Gesellschaft durch ihre Nähe eine nicht geringe Ehre wider¬ fahre.
Es wurde viel geweint von Seiten der Frauen; wie meist bei Trauungen. Der alte Pfarrer machte es aber heute auch ganz besonders schön. Auf das Schneuztuch, welches Pau¬ line über dem Gebetbuch gebreitet hielt, fiel manche Thräne. Auch Gustav war ergriffen, und, weil er diese weiche Stim¬ mung eigentlich verächtlich fand, schließlich mehr ärgerlich, als erhoben.
Nach der Trauung ging man zu Fuße nach Frau Katsch¬ ners kleinem Hause. Wie immer auf dem Lande, wurde viel Zeit vertrödelt mit Herumstehen und Schwatzen. Einzelne junge Leute gingen wohl auch noch in den Kretscham, ehe sie sich in das Hochzeitshaus begaben.
Dort gab es den ganzen Nachmittag über zu essen und zu trinken für die Hochzeitsgäste, die Freunde und Nachbarn, welche aus Neugier und auch um der guten Bissen willen auf ein Stündchen eintraten.
Da das Häuschen die Fülle der Gevattern nicht zu fassen vermochte, traten viele hinaus in den Garten. Die bevor¬ zugten Gäste saßen drinnen im Zimmer um den runden Tisch.
Hier war es, wo Fräulein Bumille den andachtsvoll lauschenden Dorfweibern von dem neuesten freudigen Ereig¬ nisse im gräflichen Hause berichtete: Komtesse Wanda hatte sich in Berlin verlobt, im Sommer sollte die Hochzeit sein. Da würde die Gegend etwas zu sehen bekommen! Denn der Graf wollte der Schwester die Hochzeit ausrichten. Der Bräutigam sei Offizier und Prinz und noch dazu ein schwer reicher. "Ja, unsere Wanda!" sagte Fräulein Bumille und ließ ihre geheimnisvolle Maschinerie krachen und knistern, "unsere Wanda! die hat's inwendig! Die macht's garnich unter'n Prinzen, habe ich immer gesagt. Die Wanda, die war schon als Kind was ganz Appart's. Wie sie noch ganz klein war, da kam sie immer zu mir in die Küche ge¬ laufen. "Mamdell", sagte sie, "Mamdell!" so sprach sie näm¬ lich. "Gieb mir ein Stückchen Kuchen; aber groß muß es
W. v. Polenz, Der Büttnerbauer. 17
Geſellſchaft durch ihre Nähe eine nicht geringe Ehre wider¬ fahre.
Es wurde viel geweint von Seiten der Frauen; wie meiſt bei Trauungen. Der alte Pfarrer machte es aber heute auch ganz beſonders ſchön. Auf das Schneuztuch, welches Pau¬ line über dem Gebetbuch gebreitet hielt, fiel manche Thräne. Auch Guſtav war ergriffen, und, weil er dieſe weiche Stim¬ mung eigentlich verächtlich fand, ſchließlich mehr ärgerlich, als erhoben.
Nach der Trauung ging man zu Fuße nach Frau Katſch¬ ners kleinem Hauſe. Wie immer auf dem Lande, wurde viel Zeit vertrödelt mit Herumſtehen und Schwatzen. Einzelne junge Leute gingen wohl auch noch in den Kretſcham, ehe ſie ſich in das Hochzeitshaus begaben.
Dort gab es den ganzen Nachmittag über zu eſſen und zu trinken für die Hochzeitsgäſte, die Freunde und Nachbarn, welche aus Neugier und auch um der guten Biſſen willen auf ein Stündchen eintraten.
Da das Häuschen die Fülle der Gevattern nicht zu faſſen vermochte, traten viele hinaus in den Garten. Die bevor¬ zugten Gäſte ſaßen drinnen im Zimmer um den runden Tiſch.
