Einige von den jungen Leuten folgten ihm in den Kret¬ scham.
Die große Gaststube war gedrängt voll Menschen. Dem Eingange gegenüber saß der Agent an seinem Tische mit Schreib¬ zeug und Papieren. Um ihn her standen und saßen alte und junge Männer. Die Mädchen hielten sich mehr an der Wand, sie schienen verschüchtert und wollten sich nicht recht herantrauen.
Der Aufseheragent war ein Mann von behäbigem Äußeren, mit braunem Vollbart, in einem Anzug von brauner ,Jäger'¬ wolle, der ihn wie ein Sack einschloß und nichts von weißer Wäsche sehen ließ. Auffällig an ihm waren die großen lebhaften schwar¬ zen Augen.
Er war soeben im Wortwechsel mit ein paar jungen Männern begriffen, welche Soldatenmützen trugen, und die, wie Gustav schnell erkannte, nicht aus Halbenau waren. Die jungen Leute behaupteten, das seien Schundlöhne, die jener anböte, dafür brauchte niemand die weite Reise zu machen. Verhungern könne man hier so gut wie anderwärts, umsonst.
Der Agent ließ die beiden eine Weile reden. Er saß an seinem Tische mit gelassener Miene, er schien seiner Sache sehr sicher zu sein. Er gebrauchte seine Augen, indem er die ein¬ zelnen Gesichter um sich her scharf beobachtete.
Jetzt schlossen sich auch Einheimische den beiden auswärtigen Schimpfern an. Für solche Löhne könne man kaum sein Leben fristen, hieß es, geschweige denn etwas verdienen, oder zurück¬ legen. Da wolle man doch lieber daheim bleiben bei sicherem Brod.
Nun erhob sich der Agent von seinem Platze, er ging unter die Leute. Vor einem der Haupt-Klugredner blieb er stehen. Er solle ihm doch einmal erzählen, was er verdiene, sagte er in vertraulichem Tone. Der junge Mensch war etwas verblüfft, und wollte nicht recht mit der Sprache heraus, dann nannte er einen Satz; andere widersprachen, soviel verdiene der nicht, hieß es. Es gab darüber ein Hin und Her. Der Agent ließ die Leute ausreden, und blickte mit überlegenem
Einige von den jungen Leuten folgten ihm in den Kret¬ ſcham.
Die große Gaſtſtube war gedrängt voll Menſchen. Dem Eingange gegenüber ſaß der Agent an ſeinem Tiſche mit Schreib¬ zeug und Papieren. Um ihn her ſtanden und ſaßen alte und junge Männer. Die Mädchen hielten ſich mehr an der Wand, ſie ſchienen verſchüchtert und wollten ſich nicht recht herantrauen.
Der Aufſeheragent war ein Mann von behäbigem Äußeren, mit braunem Vollbart, in einem Anzug von brauner ‚Jäger‘¬ wolle, der ihn wie ein Sack einſchloß und nichts von weißer Wäſche ſehen ließ. Auffällig an ihm waren die großen lebhaften ſchwar¬ zen Augen.
Er war ſoeben im Wortwechſel mit ein paar jungen Männern begriffen, welche Soldatenmützen trugen, und die, wie Guſtav ſchnell erkannte, nicht aus Halbenau waren. Die jungen Leute behaupteten, das ſeien Schundlöhne, die jener anböte, dafür brauchte niemand die weite Reiſe zu machen. Verhungern könne man hier ſo gut wie anderwärts, umſonſt.
Der Agent ließ die beiden eine Weile reden. Er ſaß an ſeinem Tiſche mit gelaſſener Miene, er ſchien ſeiner Sache ſehr ſicher zu ſein. Er gebrauchte ſeine Augen, indem er die ein¬ zelnen Geſichter um ſich her ſcharf beobachtete.
Jetzt ſchloſſen ſich auch Einheimiſche den beiden auswärtigen Schimpfern an. Für ſolche Löhne könne man kaum ſein Leben friſten, hieß es, geſchweige denn etwas verdienen, oder zurück¬ legen. Da wolle man doch lieber daheim bleiben bei ſicherem Brod.
