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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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brauchte. Und schließlich war Gustav auch ein zu guter Sohn,
um trotz seines augenblicklichen Zerwürfnisses mit dem Vater,
seine alten Eltern leichten Herzens im Stiche zu lassen. Die
kränkelnde Mutter, den alten Mann, der bei seinen Jahren vom
Großbauern zum obdachlosen Bettler herabsteigen sollte! Es
war ein Jammer! Und Gustav erschien es oft wie Feigheit,
daß er gerade jetzt die Seinen verlassen wollte.

In dieser Zeit thaten sich plötzlich für den jungen Mann
ganz neue Aussichten auf.


Schon seit einiger Zeit hatte Gustav, der die Zeitungen
jetzt eifrig nach Stellen angeboten durchforschte, gelesen, daß ein
gewisser Zittwitz, der sich "Aufseheragent" nannte, seine Ver¬
mittelung anbot für junge Leute, welche nach dem Westen auf
Sommerarbeit gehen wollten. Durch Bekannte hatte er weiter
gehört, daß derselbe Agent eine Art Arbeitsvermittelungsbureau
in der Stadt aufgethan habe, daß er auch die Dörfer in der
Runde besuche, um Mädchen und junge Männer zu mieten.

In dieser Gegend war die Sachsengängerei noch unbekannt.
Es war das erste Mal, daß ein Agent aus den westlichen
Zuckerrübendistrikten hier gesehen wurde. Die fabelhaftesten
Gerüchte gingen dem Manne voraus. Man versprach sich
goldene Berge. Die Leute, welche nach Sachsen zur Rüben¬
arbeit gingen, hieß es, könnten sich im Laufe eines Sommers
dort ein Vermögen erwerben. Andere wieder sagten, diese
Agenten seien nicht besser als Sklavenhändler, und die Mädchen
und Burschen, welche ihrem Lockrufe folgten, sähen einem
schrecklichen Lose entgegen.

Gustav hatte, als er noch bei der Truppe war, die Sachsen¬
gänger alljährlich, im Frühjahr, durch die Stadt ziehen sehen,
von einem Bahnhof zum anderen, auf Möbelwagen: Weiber
und Männer zusammengepfercht mit ihren Ballen und Laden,
oder auch herdenweise durch die Straßen getrieben, wie Vieh.
Fremdartige Gestalten waren das gewesen, Polacken, schmutzig,
zerlumpt. Er hatte die Gesellschaft aus tiefster Seele verachtet,

brauchte. Und ſchließlich war Guſtav auch ein zu guter Sohn,
um trotz ſeines augenblicklichen Zerwürfniſſes mit dem Vater,
ſeine alten Eltern leichten Herzens im Stiche zu laſſen. Die
kränkelnde Mutter, den alten Mann, der bei ſeinen Jahren vom
Großbauern zum obdachloſen Bettler herabſteigen ſollte! Es
war ein Jammer! Und Guſtav erſchien es oft wie Feigheit,
daß er gerade jetzt die Seinen verlaſſen wollte.

In dieſer Zeit thaten ſich plötzlich für den jungen Mann
ganz neue Ausſichten auf.


Schon ſeit einiger Zeit hatte Guſtav, der die Zeitungen
jetzt eifrig nach Stellen angeboten durchforſchte, geleſen, daß ein
gewiſſer Zittwitz, der ſich „Aufſeheragent“ nannte, ſeine Ver¬
mittelung anbot für junge Leute, welche nach dem Weſten auf
Sommerarbeit gehen wollten. Durch Bekannte hatte er weiter
gehört, daß derſelbe Agent eine Art Arbeitsvermittelungsbureau
in der Stadt aufgethan habe, daß er auch die Dörfer in der
Runde beſuche, um Mädchen und junge Männer zu mieten.

In dieſer Gegend war die Sachſengängerei noch unbekannt.
Es war das erſte Mal, daß ein Agent aus den weſtlichen
Zuckerrübendiſtrikten hier geſehen wurde. Die fabelhafteſten
Gerüchte gingen dem Manne voraus. Man verſprach ſich
goldene Berge. Die Leute, welche nach Sachſen zur Rüben¬
arbeit gingen, hieß es, könnten ſich im Laufe eines Sommers
dort ein Vermögen erwerben. Andere wieder ſagten, dieſe
Agenten ſeien nicht beſſer als Sklavenhändler, und die Mädchen
und Burſchen, welche ihrem Lockrufe folgten, ſähen einem
ſchrecklichen Loſe entgegen.

Guſtav hatte, als er noch bei der Truppe war, die Sachſen¬
gänger alljährlich, im Frühjahr, durch die Stadt ziehen ſehen,
von einem Bahnhof zum anderen, auf Möbelwagen: Weiber
und Männer zuſammengepfercht mit ihren Ballen und Laden,
oder auch herdenweiſe durch die Straßen getrieben, wie Vieh.
Fremdartige Geſtalten waren das geweſen, Polacken, ſchmutzig,
zerlumpt. Er hatte die Geſellſchaft aus tiefſter Seele verachtet,

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[221/0235] brauchte. Und ſchließlich war Guſtav auch ein zu guter Sohn, um trotz ſeines augenblicklichen Zerwürfniſſes mit dem Vater, ſeine alten Eltern leichten Herzens im Stiche zu laſſen. Die kränkelnde Mutter, den alten Mann, der bei ſeinen Jahren vom Großbauern zum obdachloſen Bettler herabſteigen ſollte! Es war ein Jammer! Und Guſtav erſchien es oft wie Feigheit, daß er gerade jetzt die Seinen verlaſſen wollte. In dieſer Zeit thaten ſich plötzlich für den jungen Mann ganz neue Ausſichten auf. Schon ſeit einiger Zeit hatte Guſtav, der die Zeitungen jetzt eifrig nach Stellen angeboten durchforſchte, geleſen, daß ein gewiſſer Zittwitz, der ſich „Aufſeheragent“ nannte, ſeine Ver¬ mittelung anbot für junge Leute, welche nach dem Weſten auf Sommerarbeit gehen wollten. Durch Bekannte hatte er weiter gehört, daß derſelbe Agent eine Art Arbeitsvermittelungsbureau in der Stadt aufgethan habe, daß er auch die Dörfer in der Runde beſuche, um Mädchen und junge Männer zu mieten. In dieſer Gegend war die Sachſengängerei noch unbekannt. Es war das erſte Mal, daß ein Agent aus den weſtlichen Zuckerrübendiſtrikten hier geſehen wurde. Die fabelhafteſten Gerüchte gingen dem Manne voraus. Man verſprach ſich goldene Berge. Die Leute, welche nach Sachſen zur Rüben¬ arbeit gingen, hieß es, könnten ſich im Laufe eines Sommers dort ein Vermögen erwerben. Andere wieder ſagten, dieſe Agenten ſeien nicht beſſer als Sklavenhändler, und die Mädchen und Burſchen, welche ihrem Lockrufe folgten, ſähen einem ſchrecklichen Loſe entgegen. Guſtav hatte, als er noch bei der Truppe war, die Sachſen¬ gänger alljährlich, im Frühjahr, durch die Stadt ziehen ſehen, von einem Bahnhof zum anderen, auf Möbelwagen: Weiber und Männer zuſammengepfercht mit ihren Ballen und Laden, oder auch herdenweiſe durch die Straßen getrieben, wie Vieh. Fremdartige Geſtalten waren das geweſen, Polacken, ſchmutzig, zerlumpt. Er hatte die Geſellſchaft aus tiefſter Seele verachtet,

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/235>, abgerufen am 25.11.2024.