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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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ihre Worte, sagten es ihm ihre Mienen, und die ganze Art,
in der sie sich äußerte, daß sie ihm treu geblieben sei.

Gustav ließ ihr seine Befriedigung durchblicken, daß nichts
an dem Gerede sei. Nun erfuhr sie erst, daß er darum gewußt
habe. Deshalb also hatte er mit ihr gegrollt! Wer hatte sie
denn nur ihm gegenüber so angeschwärzt?

Er sagte ihr nur, daß er's gehört hätte von "den Leuten".
Daß die Verdächtigung aus seiner eigenen Familie gekommen,
welche sein Verhältnis mit Pauline niemals gern gesehen
hatte, verschwieg er.

Pauline nahm die Sache ernst. Daß er sie in solch einem
Verdachte gehabt und noch dazu so lange und ohne ihr ein
Wort davon zu sagen, daß kränkte sie. Das Mädchen wurde
auf einmal ganz still. Sie empfand die Ungerechtigkeit und
Erniedrigung, die in seiner Auffassung lag, wie Frauen solche
Dinge empfinden, jäh und leidenschaftlich. Sie machte sich im
Hintergründe des Zimmers zu schaffen, ohne ihn anzusehen.

Ihm war nicht wohl dabei zu Mute. Er wußte zu gut,
wieviel er sich ihr gegenüber vorzuwerfen hatte. -- Er blickte
verlegen auf seine Stiefelspitzen.

Es entstand eine Pause, während der man nur die leich¬
ten Atemzüge des Kindes, das inzwischen mit seiner Flasche
fertig geworden war, vernahm.

Plötzlich ging Pauline nach dem Bette. Sie nahm den
Kleinen aus den Kissen. "Du hast den Jungen noch gar
niche uf'n Arm gehat, Gustav!" sagte sie, unter Thränen
lächelnd, und hielt ihm den Kleinen hin.

Er nahm das Kind in Empfang, wie man ein Paket
nimmt. Der Junge blickte mit dem starren leeren Blicke der
kleinen Kinder auf die blanken Tressen am Halse des Vaters.

"Getoft is er och schon," sagte Pauline. "Ich ha dersch
ja damals geschrieben, aber Du hast nischt geschickt dazu. Der
Paster war erscht böse und hat tichtig gebissen uf mich, daß
mer sowas passiert wor."

Gustav war inzwischen ins Reine mit sich gekommen, daß
er Kind und Mutter anerkennen wolle.

ihre Worte, ſagten es ihm ihre Mienen, und die ganze Art,
in der ſie ſich äußerte, daß ſie ihm treu geblieben ſei.

Guſtav ließ ihr ſeine Befriedigung durchblicken, daß nichts
an dem Gerede ſei. Nun erfuhr ſie erſt, daß er darum gewußt
habe. Deshalb alſo hatte er mit ihr gegrollt! Wer hatte ſie
denn nur ihm gegenüber ſo angeſchwärzt?

Er ſagte ihr nur, daß er's gehört hätte von „den Leuten“.
Daß die Verdächtigung aus ſeiner eigenen Familie gekommen,
welche ſein Verhältnis mit Pauline niemals gern geſehen
hatte, verſchwieg er.

Pauline nahm die Sache ernſt. Daß er ſie in ſolch einem
Verdachte gehabt und noch dazu ſo lange und ohne ihr ein
Wort davon zu ſagen, daß kränkte ſie. Das Mädchen wurde
auf einmal ganz ſtill. Sie empfand die Ungerechtigkeit und
Erniedrigung, die in ſeiner Auffaſſung lag, wie Frauen ſolche
Dinge empfinden, jäh und leidenſchaftlich. Sie machte ſich im
Hintergründe des Zimmers zu ſchaffen, ohne ihn anzuſehen.

Ihm war nicht wohl dabei zu Mute. Er wußte zu gut,
wieviel er ſich ihr gegenüber vorzuwerfen hatte. — Er blickte
verlegen auf ſeine Stiefelſpitzen.

Es entſtand eine Pauſe, während der man nur die leich¬
ten Atemzüge des Kindes, das inzwiſchen mit ſeiner Flaſche
fertig geworden war, vernahm.

Plötzlich ging Pauline nach dem Bette. Sie nahm den
Kleinen aus den Kiſſen. „Du haſt den Jungen noch gar
niche uf'n Arm gehat, Guſtav!“ ſagte ſie, unter Thränen
lächelnd, und hielt ihm den Kleinen hin.

Er nahm das Kind in Empfang, wie man ein Paket
nimmt. Der Junge blickte mit dem ſtarren leeren Blicke der
kleinen Kinder auf die blanken Treſſen am Halſe des Vaters.

„Getoft is er och ſchon,“ ſagte Pauline. „Ich ha derſch
ja damals geſchrieben, aber Du haſt niſcht geſchickt dazu. Der
Paſter war erſcht böſe und hat tichtig gebiſſen uf mich, daß
mer ſowas paſſiert wor.“

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er Kind und Mutter anerkennen wolle.

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[14/0028] ihre Worte, ſagten es ihm ihre Mienen, und die ganze Art, in der ſie ſich äußerte, daß ſie ihm treu geblieben ſei. Guſtav ließ ihr ſeine Befriedigung durchblicken, daß nichts an dem Gerede ſei. Nun erfuhr ſie erſt, daß er darum gewußt habe. Deshalb alſo hatte er mit ihr gegrollt! Wer hatte ſie denn nur ihm gegenüber ſo angeſchwärzt? Er ſagte ihr nur, daß er's gehört hätte von „den Leuten“. Daß die Verdächtigung aus ſeiner eigenen Familie gekommen, welche ſein Verhältnis mit Pauline niemals gern geſehen hatte, verſchwieg er. Pauline nahm die Sache ernſt. Daß er ſie in ſolch einem Verdachte gehabt und noch dazu ſo lange und ohne ihr ein Wort davon zu ſagen, daß kränkte ſie. Das Mädchen wurde auf einmal ganz ſtill. Sie empfand die Ungerechtigkeit und Erniedrigung, die in ſeiner Auffaſſung lag, wie Frauen ſolche Dinge empfinden, jäh und leidenſchaftlich. Sie machte ſich im Hintergründe des Zimmers zu ſchaffen, ohne ihn anzuſehen. Ihm war nicht wohl dabei zu Mute. Er wußte zu gut, wieviel er ſich ihr gegenüber vorzuwerfen hatte. — Er blickte verlegen auf ſeine Stiefelſpitzen. Es entſtand eine Pauſe, während der man nur die leich¬ ten Atemzüge des Kindes, das inzwiſchen mit ſeiner Flaſche fertig geworden war, vernahm. Plötzlich ging Pauline nach dem Bette. Sie nahm den Kleinen aus den Kiſſen. „Du haſt den Jungen noch gar niche uf'n Arm gehat, Guſtav!“ ſagte ſie, unter Thränen lächelnd, und hielt ihm den Kleinen hin. Er nahm das Kind in Empfang, wie man ein Paket nimmt. Der Junge blickte mit dem ſtarren leeren Blicke der kleinen Kinder auf die blanken Treſſen am Halſe des Vaters. „Getoft is er och ſchon,“ ſagte Pauline. „Ich ha derſch ja damals geſchrieben, aber Du haſt niſcht geſchickt dazu. Der Paſter war erſcht böſe und hat tichtig gebiſſen uf mich, daß mer ſowas paſſiert wor.“ Guſtav war inzwiſchen ins Reine mit ſich gekommen, daß er Kind und Mutter anerkennen wolle.

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/28>, abgerufen am 24.11.2024.