Zu Gustavs nicht geringer Überraschung trat auch Häschke an ihn heran und wollte angeworben sein. Seit jenem Abende, wo er den ehemaligen Kameraden auf den Bauernhof gebracht, hatte Gustav nicht mehr viel von ihm gesehen. Er hatte sich schon gewundert, daß dieser Sausewind soviel Seßhaftigkeit an den Tag legte; denn über zwei Wochen war er jetzt schon in Halbenau. Und als er Häschkes Fleiß und Betriebsamkeit von den Seinen rühmen hörte, wollte er seinen Ohren kaum trauen. Was war denn auf einmal in diesen Menschen gefahren, daß er so gänzlich umgetauscht erschien!
Als Häschke jetzt mit diesem Ansinnen kam, lachte ihn Gustav anfangs aus. Das war wohl gar ein schlechter Witz dieses Tausendsasas! Aber Häschke drang allen Ernstes da¬ rauf, angeworben zu werden. Gustav hielt ihm vor, daß Feld¬ arbeit gar nicht sein Beruf sei. Häschke erwiderte, er verändere seine ,Religion' ganz gerne einmal, und er wolle mit Gustav "mang die Zuckerrüben" gehen.
Gustav wollte den ehemaligen Kameraden nicht abweisen. Schließlich war Häschke ein fixer Kerl und offener Kopf. Er hatte schon mancherlei gesehen von der Welt und mochte sich in schwierigen Verhältnissen wertvoll erweisen.
Gustav begab sich mit dem Kontrakte, unter dem nun schon eine ganz stattliche Anzahl von Unterschriften prangte, zu dem Agenten, der jetzt, nachdem er die Dörfer der Um¬ gegend zur Genüge bereist, sein Hauptquartier wieder in der Kreisstadt aufgeschlagen hatte.
Als er das Büreau betrat, empfing ihn Zittwitz mit dem Ausrufe: "Sehen Sie, ich habe es Ihnen ja gesagt, daß wir handelseinig werden würden. Nun zeigen Sie mal her!" Damit ließ er sich den Kontrakt reichen.
Der Agent nickte zufrieden. Daß ein paar Mädchen mehr darauf standen, als verlangt -- durch Ernestinens eifriges Werben -- war ihm nicht unlieb; denn, meinte der erfahrene Mann: ein oder das andere Frauenzimmer bleibe im letzten Augenblicke doch noch weg, oder laufe auch während des Sommers aus der Arbeit. Da sei es vorsichtiger gehandelt,
Zu Guſtavs nicht geringer Überraſchung trat auch Häſchke an ihn heran und wollte angeworben ſein. Seit jenem Abende, wo er den ehemaligen Kameraden auf den Bauernhof gebracht, hatte Guſtav nicht mehr viel von ihm geſehen. Er hatte ſich ſchon gewundert, daß dieſer Sauſewind ſoviel Seßhaftigkeit an den Tag legte; denn über zwei Wochen war er jetzt ſchon in Halbenau. Und als er Häſchkes Fleiß und Betriebſamkeit von den Seinen rühmen hörte, wollte er ſeinen Ohren kaum trauen. Was war denn auf einmal in dieſen Menſchen gefahren, daß er ſo gänzlich umgetauſcht erſchien!
Als Häſchke jetzt mit dieſem Anſinnen kam, lachte ihn Guſtav anfangs aus. Das war wohl gar ein ſchlechter Witz dieſes Tauſendſaſas! Aber Häſchke drang allen Ernſtes da¬ rauf, angeworben zu werden. Guſtav hielt ihm vor, daß Feld¬ arbeit gar nicht ſein Beruf ſei. Häſchke erwiderte, er verändere ſeine ‚Religion‘ ganz gerne einmal, und er wolle mit Guſtav „mang die Zuckerrüben“ gehen.
Guſtav wollte den ehemaligen Kameraden nicht abweiſen. Schließlich war Häſchke ein fixer Kerl und offener Kopf. Er hatte ſchon mancherlei geſehen von der Welt und mochte ſich in ſchwierigen Verhältniſſen wertvoll erweiſen.
Guſtav begab ſich mit dem Kontrakte, unter dem nun ſchon eine ganz ſtattliche Anzahl von Unterſchriften prangte, zu dem Agenten, der jetzt, nachdem er die Dörfer der Um¬ gegend zur Genüge bereiſt, ſein Hauptquartier wieder in der Kreisſtadt aufgeſchlagen hatte.
Als er das Büreau betrat, empfing ihn Zittwitz mit dem Ausrufe: „Sehen Sie, ich habe es Ihnen ja geſagt, daß wir handelseinig werden würden. Nun zeigen Sie mal her!“ Damit ließ er ſich den Kontrakt reichen.