Nun erhob ſich der Agent von ſeinem Platze, er ging unter die Leute. Vor einem der Haupt-Klugredner blieb er ſtehen. Er ſolle ihm doch einmal erzählen, was er verdiene, ſagte er in vertraulichem Tone. Der junge Menſch war etwas verblüfft, und wollte nicht recht mit der Sprache heraus, dann nannte er einen Satz; andere widerſprachen, ſoviel verdiene der nicht, hieß es. Es gab darüber ein Hin und Her. Der Agent ließ die Leute ausreden, und blickte mit überlegenem
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0237"n="223"/><p>Einige von den jungen Leuten folgten ihm in den Kret¬<lb/>ſcham.</p><lb/><p>Die große Gaſtſtube war gedrängt voll Menſchen. Dem<lb/>
Eingange gegenüber ſaß der Agent an ſeinem Tiſche mit Schreib¬<lb/>
zeug und Papieren. Um ihn her ſtanden und ſaßen alte und<lb/>
junge Männer. Die Mädchen hielten ſich mehr an der<lb/>
Wand, ſie ſchienen verſchüchtert und wollten ſich nicht recht<lb/>
herantrauen.</p><lb/><p>Der Aufſeheragent war ein Mann von behäbigem Äußeren,<lb/>
mit braunem Vollbart, in einem Anzug von brauner ‚Jäger‘¬<lb/>
wolle, der ihn wie ein Sack einſchloß und nichts von weißer Wäſche<lb/>ſehen ließ. Auffällig an ihm waren die großen lebhaften ſchwar¬<lb/>
zen Augen.</p><lb/><p>Er war ſoeben im Wortwechſel mit ein paar jungen<lb/>
Männern begriffen, welche Soldatenmützen trugen, und die,<lb/>
wie Guſtav ſchnell erkannte, nicht aus Halbenau waren. Die<lb/>
jungen Leute behaupteten, das ſeien Schundlöhne, die jener<lb/>
anböte, dafür brauchte niemand die weite Reiſe zu machen.<lb/>
Verhungern könne man hier ſo gut wie anderwärts, umſonſt.</p><lb/><p>Der Agent ließ die beiden eine Weile reden. Er ſaß an<lb/>ſeinem Tiſche mit gelaſſener Miene, er ſchien ſeiner Sache ſehr<lb/>ſicher zu ſein. Er gebrauchte ſeine Augen, indem er die ein¬<lb/>
zelnen Geſichter um ſich her ſcharf beobachtete.</p><lb/><p>Jetzt ſchloſſen ſich auch Einheimiſche den beiden auswärtigen<lb/>
Schimpfern an. Für ſolche Löhne könne man kaum ſein Leben<lb/>
friſten, hieß es, geſchweige denn etwas verdienen, oder zurück¬<lb/>
legen. Da wolle man doch lieber daheim bleiben bei ſicherem<lb/>
Brod.</p><lb/><p>Nun erhob ſich der Agent von ſeinem Platze, er ging<lb/>
unter die Leute. Vor einem der Haupt-Klugredner blieb er<lb/>ſtehen. Er ſolle ihm doch einmal erzählen, was er verdiene,<lb/>ſagte er in vertraulichem Tone. Der junge Menſch war etwas<lb/>
verblüfft, und wollte nicht recht mit der Sprache heraus, dann<lb/>
nannte er einen Satz; andere widerſprachen, ſoviel verdiene<lb/>
der nicht, hieß es. Es gab darüber ein Hin und Her. Der<lb/>
Agent ließ die Leute ausreden, und blickte mit überlegenem<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[223/0237]
Einige von den jungen Leuten folgten ihm in den Kret¬
ſcham.
Die große Gaſtſtube war gedrängt voll Menſchen. Dem
Eingange gegenüber ſaß der Agent an ſeinem Tiſche mit Schreib¬
zeug und Papieren. Um ihn her ſtanden und ſaßen alte und
junge Männer. Die Mädchen hielten ſich mehr an der
Wand, ſie ſchienen verſchüchtert und wollten ſich nicht recht
herantrauen.
Der Aufſeheragent war ein Mann von behäbigem Äußeren,
mit braunem Vollbart, in einem Anzug von brauner ‚Jäger‘¬
wolle, der ihn wie ein Sack einſchloß und nichts von weißer Wäſche
ſehen ließ. Auffällig an ihm waren die großen lebhaften ſchwar¬
zen Augen.
Er war ſoeben im Wortwechſel mit ein paar jungen
Männern begriffen, welche Soldatenmützen trugen, und die,
wie Guſtav ſchnell erkannte, nicht aus Halbenau waren. Die
jungen Leute behaupteten, das ſeien Schundlöhne, die jener
anböte, dafür brauchte niemand die weite Reiſe zu machen.
Verhungern könne man hier ſo gut wie anderwärts, umſonſt.
Der Agent ließ die beiden eine Weile reden. Er ſaß an
ſeinem Tiſche mit gelaſſener Miene, er ſchien ſeiner Sache ſehr
ſicher zu ſein. Er gebrauchte ſeine Augen, indem er die ein¬
zelnen Geſichter um ſich her ſcharf beobachtete.
Jetzt ſchloſſen ſich auch Einheimiſche den beiden auswärtigen
Schimpfern an. Für ſolche Löhne könne man kaum ſein Leben
friſten, hieß es, geſchweige denn etwas verdienen, oder zurück¬
legen. Da wolle man doch lieber daheim bleiben bei ſicherem
Brod.
Nun erhob ſich der Agent von ſeinem Platze, er ging
unter die Leute. Vor einem der Haupt-Klugredner blieb er
ſtehen. Er ſolle ihm doch einmal erzählen, was er verdiene,
ſagte er in vertraulichem Tone. Der junge Menſch war etwas
verblüfft, und wollte nicht recht mit der Sprache heraus, dann
nannte er einen Satz; andere widerſprachen, ſoviel verdiene
der nicht, hieß es. Es gab darüber ein Hin und Her. Der
Agent ließ die Leute ausreden, und blickte mit überlegenem
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/237>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.