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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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dem ererbten Wohlstande auszuruhen. Das Spiel, der ärgste
Verderber des Bauern, war aufgekommen, und der Trunk
hatte sich dazu gesellt. An Stelle des Reichtums trat die Über¬
schuldung. Die Güter der Bankrottierer kamen unter den
Hammer und wurden zerkleinert. In keinem Orte der ganzen
Umgegend spielte die Güterschlächterei und der Bodenschacher
eine solche Rolle, wie in Wörmsbach. Samuel Harrassowitz
aus der Kreisstadt war hier kein Unbekannter.

An einem Tische für sich saß eine Anzahl Männer, die
sich durch ihre Kleidung von den Dorfleuten abhoben. Der
Gensdarm mit einem graden schwarzen Schnurrbart, neben
ihm ein dicker Mann mit rotem Vollbart im braunen Loden¬
rock -- in dem Gustav einen der Inspektoren der Herrschaft
Saland wiedererkannte -- dazu zwei Leute in Jägertracht, gräf¬
liche Revierförster.

Gustav erfuhr von einem neben ihm stehenden jungen
Manne, weshalb die Beamten hier seien. "Zum uffpassen!"
Neulich habe es bereits einen großen "Spektakel" gegeben,
da seien ein paar Mägde und ein Holzarbeiter von der
Herrschaft davongelaufen und hätten sich dem Agenten ver¬
dungen.

Die Augen des Berichterstatters leuchteten vor Schaden¬
freude, als er erzählte: "Da sull nu der Schandarm und
er sull helfen uffpassen. In hellen Haufen lofen se weg
vun der Herrschaft und och von den Pauern. Is denen
schun recht, sag 'ch, was zahlt 'r sicke Hungerlöhne, daß
unserener ne laben kann dermitte und ne starben."

Gustav sah sich den kleinen verwachsenen Burschen etwas
näher an. Das war wohl ein ,Sozialer', wie es hier auch
schon welche gab. Er fragte jenen, wer er sei, und was er hier
wolle. Er sei Ochsenknecht auf dem Rittergute, sagte der Kleine.
"Ich ginge och glei. Ich ha' das Luderlaben satt. Glei macht
'ch mitte nach Sachsen. Wenn 'ch ack ne verheirat' wäre! Und
Zittwitz spricht: Frau und Kinder dirfte ees ne mitnahmen,
spricht er."

Inzwischen schien sich die Zahl der Arbeitsuchenden er¬

dem ererbten Wohlſtande auszuruhen. Das Spiel, der ärgſte
Verderber des Bauern, war aufgekommen, und der Trunk
hatte ſich dazu geſellt. An Stelle des Reichtums trat die Über¬
ſchuldung. Die Güter der Bankrottierer kamen unter den
Hammer und wurden zerkleinert. In keinem Orte der ganzen
Umgegend ſpielte die Güterſchlächterei und der Bodenſchacher
eine ſolche Rolle, wie in Wörmsbach. Samuel Harraſſowitz
aus der Kreisſtadt war hier kein Unbekannter.

An einem Tiſche für ſich ſaß eine Anzahl Männer, die
ſich durch ihre Kleidung von den Dorfleuten abhoben. Der
Gensdarm mit einem graden ſchwarzen Schnurrbart, neben
ihm ein dicker Mann mit rotem Vollbart im braunen Loden¬
rock — in dem Guſtav einen der Inſpektoren der Herrſchaft
Saland wiedererkannte — dazu zwei Leute in Jägertracht, gräf¬
liche Revierförſter.

Guſtav erfuhr von einem neben ihm ſtehenden jungen
Manne, weshalb die Beamten hier ſeien. „Zum uffpaſſen!“
Neulich habe es bereits einen großen „Spektakel“ gegeben,
da ſeien ein paar Mägde und ein Holzarbeiter von der
Herrſchaft davongelaufen und hätten ſich dem Agenten ver¬
dungen.

Die Augen des Berichterſtatters leuchteten vor Schaden¬
freude, als er erzählte: „Da ſull nu der Schandarm und
er ſull helfen uffpaſſen. In hellen Haufen lofen ſe weg
vun der Herrſchaft und och von den Pauern. Is denen
ſchun recht, ſag 'ch, was zahlt 'r ſicke Hungerlöhne, daß
unſerener ne laben kann dermitte und ne ſtarben.“

Guſtav ſah ſich den kleinen verwachſenen Burſchen etwas
näher an. Das war wohl ein ‚Sozialer‘, wie es hier auch
ſchon welche gab. Er fragte jenen, wer er ſei, und was er hier
wolle. Er ſei Ochſenknecht auf dem Rittergute, ſagte der Kleine.
„Ich ginge och glei. Ich ha' das Luderlaben ſatt. Glei macht
'ch mitte nach Sachſen. Wenn 'ch ack ne verheirat' wäre! Und
Zittwitz ſpricht: Frau und Kinder dirfte ees ne mitnahmen,
ſpricht er.“

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[238/0252] dem ererbten Wohlſtande auszuruhen. Das Spiel, der ärgſte Verderber des Bauern, war aufgekommen, und der Trunk hatte ſich dazu geſellt. An Stelle des Reichtums trat die Über¬ ſchuldung. Die Güter der Bankrottierer kamen unter den Hammer und wurden zerkleinert. In keinem Orte der ganzen Umgegend ſpielte die Güterſchlächterei und der Bodenſchacher eine ſolche Rolle, wie in Wörmsbach. Samuel Harraſſowitz aus der Kreisſtadt war hier kein Unbekannter. An einem Tiſche für ſich ſaß eine Anzahl Männer, die ſich durch ihre Kleidung von den Dorfleuten abhoben. Der Gensdarm mit einem graden ſchwarzen Schnurrbart, neben ihm ein dicker Mann mit rotem Vollbart im braunen Loden¬ rock — in dem Guſtav einen der Inſpektoren der Herrſchaft Saland wiedererkannte — dazu zwei Leute in Jägertracht, gräf¬ liche Revierförſter. Guſtav erfuhr von einem neben ihm ſtehenden jungen Manne, weshalb die Beamten hier ſeien. „Zum uffpaſſen!“ Neulich habe es bereits einen großen „Spektakel“ gegeben, da ſeien ein paar Mägde und ein Holzarbeiter von der Herrſchaft davongelaufen und hätten ſich dem Agenten ver¬ dungen. Die Augen des Berichterſtatters leuchteten vor Schaden¬ freude, als er erzählte: „Da ſull nu der Schandarm und er ſull helfen uffpaſſen. In hellen Haufen lofen ſe weg vun der Herrſchaft und och von den Pauern. Is denen ſchun recht, ſag 'ch, was zahlt 'r ſicke Hungerlöhne, daß unſerener ne laben kann dermitte und ne ſtarben.“ Guſtav ſah ſich den kleinen verwachſenen Burſchen etwas näher an. Das war wohl ein ‚Sozialer‘, wie es hier auch ſchon welche gab. Er fragte jenen, wer er ſei, und was er hier wolle. Er ſei Ochſenknecht auf dem Rittergute, ſagte der Kleine. „Ich ginge och glei. Ich ha' das Luderlaben ſatt. Glei macht 'ch mitte nach Sachſen. Wenn 'ch ack ne verheirat' wäre! Und Zittwitz ſpricht: Frau und Kinder dirfte ees ne mitnahmen, ſpricht er.“ Inzwiſchen ſchien ſich die Zahl der Arbeitſuchenden er¬

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/252>, abgerufen am 24.11.2024.