Grün beschlagen. Die Wintersaaten standen dicht und üppig, in vielverheißendem, saftigem Dunkelgrün.
Mit dem Pflügen ging es langsam genug vorwärts in dem zähen Lehm, der seit Jahren keine Pflugschar gefühlt hatte. Brombeerranken und andere Schmarotzer des verwilderten Landes bedeckten die magere Ackerkrume, und wichen nur ungern dem Pfluge. Kiesel und Feldsteine stemmten sich gegen die Schar. Und dazu ein Paar träge Ochsen vorgespannt! Die Zeiten, wo er Pferde im Stalle gehabt, waren für den Büttnerbauer vorbei.
Der alte Mann fluchte nicht, trotz der Langsamkeit der Tiere. Sein Trotz war stumm. Mit zusammengebissenen Zähnen blickte er starr geradeaus über die Rücken der Ochsen Die Hand am Sterz, in der Linken Leine und Peitsche, so schritt er hinter dem Pfluge. Wenn er die Lippen öffnete, dann war es höchstens zu einem "Hüü" oder "Hoo." An der Anewand angelangt, hielt er die Ochsen durch einen Ruck der Leine an, hob den Pflug aus, wendete ihn und fuhr eine neue Furche an, genaue Richtung haltend. Er pflügte noch, wie ein Jüngling, mit starker Hand und scharfem Augenmaße.
Die Sonne rückte höher. Der Dampf über den Auen hatte sich verflüchtigt. Klar lag jetzt Halbenau unter ihm, das er von seinem erhöhten Stande überblicken konnte. Haus für Haus, bis hinab zur Kirche. Schon begannen sich die Fruchtbäume hie und da zu schmücken mit weißen Perrücken. In langen, schmalen Streifen zogen sich die Güter der Bauern, Halbhufner und Gärtner vom Dorfe nach dem Walde zu, vielfach durch Raine und Gräben in viereckige Stücken und Streifen zer¬ legt, in vielen Farben leuchtend, bald braun, bald grün, bald gelb¬ lich oder gräulich, je nach der Frucht und der Bodenart. Ein scheckiges Bild, wie ein Stück Zeug mit vielen Flicken darauf. Und am Feldrande ein Kranz von Niederwald, der lichtgrün und lila schimmerte, mit seinen hellen Stämmchen von Birke und Erle. Dahinter der Kiefernwald, im männlichen Ernste seines dunklen Nadelkleides. Und darüber hin der
Grün beſchlagen. Die Winterſaaten ſtanden dicht und üppig, in vielverheißendem, ſaftigem Dunkelgrün.
Mit dem Pflügen ging es langſam genug vorwärts in dem zähen Lehm, der ſeit Jahren keine Pflugſchar gefühlt hatte. Brombeerranken und andere Schmarotzer des verwilderten Landes bedeckten die magere Ackerkrume, und wichen nur ungern dem Pfluge. Kieſel und Feldſteine ſtemmten ſich gegen die Schar. Und dazu ein Paar träge Ochſen vorgeſpannt! Die Zeiten, wo er Pferde im Stalle gehabt, waren für den Büttnerbauer vorbei.
Der alte Mann fluchte nicht, trotz der Langſamkeit der Tiere. Sein Trotz war ſtumm. Mit zuſammengebiſſenen Zähnen blickte er ſtarr geradeaus über die Rücken der Ochſen Die Hand am Sterz, in der Linken Leine und Peitſche, ſo ſchritt er hinter dem Pfluge. Wenn er die Lippen öffnete, dann war es höchſtens zu einem „Hüü“ oder „Hoo.“ An der Anewand angelangt, hielt er die Ochſen durch einen Ruck der Leine an, hob den Pflug aus, wendete ihn und fuhr eine neue Furche an, genaue Richtung haltend. Er pflügte noch, wie ein Jüngling, mit ſtarker Hand und ſcharfem Augenmaße.
Die Sonne rückte höher. Der Dampf über den Auen hatte ſich verflüchtigt. Klar lag jetzt Halbenau unter ihm, das er von ſeinem erhöhten Stande überblicken konnte. Haus für Haus, bis hinab zur Kirche. Schon begannen ſich die Fruchtbäume hie und da zu ſchmücken mit weißen Perrücken. In langen, ſchmalen Streifen zogen ſich die Güter der Bauern, Halbhufner und Gärtner vom Dorfe nach dem Walde zu, vielfach durch Raine und Gräben in viereckige Stücken und Streifen zer¬ legt, in vielen Farben leuchtend, bald braun, bald grün, bald gelb¬ lich oder gräulich, je nach der Frucht und der Bodenart. Ein ſcheckiges Bild, wie ein Stück Zeug mit vielen Flicken darauf. Und am Feldrande ein Kranz von Niederwald, der lichtgrün und lila ſchimmerte, mit ſeinen hellen Stämmchen von Birke und Erle. Dahinter der Kiefernwald, im männlichen Ernſte ſeines dunklen Nadelkleides. Und darüber hin der
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Grün beſchlagen. Die Winterſaaten ſtanden dicht und üppig,
in vielverheißendem, ſaftigem Dunkelgrün.
Mit dem Pflügen ging es langſam genug vorwärts in
dem zähen Lehm, der ſeit Jahren keine Pflugſchar gefühlt
hatte. Brombeerranken und andere Schmarotzer des verwilderten
Landes bedeckten die magere Ackerkrume, und wichen nur
ungern dem Pfluge. Kieſel und Feldſteine ſtemmten ſich gegen
die Schar. Und dazu ein Paar träge Ochſen vorgeſpannt!
Die Zeiten, wo er Pferde im Stalle gehabt, waren für den
Büttnerbauer vorbei.
Der alte Mann fluchte nicht, trotz der Langſamkeit der
Tiere. Sein Trotz war ſtumm. Mit zuſammengebiſſenen
Zähnen blickte er ſtarr geradeaus über die Rücken der Ochſen
Die Hand am Sterz, in der Linken Leine und Peitſche, ſo
ſchritt er hinter dem Pfluge. Wenn er die Lippen öffnete,
dann war es höchſtens zu einem „Hüü“ oder „Hoo.“ An
der Anewand angelangt, hielt er die Ochſen durch einen
Ruck der Leine an, hob den Pflug aus, wendete ihn und
fuhr eine neue Furche an, genaue Richtung haltend. Er
pflügte noch, wie ein Jüngling, mit ſtarker Hand und ſcharfem
Augenmaße.
Die Sonne rückte höher. Der Dampf über den Auen
hatte ſich verflüchtigt. Klar lag jetzt Halbenau unter ihm,
das er von ſeinem erhöhten Stande überblicken konnte. Haus
für Haus, bis hinab zur Kirche. Schon begannen ſich die
Fruchtbäume hie und da zu ſchmücken mit weißen Perrücken.
In langen, ſchmalen Streifen zogen ſich die Güter der Bauern,
Halbhufner und Gärtner vom Dorfe nach dem Walde zu, vielfach
durch Raine und Gräben in viereckige Stücken und Streifen zer¬
legt, in vielen Farben leuchtend, bald braun, bald grün, bald gelb¬
lich oder gräulich, je nach der Frucht und der Bodenart. Ein
ſcheckiges Bild, wie ein Stück Zeug mit vielen Flicken darauf.
Und am Feldrande ein Kranz von Niederwald, der lichtgrün
und lila ſchimmerte, mit ſeinen hellen Stämmchen von
Birke und Erle. Dahinter der Kiefernwald, im männlichen
Ernſte ſeines dunklen Nadelkleides. Und darüber hin der
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/285>, abgerufen am 24.11.2024.
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