schmieren können wir's nicht jedem einzeln. Da hätte man viel zu thun! -- Oder, dachten Sie vielleicht, daß ich Ihnen so einen Kontrakt, wie den hier, umsonst ablassen würde? -- Schenken, vielleicht, aus Freundschaft? -- he! Dann sind Sie sehr naiv, mein Bester! Heutzutage ist alles Geldgeschäft. Pro Kopf des Arbeiters -- ob Mädel oder Kerl ist eins -- bekomme ich von Ihnen fünf Mark. Das ist die Taxe. Davon zahlen Sie mir die Hälfte zu Johanni, die andere zum Schluß der Arbeitsperiode. Sie werden schon wissen, wie Sie den Leuten gegenüber auf Ihre Kosten kommen."
Gustav begriff nun endlich, daß er über's Ohr gehauen sei. Im ersten Augenblicke überkam ihn das Gelüste, diesem Spitzbuben die ganze Geschichte vor die Füße zu werfen. Zitt¬ witz hatte sich auf seinem Stuhle umgedreht und war in irgendwelche Schriftlichkeiten vertieft. Gustav sah nur seinen breiten Rücken. Wenn der Mann ihm nur wenigstens offen als Feind entgegengetreten wäre! Aber dieser kalten Gering¬ schätzung, diesem überlegenen Hohn gegenüber, fühlte er sich gänzlich ohnmächtig.
Der junge Mann würgte und schluckte an seinem Ärger, dann bat er um Gehör. "Ach Gott, Sie sind noch hier!" sagte der andere und wandte sich um, mit gut geheucheltem Staunen. "Also, was wollen Sie noch? Aber bitte schnell! ich habe nicht viel Zeit, wie Sie sehen."
Gustav begann mit einer von Ärger und innerer Er¬ regung rauhen Stimme, in abgehackten Sätzen auseinander zu setzen, er habe nichts davon gewußt, daß er den Kon¬ trakt bezahlen müsse; man habe ihm die ganze Sache gegen seinen Willen aufgenötigt, und er wolle von dem Geschäfte absehen.
Der Agent unterbrach ihn. "Das dürfte Ihnen wohl übel bekommen, mein Lieber!" sagte er in trockenstem Tone. "Hier steht Ihre Unterschrift. An die halte ich mich. Wer etwas unterschreibt, was er nicht kennt, ist ein Narr! Außer¬ dem haben Sie eine ganze Anzahl Leute zum Unterschreiben veranlaßt; an die sind Sie ebenfalls gebunden. Man wird
ſchmieren können wir's nicht jedem einzeln. Da hätte man viel zu thun! — Oder, dachten Sie vielleicht, daß ich Ihnen ſo einen Kontrakt, wie den hier, umſonſt ablaſſen würde? — Schenken, vielleicht, aus Freundſchaft? — he! Dann ſind Sie ſehr naiv, mein Beſter! Heutzutage iſt alles Geldgeſchäft. Pro Kopf des Arbeiters — ob Mädel oder Kerl iſt eins — bekomme ich von Ihnen fünf Mark. Das iſt die Taxe. Davon zahlen Sie mir die Hälfte zu Johanni, die andere zum Schluß der Arbeitsperiode. Sie werden ſchon wiſſen, wie Sie den Leuten gegenüber auf Ihre Koſten kommen.“
Guſtav begriff nun endlich, daß er über's Ohr gehauen ſei. Im erſten Augenblicke überkam ihn das Gelüſte, dieſem Spitzbuben die ganze Geſchichte vor die Füße zu werfen. Zitt¬ witz hatte ſich auf ſeinem Stuhle umgedreht und war in irgendwelche Schriftlichkeiten vertieft. Guſtav ſah nur ſeinen breiten Rücken. Wenn der Mann ihm nur wenigſtens offen als Feind entgegengetreten wäre! Aber dieſer kalten Gering¬ ſchätzung, dieſem überlegenen Hohn gegenüber, fühlte er ſich gänzlich ohnmächtig.
