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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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sein." Das sagte sie, und da war sie noch ein ganz kleines
Ding. Paßt ä mal auf, habe ich da gleich gesagt, die macht's
nich unter'n Prinzen."

Frau Katschner bestätigte jedes Wort durch ein Kopfnicken,
und die Frauen von Halbenau lauschten offenen Mundes den
mancherlei Heimlichkeiten, welche die Mamsell aus dem Leben
ihrer Herrschaft mitzuteilen, sich herabließ.

Gegen Abend ging Fräulein Bumille. Damit verlor das
Fest seine eigentliche Weihestimmung. Die Lustigkeit trat un¬
gehindert in ihre Rechte.

Häschkekarl hatte nun freies Feld. Wo er auftrat, gab
es Ausgelassenheit und Gelächter. Er hatte sich bereits den
ganzen Nachmittag über mit einem Schwarm Burschen und
Mädchen in Haus und Garten umhergetrieben. Jetzt saß er
draußen im Apfelbaume, eine alte Militärmütze schief auf dem
Kopfe, mit einer falschen Nase im Gesichte, sang Lieder und
gab Schnurren zum besten. Mancher derbe Witz mochte da
mit unterlaufen, nach dem Wiehern und Gröhlen der Burschen
und dem unterdrückten Gekicher der Mädchen zu schließen.

Bei anbrechender Dunkelheit hatte sich Pauline aus der
Hochzeitsgesellschaft zurückgezogen. Flink ward in der Kammer
das Kleid gewechselt und nach dem Jungen gesehen. Dann
lief sie, ohne jemandem ein Wort davon zu sagen, nach dem
Büttnerschen Hofe.

Die Alten waren nicht zur Hochzeit gekommen, darum
wollte sich die junge Frau ihnen selbst vorstellen, als ihre
Tochter.

Sie trat in die große Stube. Niemand schien zu Haus
zu sein, alles war dunkel. Schon wollte sie wieder hinaus¬
gehen, als sie gegen das lichte Fenster einen Kopf und ein
paar Schultern erblickte. Sie erkannte an den Umrissen den
alten Bauern.

Pauline war heute in erregter und gerührter Stimmung,
darum wagte sie etwas für ihre sonstige Scheu Außerordent¬
liches. Sie ging auf den alten Mann zu und sagte ihm, daß
sie nun mit Gustav getraut sei. Dabei umarmte und küßte

ſein.“ Das ſagte ſie, und da war ſie noch ein ganz kleines
Ding. Paßt ä mal auf, habe ich da gleich geſagt, die macht's
nich unter'n Prinzen.“

Frau Katſchner beſtätigte jedes Wort durch ein Kopfnicken,
und die Frauen von Halbenau lauſchten offenen Mundes den
mancherlei Heimlichkeiten, welche die Mamſell aus dem Leben
ihrer Herrſchaft mitzuteilen, ſich herabließ.

Gegen Abend ging Fräulein Bumille. Damit verlor das
Feſt ſeine eigentliche Weiheſtimmung. Die Luſtigkeit trat un¬
gehindert in ihre Rechte.

Häſchkekarl hatte nun freies Feld. Wo er auftrat, gab
es Ausgelaſſenheit und Gelächter. Er hatte ſich bereits den
ganzen Nachmittag über mit einem Schwarm Burſchen und
Mädchen in Haus und Garten umhergetrieben. Jetzt ſaß er
draußen im Apfelbaume, eine alte Militärmütze ſchief auf dem
Kopfe, mit einer falſchen Naſe im Geſichte, ſang Lieder und
gab Schnurren zum beſten. Mancher derbe Witz mochte da
mit unterlaufen, nach dem Wiehern und Gröhlen der Burſchen
und dem unterdrückten Gekicher der Mädchen zu ſchließen.

Bei anbrechender Dunkelheit hatte ſich Pauline aus der
Hochzeitsgeſellſchaft zurückgezogen. Flink ward in der Kammer
das Kleid gewechſelt und nach dem Jungen geſehen. Dann
lief ſie, ohne jemandem ein Wort davon zu ſagen, nach dem
Büttnerſchen Hofe.

Die Alten waren nicht zur Hochzeit gekommen, darum
wollte ſich die junge Frau ihnen ſelbſt vorſtellen, als ihre
Tochter.

Sie trat in die große Stube. Niemand ſchien zu Haus
zu ſein, alles war dunkel. Schon wollte ſie wieder hinaus¬
gehen, als ſie gegen das lichte Fenſter einen Kopf und ein
paar Schultern erblickte. Sie erkannte an den Umriſſen den
alten Bauern.

Pauline war heute in erregter und gerührter Stimmung,
darum wagte ſie etwas für ihre ſonſtige Scheu Außerordent¬
liches. Sie ging auf den alten Mann zu und ſagte ihm, daß
ſie nun mit Guſtav getraut ſei. Dabei umarmte und küßte

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[258/0272] ſein.“ Das ſagte ſie, und da war ſie noch ein ganz kleines Ding. Paßt ä mal auf, habe ich da gleich geſagt, die macht's nich unter'n Prinzen.“ Frau Katſchner beſtätigte jedes Wort durch ein Kopfnicken, und die Frauen von Halbenau lauſchten offenen Mundes den mancherlei Heimlichkeiten, welche die Mamſell aus dem Leben ihrer Herrſchaft mitzuteilen, ſich herabließ. Gegen Abend ging Fräulein Bumille. Damit verlor das Feſt ſeine eigentliche Weiheſtimmung. Die Luſtigkeit trat un¬ gehindert in ihre Rechte. Häſchkekarl hatte nun freies Feld. Wo er auftrat, gab es Ausgelaſſenheit und Gelächter. Er hatte ſich bereits den ganzen Nachmittag über mit einem Schwarm Burſchen und Mädchen in Haus und Garten umhergetrieben. Jetzt ſaß er draußen im Apfelbaume, eine alte Militärmütze ſchief auf dem Kopfe, mit einer falſchen Naſe im Geſichte, ſang Lieder und gab Schnurren zum beſten. Mancher derbe Witz mochte da mit unterlaufen, nach dem Wiehern und Gröhlen der Burſchen und dem unterdrückten Gekicher der Mädchen zu ſchließen. Bei anbrechender Dunkelheit hatte ſich Pauline aus der Hochzeitsgeſellſchaft zurückgezogen. Flink ward in der Kammer das Kleid gewechſelt und nach dem Jungen geſehen. Dann lief ſie, ohne jemandem ein Wort davon zu ſagen, nach dem Büttnerſchen Hofe. Die Alten waren nicht zur Hochzeit gekommen, darum wollte ſich die junge Frau ihnen ſelbſt vorſtellen, als ihre Tochter. Sie trat in die große Stube. Niemand ſchien zu Haus zu ſein, alles war dunkel. Schon wollte ſie wieder hinaus¬ gehen, als ſie gegen das lichte Fenſter einen Kopf und ein paar Schultern erblickte. Sie erkannte an den Umriſſen den alten Bauern. Pauline war heute in erregter und gerührter Stimmung, darum wagte ſie etwas für ihre ſonſtige Scheu Außerordent¬ liches. Sie ging auf den alten Mann zu und ſagte ihm, daß ſie nun mit Guſtav getraut ſei. Dabei umarmte und küßte

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/272>, abgerufen am 24.11.2024.