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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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nannte, der Schuster mußte ihm die ,Trittchen' neu be¬
setzen; den ,Wallmusch' die ,Kreuzspanne' und die ,Weitchen'
flickte er sich selbst mit den Tuchresten, welche er von den
Frauen erhalten hatte. Der Erfolg war, daß er mit einer
etwas scheckigen, aber, nach seiner eigenen Auffassung ,duften
Kluft' umherging.

Als der Büttnerbauer zum ersten Male mit der Egge
auf's Feld hinausfuhr, ging Häschke mit. An einzelnen Stellen
war der Frost noch im Boden und erschwerte die Arbeit. Der
zugereiste Handwerksbursche wußte sich auch hier nützlich zu
machen. "Nehmt mich als Knecht an, Vater Büttner!" meinte
Häschke in dem vertrauten Tone, dessen er sich seinem Wirt
gegenüber zu bedienen Pflegte. Und der alte Bauer sagte
nicht "nein!"

Gustav kam in dieser Zeit nicht mehr auf den väter¬
lichen Hof. Er ging dem Alten aus dem Wege. Neuerdings
brauchten Vater und Sohn nur drei Worte zu wechseln, und
der Streit war fertig. Gustav meinte, das könne er sich er¬
sparen; ändern würde er ja zu Haus doch nichts mehr an dem
Gange der Dinge.

Er hatte ganz genug mit seinen eigenen Angelegenheiten
zu schaffen. Die Trauung war nunmehr festgesetzt, auf den
nächsten Sonntag. Das Paar selbst wollte von jeder Feier¬
lichkeit, mit Ausnahme der kirchlichen, absehen. Aber, Pau¬
linens Mutter blieb darauf bestehen, daß man den Hochzeits¬
gästen etwas vorsetzen müsse. Frau Katschner verstand, von
ihrer Dienstzeit in der herrschaftlichen Küche her, einiges vom
feineren Braten und Kochen. Sie wollte sich die Gelegenheit,
ihre Künste einmal im hellsten Lichte zu zeigen, nicht entgehen
lassen. Nach der Trauung in der Kirche sollte es also einen
Schmaus bei ihr im Hause geben.

Am Morgen, nachdem Gustav in Wörmsbach gewesen
war, kam Ernestine zu ihm. Sie wolle mit nach Sachsen
auf Rübenarbeit gehen, erklärte sie dem Bruder, ohne viele
Umschweife.

Gustav lachte die kleine Schwester aus, sie sei wohl när¬

nannte, der Schuſter mußte ihm die ‚Trittchen‘ neu be¬
ſetzen; den ‚Wallmuſch‘ die ‚Kreuzſpanne‘ und die ‚Weitchen‘
flickte er ſich ſelbſt mit den Tuchreſten, welche er von den
Frauen erhalten hatte. Der Erfolg war, daß er mit einer
etwas ſcheckigen, aber, nach ſeiner eigenen Auffaſſung ‚duften
Kluft‘ umherging.

Als der Büttnerbauer zum erſten Male mit der Egge
auf's Feld hinausfuhr, ging Häſchke mit. An einzelnen Stellen
war der Froſt noch im Boden und erſchwerte die Arbeit. Der
zugereiſte Handwerksburſche wußte ſich auch hier nützlich zu
machen. „Nehmt mich als Knecht an, Vater Büttner!“ meinte
Häſchke in dem vertrauten Tone, deſſen er ſich ſeinem Wirt
gegenüber zu bedienen Pflegte. Und der alte Bauer ſagte
nicht „nein!“

Guſtav kam in dieſer Zeit nicht mehr auf den väter¬
lichen Hof. Er ging dem Alten aus dem Wege. Neuerdings
brauchten Vater und Sohn nur drei Worte zu wechſeln, und
der Streit war fertig. Guſtav meinte, das könne er ſich er¬
ſparen; ändern würde er ja zu Haus doch nichts mehr an dem
Gange der Dinge.