Hier war es, wo Fräulein Bumille den andachtsvoll lauſchenden Dorfweibern von dem neueſten freudigen Ereig¬ niſſe im gräflichen Hauſe berichtete: Komteſſe Wanda hatte ſich in Berlin verlobt, im Sommer ſollte die Hochzeit ſein. Da würde die Gegend etwas zu ſehen bekommen! Denn der Graf wollte der Schweſter die Hochzeit ausrichten. Der Bräutigam ſei Offizier und Prinz und noch dazu ein ſchwer reicher. „Ja, unſere Wanda!“ ſagte Fräulein Bumille und ließ ihre geheimnisvolle Maſchinerie krachen und kniſtern, „unſere Wanda! die hat's inwendig! Die macht's garnich unter'n Prinzen, habe ich immer geſagt. Die Wanda, die war ſchon als Kind was ganz Appart's. Wie ſie noch ganz klein war, da kam ſie immer zu mir in die Küche ge¬ laufen. „Mamdell“, ſagte ſie, „Mamdell!“ ſo ſprach ſie näm¬ lich. „Gieb mir ein Stückchen Kuchen; aber groß muß es
W. v. Polenz, Der Büttnerbauer. 17
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Geſellſchaft durch ihre Nähe eine nicht geringe Ehre wider¬
fahre.
Es wurde viel geweint von Seiten der Frauen; wie meiſt
bei Trauungen. Der alte Pfarrer machte es aber heute auch
ganz beſonders ſchön. Auf das Schneuztuch, welches Pau¬
line über dem Gebetbuch gebreitet hielt, fiel manche Thräne.
Auch Guſtav war ergriffen, und, weil er dieſe weiche Stim¬
mung eigentlich verächtlich fand, ſchließlich mehr ärgerlich, als
erhoben.
Nach der Trauung ging man zu Fuße nach Frau Katſch¬
ners kleinem Hauſe. Wie immer auf dem Lande, wurde viel
Zeit vertrödelt mit Herumſtehen und Schwatzen. Einzelne junge
Leute gingen wohl auch noch in den Kretſcham, ehe ſie ſich in
das Hochzeitshaus begaben.
Dort gab es den ganzen Nachmittag über zu eſſen und
zu trinken für die Hochzeitsgäſte, die Freunde und Nachbarn,
welche aus Neugier und auch um der guten Biſſen willen auf
ein Stündchen eintraten.
Da das Häuschen die Fülle der Gevattern nicht zu faſſen
vermochte, traten viele hinaus in den Garten. Die bevor¬
zugten Gäſte ſaßen drinnen im Zimmer um den runden Tiſch.
Hier war es, wo Fräulein Bumille den andachtsvoll
lauſchenden Dorfweibern von dem neueſten freudigen Ereig¬
niſſe im gräflichen Hauſe berichtete: Komteſſe Wanda hatte
ſich in Berlin verlobt, im Sommer ſollte die Hochzeit ſein.
Da würde die Gegend etwas zu ſehen bekommen! Denn der
Graf wollte der Schweſter die Hochzeit ausrichten. Der
Bräutigam ſei Offizier und Prinz und noch dazu ein ſchwer
reicher. „Ja, unſere Wanda!“ ſagte Fräulein Bumille und
ließ ihre geheimnisvolle Maſchinerie krachen und kniſtern,
„unſere Wanda! die hat's inwendig! Die macht's garnich
unter'n Prinzen, habe ich immer geſagt. Die Wanda, die
war ſchon als Kind was ganz Appart's. Wie ſie noch ganz
klein war, da kam ſie immer zu mir in die Küche ge¬
laufen. „Mamdell“, ſagte ſie, „Mamdell!“ ſo ſprach ſie näm¬
lich. „Gieb mir ein Stückchen Kuchen; aber groß muß es
W. v. Polenz, Der Büttnerbauer. 17
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/271>, abgerufen am 24.11.2024.
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