergeben
möge. Am Bieten hatte man ſich zwar eifrig beteiligt, als
das Bauerngut zerkleinert wurde; aber es gab doch nur wenig
Leute in Halbenau, die nicht in ihrem Herzen für den banke¬
rotten Bauern geweſen wären, gegen ſeine Ausbeuter. Dieſes
Gefühl, das ſich offen nicht hervorwagte, machte ſich in Ehren¬
erweiſungen für die verſtorbene Bäuerin Luft.

Man war geſpannt, ob Kaſchelernſt zur Beerdigung er¬
ſcheinen werde. Aber der ſchlaue Kretſchamwirt mochte etwas
von der Stimmung, welche im Dorfe herrſchte, gewittert haben,
er kam nicht. Er hatte Ottilie entſendet, die einen Kranz auf
den Sarg legen mußte.

Hinter dem Sarge ſchritt der Witwer, neben ihm Thereſe
und Karl. Das war alles, was von der ehemals zahlreichen
und angeſehenen Büttnerſchen Familie jetzt noch in dieſer Gegend
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[328/0342] Haarausraufen, als er jetzt vor ihrer Leiche ſtand. Ein tiefer Seufzer und ein paar Thränen, die ihm über die Wangen liefen, ohne daß er es recht wußte; das war alles. Dann machte er ſich daran, für die Entſchlafene zu thun, was noch für ſie gethan werden konnte. Er drückte ihr die Augenlider herab, hob den ſchweren Körper aus dem Bette, reinigte die Leiche, und kleidete ſie in ein friſches Hemd. — Alles, ohne eine Spur von Grauen vor der greifbaren Nähe des Todes zu empfinden. Dann ging er in's Dorf, meldete den Tod beim Standesbeamten an, beſtellte den Sarg und beſprach im Pfarrhaus den Tag der Beerdigung mit dem Geiſtlichen. Der Leichenzug fiel über Erwarten ſtattlich aus, Jung und Alt beteiligte ſich, Kränze waren geſpendet worden, aus freien Stücken trug ein Geſangverein eine Arie am offenen Grabe vor. Es zeigte ſich, daß die Büttnerſche Familie doch noch manchen Freund beſaß in Halbenau. Es kam in dieſer auffälligen Teil¬ nahme etwas, wie Demonſtration, zum Ausdruck. Das Schick¬ ſal des Büttnerſchen Bauerngutes hatte Aufſehen erregt, und Manchen, der auf überſchuldetem Grund und Boden ſaß, mit Bangen erfüllt, daß es ihm früher oder ſpäter auch ſo ergeben möge. Am Bieten hatte man ſich zwar eifrig beteiligt, als das Bauerngut zerkleinert wurde; aber es gab doch nur wenig Leute in Halbenau, die nicht in ihrem Herzen für den banke¬ rotten Bauern geweſen wären, gegen ſeine Ausbeuter. Dieſes Gefühl, das ſich offen nicht hervorwagte, machte ſich in Ehren¬ erweiſungen für die verſtorbene Bäuerin Luft. Man war geſpannt, ob Kaſchelernſt zur Beerdigung er¬ ſcheinen werde. Aber der ſchlaue Kretſchamwirt mochte etwas von der Stimmung, welche im Dorfe herrſchte, gewittert haben, er kam nicht. Er hatte Ottilie entſendet, die einen Kranz auf den Sarg legen mußte. Hinter dem Sarge ſchritt der Witwer, neben ihm Thereſe und Karl. Das war alles, was von der ehemals zahlreichen und angeſehenen Büttnerſchen Familie jetzt noch in dieſer Gegend übrig war.

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/342>, abgerufen am 22.11.2024.