und nie bisher war ihm der Gedanke gekommen, sich diesen zuzugesellen.
Eines Tages nun fand er am Spritzenhause in Halbenau einen Anschlag, auf welchem der Aufseheragent Zittwitz mit¬ teilte, daß er im Kretscham angekommen sei und Anmeldungen von Mädchen sowohl, wie jungen Männern, zur Sommerarbeit in Sachsen annehme.
Gustav, der eigentlich auf dem Wege zu seiner Braut be¬ griffen war, las den Anschlag ein paarmal aufmerksam durch. Sich anbieten! Nein, das wollte er nicht. Er hätte den schön geführt, der ihm, dem gewesenen Unteroffizier, hätte zumuten wollen, unter die Runkelweiber zu gehen. Aber, anhören konnte man sich schließlich doch mal, was der Agent zu sagen hatte; das verpflichte ja zu nichts.
Vor dem Kretscham schon merkte man, daß hier etwas Besonderes heute vor sich gehe. Leute gingen und kamen. An der Thür stand ein Haufe junger Burschen, Hände in den Taschen, Cigarren im Munde, welche die Mädchen, die zahl¬ reich in den Gasthof strömten, bekrittelten und verhöhnten. Gustav schloß sich dieser Gruppe an. Jetzt hineinzugehen, schämte er sich doch.
Er stellte sich also zu den Burschen. Es wurde viel ge¬ spuckt, bramabasiert und geflucht. Der Kerl da drinnen mache die Mädel ganz verrückt, hieß es. Das Blaue vom Himmel löge er herunter, und einige habe er auch schon bald so weit, daß sie unterschreiben wollten. Er suche sich die jungen und hübschen aus. Verheiratete wolle er gar nicht haben. Da könne man sich ja ungefähr vorstellen, was er im Schilde führe. Es folgten düstere Andeutungen. Einer wollte in einer Zeitung gelesen haben, wohin derartige Mädchen ver¬ schwänden.
Gustav hörte sich das Gerede eine Weile mit an, dann meinte er, man solle doch lieber hineingehen und dem Burschen auf die Finger sehen bei seinem Geschäfte. Sie würden wohl noch Mannes genug sein, ihn, falls er im Trüben fische, aus dem Orte hinaus zu besorgen.
und nie bisher war ihm der Gedanke gekommen, ſich dieſen zuzugeſellen.
Eines Tages nun fand er am Spritzenhauſe in Halbenau einen Anſchlag, auf welchem der Aufſeheragent Zittwitz mit¬ teilte, daß er im Kretſcham angekommen ſei und Anmeldungen von Mädchen ſowohl, wie jungen Männern, zur Sommerarbeit in Sachſen annehme.
Guſtav, der eigentlich auf dem Wege zu ſeiner Braut be¬ griffen war, las den Anſchlag ein paarmal aufmerkſam durch. Sich anbieten! Nein, das wollte er nicht. Er hätte den ſchön geführt, der ihm, dem geweſenen Unteroffizier, hätte zumuten wollen, unter die Runkelweiber zu gehen. Aber, anhören konnte man ſich ſchließlich doch mal, was der Agent zu ſagen hatte; das verpflichte ja zu nichts.
Vor dem Kretſcham ſchon merkte man, daß hier etwas Beſonderes heute vor ſich gehe. Leute gingen und kamen. An der Thür ſtand ein Haufe junger Burſchen, Hände in den Taſchen, Cigarren im Munde, welche die Mädchen, die zahl¬ reich in den Gaſthof ſtrömten, bekrittelten und verhöhnten. Guſtav ſchloß ſich dieſer Gruppe an. Jetzt hineinzugehen, ſchämte er ſich doch.
Er ſtellte ſich alſo zu den Burſchen. Es wurde viel ge¬ ſpuckt, bramabaſiert und geflucht. Der Kerl da drinnen mache die Mädel ganz verrückt, hieß es. Das Blaue vom Himmel löge er herunter, und einige habe er auch ſchon bald ſo weit, daß ſie unterſchreiben wollten. Er ſuche ſich die jungen und hübſchen aus. Verheiratete wolle er gar nicht haben. Da könne man ſich ja ungefähr vorſtellen, was er im Schilde führe. Es folgten düſtere Andeutungen. Einer wollte in einer Zeitung geleſen haben, wohin derartige Mädchen ver¬ ſchwänden.
Guſtav hörte ſich das Gerede eine Weile mit an, dann meinte er, man ſolle doch lieber hineingehen und dem Burſchen auf die Finger ſehen bei ſeinem Geſchäfte. Sie würden wohl noch Mannes genug ſein, ihn, falls er im Trüben fiſche, aus dem Orte hinaus zu beſorgen.
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und nie bisher war ihm der Gedanke gekommen, ſich dieſen
zuzugeſellen.
Eines Tages nun fand er am Spritzenhauſe in Halbenau
einen Anſchlag, auf welchem der Aufſeheragent Zittwitz mit¬
teilte, daß er im Kretſcham angekommen ſei und Anmeldungen
von Mädchen ſowohl, wie jungen Männern, zur Sommerarbeit
in Sachſen annehme.
Guſtav, der eigentlich auf dem Wege zu ſeiner Braut be¬
griffen war, las den Anſchlag ein paarmal aufmerkſam durch.
Sich anbieten! Nein, das wollte er nicht. Er hätte den ſchön
geführt, der ihm, dem geweſenen Unteroffizier, hätte zumuten
wollen, unter die Runkelweiber zu gehen. Aber, anhören
konnte man ſich ſchließlich doch mal, was der Agent zu ſagen
hatte; das verpflichte ja zu nichts.
Vor dem Kretſcham ſchon merkte man, daß hier etwas
Beſonderes heute vor ſich gehe. Leute gingen und kamen. An
der Thür ſtand ein Haufe junger Burſchen, Hände in den
Taſchen, Cigarren im Munde, welche die Mädchen, die zahl¬
reich in den Gaſthof ſtrömten, bekrittelten und verhöhnten.
Guſtav ſchloß ſich dieſer Gruppe an. Jetzt hineinzugehen,
ſchämte er ſich doch.
Er ſtellte ſich alſo zu den Burſchen. Es wurde viel ge¬
ſpuckt, bramabaſiert und geflucht. Der Kerl da drinnen mache
die Mädel ganz verrückt, hieß es. Das Blaue vom Himmel
löge er herunter, und einige habe er auch ſchon bald ſo weit,
daß ſie unterſchreiben wollten. Er ſuche ſich die jungen und
hübſchen aus. Verheiratete wolle er gar nicht haben. Da
könne man ſich ja ungefähr vorſtellen, was er im Schilde
führe. Es folgten düſtere Andeutungen. Einer wollte in
einer Zeitung geleſen haben, wohin derartige Mädchen ver¬
ſchwänden.
Guſtav hörte ſich das Gerede eine Weile mit an, dann
meinte er, man ſolle doch lieber hineingehen und dem Burſchen
auf die Finger ſehen bei ſeinem Geſchäfte. Sie würden wohl
noch Mannes genug ſein, ihn, falls er im Trüben fiſche, aus
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/236>, abgerufen am 25.11.2024.
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