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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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steigerte. Man feierte den Sieg, brüstete sich damit, dem Auf¬
seheragenten das Geschäft gründlich gelegt zu haben. "Ja,
wir Halbenauer!" . . . hieß es. Die Begebenheit wurde noch
einmal durcherlebt, breitgetreten, ausgeschmückt. Die Schnaps¬
flasche machte die Runde. Bier wurde bestellt; bald gab
dieser, bald jener eine neue Auflage zum besten.

Auch Gustav durfte sich nicht lumpen lassen, er ließ an¬
fahren. Dabei machte er sich's zum besonderen Scherz, jedes
Glas einzeln heranbringen zu lassen, nur um das Vergnügen
zu haben, seinen Vetter Richard Kaschel auf seinen Wink
springen zu sehen. Hinter dem Schenktisch erschien jetzt auch
Ottilie. Sie schielte nach dem Vetter hinüber und lächelte ihm
mit schiefem Munde zu. Er hob das Glas, und ihr zutrinkend,
rief er: "Auf Deine Schönheit!" Ein schallendes Gelächter
der Burschen antwortete. Ottilie zog sich, scheinbar gekränkt,
von der Bierausgabe zurück.

Während man noch den schlechten Witz bejubelte, trat ein
Fremder in's Zimmer. Seinem Aufzuge nach war er ein
wandernder Handwerksbursche, auf dem Rücken den ,Berliner',
den ,Stenz' in der Hand.

"Kenn Kunde!" begrüßte ihn einer von den jungen Leuten,
der auch einmal auf der Walze gewesen war, und die Kunden¬
sprache beherrschte.

"Kenn Kunde!" kam es aus dem Munde des Wanders¬
manns zurück.

"Na, Kunde, wie is der Talf gewesen?"

"Denkst De, ich wer' Klinken putzen! Ne, dazu is meinen
Ollen sei Sohn zu nobel."

"Na, Kunde, nobel siehst De grade nich aus. Du wirst
wohl schmal gemacht han! Oder bist De gar verschütt ge¬
gangen?"

"Ich und verschütt gehn! Nich mal Knast gemacht ha'
'ch. Mei Lebtag nich! Ich hab' freilich meine' Flebben in
Ordnung. Willst se sehn?"

"Ich bin keen Teckel nich! Laß Deine Flebben, wo se
sind. Willst' en Soruff, Kunde?"

ſteigerte. Man feierte den Sieg, brüſtete ſich damit, dem Auf¬
ſeheragenten das Geſchäft gründlich gelegt zu haben. „Ja,
wir Halbenauer!“ . . . hieß es. Die Begebenheit wurde noch
einmal durcherlebt, breitgetreten, ausgeſchmückt. Die Schnaps¬
flaſche machte die Runde. Bier wurde beſtellt; bald gab
dieſer, bald jener eine neue Auflage zum beſten.

Auch Guſtav durfte ſich nicht lumpen laſſen, er ließ an¬
fahren. Dabei machte er ſich's zum beſonderen Scherz, jedes
Glas einzeln heranbringen zu laſſen, nur um das Vergnügen
zu haben, ſeinen Vetter Richard Kaſchel auf ſeinen Wink
ſpringen zu ſehen. Hinter dem Schenktiſch erſchien jetzt auch
Ottilie. Sie ſchielte nach dem Vetter hinüber und lächelte ihm
mit ſchiefem Munde zu. Er hob das Glas, und ihr zutrinkend,
rief er: „Auf Deine Schönheit!“ Ein ſchallendes Gelächter
der Burſchen antwortete. Ottilie zog ſich, ſcheinbar gekränkt,
von der Bierausgabe zurück.

Während man noch den ſchlechten Witz bejubelte, trat ein
Fremder in's Zimmer. Seinem Aufzuge nach war er ein
wandernder Handwerksburſche, auf dem Rücken den ‚Berliner‘,
den ‚Stenz‘ in der Hand.

„Kenn Kunde!“ begrüßte ihn einer von den jungen Leuten,
der auch einmal auf der Walze geweſen war, und die Kunden¬
ſprache beherrſchte.

„Kenn Kunde!“ kam es aus dem Munde des Wanders¬
manns zurück.

„Na, Kunde, wie is der Talf geweſen?“

„Denkſt De, ich wer' Klinken putzen! Ne, dazu is meinen
Ollen ſei Sohn zu nobel.“

„Na, Kunde, nobel ſiehſt De grade nich aus. Du wirſt
wohl ſchmal gemacht han! Oder biſt De gar verſchütt ge¬
gangen?“

„Ich und verſchütt gehn! Nich mal Knaſt gemacht ha'
'ch. Mei Lebtag nich! Ich hab' freilich meine' Flebben in
Ordnung. Willſt ſe ſehn?“

„Ich bin keen Teckel nich! Laß Deine Flebben, wo ſe
ſind. Willſt' en Soruff, Kunde?“

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[229/0243] ſteigerte. Man feierte den Sieg, brüſtete ſich damit, dem Auf¬ ſeheragenten das Geſchäft gründlich gelegt zu haben. „Ja, wir Halbenauer!“ . . . hieß es. Die Begebenheit wurde noch einmal durcherlebt, breitgetreten, ausgeſchmückt. Die Schnaps¬ flaſche machte die Runde. Bier wurde beſtellt; bald gab dieſer, bald jener eine neue Auflage zum beſten. Auch Guſtav durfte ſich nicht lumpen laſſen, er ließ an¬ fahren. Dabei machte er ſich's zum beſonderen Scherz, jedes Glas einzeln heranbringen zu laſſen, nur um das Vergnügen zu haben, ſeinen Vetter Richard Kaſchel auf ſeinen Wink ſpringen zu ſehen. Hinter dem Schenktiſch erſchien jetzt auch Ottilie. Sie ſchielte nach dem Vetter hinüber und lächelte ihm mit ſchiefem Munde zu. Er hob das Glas, und ihr zutrinkend, rief er: „Auf Deine Schönheit!“ Ein ſchallendes Gelächter der Burſchen antwortete. Ottilie zog ſich, ſcheinbar gekränkt, von der Bierausgabe zurück. Während man noch den ſchlechten Witz bejubelte, trat ein Fremder in's Zimmer. Seinem Aufzuge nach war er ein wandernder Handwerksburſche, auf dem Rücken den ‚Berliner‘, den ‚Stenz‘ in der Hand. „Kenn Kunde!“ begrüßte ihn einer von den jungen Leuten, der auch einmal auf der Walze geweſen war, und die Kunden¬ ſprache beherrſchte. „Kenn Kunde!“ kam es aus dem Munde des Wanders¬ manns zurück. „Na, Kunde, wie is der Talf geweſen?“ „Denkſt De, ich wer' Klinken putzen! Ne, dazu is meinen Ollen ſei Sohn zu nobel.“ „Na, Kunde, nobel ſiehſt De grade nich aus. Du wirſt wohl ſchmal gemacht han! Oder biſt De gar verſchütt ge¬ gangen?“ „Ich und verſchütt gehn! Nich mal Knaſt gemacht ha' 'ch. Mei Lebtag nich! Ich hab' freilich meine' Flebben in Ordnung. Willſt ſe ſehn?“ „Ich bin keen Teckel nich! Laß Deine Flebben, wo ſe ſind. Willſt' en Soruff, Kunde?“

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/243>, abgerufen am 25.11.2024.