Er hatte ganz genug mit ſeinen eigenen Angelegenheiten
zu ſchaffen. Die Trauung war nunmehr feſtgeſetzt, auf den
nächſten Sonntag. Das Paar ſelbſt wollte von jeder Feier¬
lichkeit, mit Ausnahme der kirchlichen, abſehen. Aber, Pau¬
linens Mutter blieb darauf beſtehen, daß man den Hochzeits¬
gäſten etwas vorſetzen müſſe. Frau Katſchner verſtand, von
ihrer Dienſtzeit in der herrſchaftlichen Küche her, einiges vom
feineren Braten und Kochen. Sie wollte ſich die Gelegenheit,
ihre Künſte einmal im hellſten Lichte zu zeigen, nicht entgehen
laſſen. Nach der Trauung in der Kirche ſollte es alſo einen
Schmaus bei ihr im Hauſe geben.

Am Morgen, nachdem Guſtav in Wörmsbach geweſen
war, kam Erneſtine zu ihm. Sie wolle mit nach Sachſen
auf Rübenarbeit gehen, erklärte ſie dem Bruder, ohne viele
Umſchweife.

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[245/0259] nannte, der Schuſter mußte ihm die ‚Trittchen‘ neu be¬ ſetzen; den ‚Wallmuſch‘ die ‚Kreuzſpanne‘ und die ‚Weitchen‘ flickte er ſich ſelbſt mit den Tuchreſten, welche er von den Frauen erhalten hatte. Der Erfolg war, daß er mit einer etwas ſcheckigen, aber, nach ſeiner eigenen Auffaſſung ‚duften Kluft‘ umherging. Als der Büttnerbauer zum erſten Male mit der Egge auf's Feld hinausfuhr, ging Häſchke mit. An einzelnen Stellen war der Froſt noch im Boden und erſchwerte die Arbeit. Der zugereiſte Handwerksburſche wußte ſich auch hier nützlich zu machen. „Nehmt mich als Knecht an, Vater Büttner!“ meinte Häſchke in dem vertrauten Tone, deſſen er ſich ſeinem Wirt gegenüber zu bedienen Pflegte. Und der alte Bauer ſagte nicht „nein!“ Guſtav kam in dieſer Zeit nicht mehr auf den väter¬ lichen Hof. Er ging dem Alten aus dem Wege. Neuerdings brauchten Vater und Sohn nur drei Worte zu wechſeln, und der Streit war fertig. Guſtav meinte, das könne er ſich er¬ ſparen; ändern würde er ja zu Haus doch nichts mehr an dem Gange der Dinge. Er hatte ganz genug mit ſeinen eigenen Angelegenheiten zu ſchaffen. Die Trauung war nunmehr feſtgeſetzt, auf den nächſten Sonntag. Das Paar ſelbſt wollte von jeder Feier¬ lichkeit, mit Ausnahme der kirchlichen, abſehen. Aber, Pau¬ linens Mutter blieb darauf beſtehen, daß man den Hochzeits¬ gäſten etwas vorſetzen müſſe. Frau Katſchner verſtand, von ihrer Dienſtzeit in der herrſchaftlichen Küche her, einiges vom feineren Braten und Kochen. Sie wollte ſich die Gelegenheit, ihre Künſte einmal im hellſten Lichte zu zeigen, nicht entgehen laſſen. Nach der Trauung in der Kirche ſollte es alſo einen Schmaus bei ihr im Hauſe geben. Am Morgen, nachdem Guſtav in Wörmsbach geweſen war, kam Erneſtine zu ihm. Sie wolle mit nach Sachſen auf Rübenarbeit gehen, erklärte ſie dem Bruder, ohne viele Umſchweife. Guſtav lachte die kleine Schweſter aus, ſie ſei wohl när¬

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/259>, abgerufen am 23.07.2024.