Der Agent nickte zufrieden. Daß ein paar Mädchen mehr darauf ſtanden, als verlangt — durch Erneſtinens eifriges Werben — war ihm nicht unlieb; denn, meinte der erfahrene Mann: ein oder das andere Frauenzimmer bleibe im letzten Augenblicke doch noch weg, oder laufe auch während des Sommers aus der Arbeit. Da ſei es vorſichtiger gehandelt,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0263"n="249"/><p>Zu Guſtavs nicht geringer Überraſchung trat auch Häſchke<lb/>
an ihn heran und wollte angeworben ſein. Seit jenem Abende,<lb/>
wo er den ehemaligen Kameraden auf den Bauernhof gebracht,<lb/>
hatte Guſtav nicht mehr viel von ihm geſehen. Er hatte ſich<lb/>ſchon gewundert, daß dieſer Sauſewind ſoviel Seßhaftigkeit an<lb/>
den Tag legte; denn über zwei Wochen war er jetzt ſchon in<lb/>
Halbenau. Und als er Häſchkes Fleiß und Betriebſamkeit von<lb/>
den Seinen rühmen hörte, wollte er ſeinen Ohren kaum trauen.<lb/>
Was war denn auf einmal in dieſen Menſchen gefahren, daß<lb/>
er ſo gänzlich umgetauſcht erſchien!</p><lb/><p>Als Häſchke jetzt mit dieſem Anſinnen kam, lachte ihn<lb/>
Guſtav anfangs aus. Das war wohl gar ein ſchlechter Witz<lb/>
dieſes Tauſendſaſas! Aber Häſchke drang allen Ernſtes da¬<lb/>
rauf, angeworben zu werden. Guſtav hielt ihm vor, daß Feld¬<lb/>
arbeit gar nicht ſein Beruf ſei. Häſchke erwiderte, er verändere<lb/>ſeine ‚Religion‘ ganz gerne einmal, und er wolle mit Guſtav<lb/>„mang die Zuckerrüben“ gehen.</p><lb/><p>Guſtav wollte den ehemaligen Kameraden nicht abweiſen.<lb/>
Schließlich war Häſchke ein fixer Kerl und offener Kopf. Er<lb/>
hatte ſchon mancherlei geſehen von der Welt und mochte ſich<lb/>
in ſchwierigen Verhältniſſen wertvoll erweiſen.</p><lb/><p>Guſtav begab ſich mit dem Kontrakte, unter dem nun<lb/>ſchon eine ganz ſtattliche Anzahl von Unterſchriften prangte,<lb/>
zu dem Agenten, der jetzt, nachdem er die Dörfer der Um¬<lb/>
gegend zur Genüge bereiſt, ſein Hauptquartier wieder in der<lb/>
Kreisſtadt aufgeſchlagen hatte.</p><lb/><p>Als er das Büreau betrat, empfing ihn Zittwitz mit<lb/>
dem Ausrufe: „Sehen Sie, ich habe es Ihnen ja geſagt, daß<lb/>
wir handelseinig werden würden. Nun zeigen Sie mal her!“<lb/>
Damit ließ er ſich den Kontrakt reichen.</p><lb/><p>Der Agent nickte zufrieden. Daß ein paar Mädchen mehr<lb/>
darauf ſtanden, als verlangt — durch Erneſtinens eifriges<lb/>
Werben — war ihm nicht unlieb; denn, meinte der erfahrene<lb/>
Mann: ein oder das andere Frauenzimmer bleibe im letzten<lb/>
Augenblicke doch noch weg, oder laufe auch während des<lb/>
Sommers aus der Arbeit. Da ſei es vorſichtiger gehandelt,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[249/0263]
Zu Guſtavs nicht geringer Überraſchung trat auch Häſchke
an ihn heran und wollte angeworben ſein. Seit jenem Abende,
wo er den ehemaligen Kameraden auf den Bauernhof gebracht,
hatte Guſtav nicht mehr viel von ihm geſehen. Er hatte ſich
ſchon gewundert, daß dieſer Sauſewind ſoviel Seßhaftigkeit an
den Tag legte; denn über zwei Wochen war er jetzt ſchon in
Halbenau. Und als er Häſchkes Fleiß und Betriebſamkeit von
den Seinen rühmen hörte, wollte er ſeinen Ohren kaum trauen.
Was war denn auf einmal in dieſen Menſchen gefahren, daß
er ſo gänzlich umgetauſcht erſchien!
Als Häſchke jetzt mit dieſem Anſinnen kam, lachte ihn
Guſtav anfangs aus. Das war wohl gar ein ſchlechter Witz
dieſes Tauſendſaſas! Aber Häſchke drang allen Ernſtes da¬
rauf, angeworben zu werden. Guſtav hielt ihm vor, daß Feld¬
arbeit gar nicht ſein Beruf ſei. Häſchke erwiderte, er verändere
ſeine ‚Religion‘ ganz gerne einmal, und er wolle mit Guſtav
„mang die Zuckerrüben“ gehen.
Guſtav wollte den ehemaligen Kameraden nicht abweiſen.
Schließlich war Häſchke ein fixer Kerl und offener Kopf. Er
hatte ſchon mancherlei geſehen von der Welt und mochte ſich
in ſchwierigen Verhältniſſen wertvoll erweiſen.
Guſtav begab ſich mit dem Kontrakte, unter dem nun
ſchon eine ganz ſtattliche Anzahl von Unterſchriften prangte,
zu dem Agenten, der jetzt, nachdem er die Dörfer der Um¬
gegend zur Genüge bereiſt, ſein Hauptquartier wieder in der
Kreisſtadt aufgeſchlagen hatte.
Als er das Büreau betrat, empfing ihn Zittwitz mit
dem Ausrufe: „Sehen Sie, ich habe es Ihnen ja geſagt, daß
wir handelseinig werden würden. Nun zeigen Sie mal her!“
Damit ließ er ſich den Kontrakt reichen.
Der Agent nickte zufrieden. Daß ein paar Mädchen mehr
darauf ſtanden, als verlangt — durch Erneſtinens eifriges
Werben — war ihm nicht unlieb; denn, meinte der erfahrene
Mann: ein oder das andere Frauenzimmer bleibe im letzten
Augenblicke doch noch weg, oder laufe auch während des
Sommers aus der Arbeit. Da ſei es vorſichtiger gehandelt,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/263>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.