Der junge Mann würgte und ſchluckte an ſeinem Ärger, dann bat er um Gehör. „Ach Gott, Sie ſind noch hier!“ ſagte der andere und wandte ſich um, mit gut geheucheltem Staunen. „Alſo, was wollen Sie noch? Aber bitte ſchnell! ich habe nicht viel Zeit, wie Sie ſehen.“
Guſtav begann mit einer von Ärger und innerer Er¬ regung rauhen Stimme, in abgehackten Sätzen auseinander zu ſetzen, er habe nichts davon gewußt, daß er den Kon¬ trakt bezahlen müſſe; man habe ihm die ganze Sache gegen ſeinen Willen aufgenötigt, und er wolle von dem Geſchäfte abſehen.
Der Agent unterbrach ihn. „Das dürfte Ihnen wohl übel bekommen, mein Lieber!“ ſagte er in trockenſtem Tone. „Hier ſteht Ihre Unterſchrift. An die halte ich mich. Wer etwas unterſchreibt, was er nicht kennt, iſt ein Narr! Außer¬ dem haben Sie eine ganze Anzahl Leute zum Unterſchreiben veranlaßt; an die ſind Sie ebenfalls gebunden. Man wird
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ſchmieren können wir's nicht jedem einzeln. Da hätte man
viel zu thun! — Oder, dachten Sie vielleicht, daß ich Ihnen
ſo einen Kontrakt, wie den hier, umſonſt ablaſſen würde? —
Schenken, vielleicht, aus Freundſchaft? — he! Dann ſind Sie
ſehr naiv, mein Beſter! Heutzutage iſt alles Geldgeſchäft.
Pro Kopf des Arbeiters — ob Mädel oder Kerl iſt eins —
bekomme ich von Ihnen fünf Mark. Das iſt die Taxe. Davon
zahlen Sie mir die Hälfte zu Johanni, die andere zum Schluß
der Arbeitsperiode. Sie werden ſchon wiſſen, wie Sie den
Leuten gegenüber auf Ihre Koſten kommen.“
Guſtav begriff nun endlich, daß er über's Ohr gehauen
ſei. Im erſten Augenblicke überkam ihn das Gelüſte, dieſem
Spitzbuben die ganze Geſchichte vor die Füße zu werfen. Zitt¬
witz hatte ſich auf ſeinem Stuhle umgedreht und war in
irgendwelche Schriftlichkeiten vertieft. Guſtav ſah nur ſeinen
breiten Rücken. Wenn der Mann ihm nur wenigſtens offen
als Feind entgegengetreten wäre! Aber dieſer kalten Gering¬
ſchätzung, dieſem überlegenen Hohn gegenüber, fühlte er ſich
gänzlich ohnmächtig.
Der junge Mann würgte und ſchluckte an ſeinem Ärger,
dann bat er um Gehör. „Ach Gott, Sie ſind noch hier!“
ſagte der andere und wandte ſich um, mit gut geheucheltem
Staunen. „Alſo, was wollen Sie noch? Aber bitte ſchnell!
ich habe nicht viel Zeit, wie Sie ſehen.“
Guſtav begann mit einer von Ärger und innerer Er¬
regung rauhen Stimme, in abgehackten Sätzen auseinander
zu ſetzen, er habe nichts davon gewußt, daß er den Kon¬
trakt bezahlen müſſe; man habe ihm die ganze Sache gegen
ſeinen Willen aufgenötigt, und er wolle von dem Geſchäfte
abſehen.
Der Agent unterbrach ihn. „Das dürfte Ihnen wohl
übel bekommen, mein Lieber!“ ſagte er in trockenſtem Tone.
„Hier ſteht Ihre Unterſchrift. An die halte ich mich. Wer
etwas unterſchreibt, was er nicht kennt, iſt ein Narr! Außer¬
dem haben Sie eine ganze Anzahl Leute zum Unterſchreiben
veranlaßt; an die ſind Sie ebenfalls gebunden. Man wird
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/266>, abgerufen am 24.11.2024.
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