Der alte Mann hatte sich wieder ganz in sich selbst zurückgezogen. Niemand, selbst Gustav nicht, wußte, ob er überhaupt noch etwas hoffe. Scheinbar ließ er die Dinge gehen, wie sie gehen wollten. Selbst die Nachricht vom Gericht, daß Termin zur Zwangsversteigerung angesetzt sei, schien ihn nicht merklich zu erregen.
In der Wirtschaft ging alles seinen gewohnten Gang weiter. Hier merkte man gar nicht, welches Verhängnis drohend über dem Gute hing. Die Frühjahrsbestellung wurde wie alljährlich vorbereitet. Karl fuhr Dünger auf den Kartoffel¬ acker und Jauche auf die Wiesen. Die Frage, wer die Früchte ernten werde, stellte man nicht. Man that seine Arbeit und schwieg. Die Maschine schnurrte weiter, weil sie einmal im Gange war. Wenn nun plötzlich eine fremde Hand eingriff und sie zum Stillstand brachte, was dann? --
Der alte Bauer schien mit einem gewissen Trotz dieser Frage aus dem Wege zu gehen. Reden ließ er auch nicht mit sich darüber. Gustav bekam zu hören, daß er ein "grüner Junge" sei, als er einmal davon zu sprechen anfing, was eigentlich nach der Subhastation werden solle.
Und dabei lag die Notwendigkeit, daran zu denken, so nahe. Wer konnte denn wissen, wer der Ersteher des Gutes sein und was er mit Haus und Hof anfangen werde. Sie mußten gewärtig sein, ihr Heim auf dem Flecke zu verlassen; dann würden sie obdachlos auf der Straße liegen, wohl gar der Armenfürsorge anheimfallen.
Gustav geriet auch in Anderem mit dem Alten in Widerspruch. Der Büttnerbauer steckte noch immer Geld in das Gut, obgleich es bereits an allen Ecken und Enden zu mangeln begann. Der junge Mann war der Ansicht, daß jetzt keine Verbesserungen mehr vorgenommen werden dürften, da es doch feststand, daß der Besitz nicht mehr der Familie erhalten werden könne. Aber der Bauer schien es sich in den Kopf gesetzt zu haben, der verlorenen Sache noch möglichst viel nachzuwerfen. Er schaffte einen neuen Pflug an, besserte an den Wegen, stopfte Löcher im Fachwerk des Scheunen¬
Der alte Mann hatte ſich wieder ganz in ſich ſelbſt zurückgezogen. Niemand, ſelbſt Guſtav nicht, wußte, ob er überhaupt noch etwas hoffe. Scheinbar ließ er die Dinge gehen, wie ſie gehen wollten. Selbſt die Nachricht vom Gericht, daß Termin zur Zwangsverſteigerung angeſetzt ſei, ſchien ihn nicht merklich zu erregen.
In der Wirtſchaft ging alles ſeinen gewohnten Gang weiter. Hier merkte man gar nicht, welches Verhängnis drohend über dem Gute hing. Die Frühjahrsbeſtellung wurde wie alljährlich vorbereitet. Karl fuhr Dünger auf den Kartoffel¬ acker und Jauche auf die Wieſen. Die Frage, wer die Früchte ernten werde, ſtellte man nicht. Man that ſeine Arbeit und ſchwieg. Die Maſchine ſchnurrte weiter, weil ſie einmal im Gange war. Wenn nun plötzlich eine fremde Hand eingriff und ſie zum Stillſtand brachte, was dann? —
Der alte Bauer ſchien mit einem gewiſſen Trotz dieſer Frage aus dem Wege zu gehen. Reden ließ er auch nicht mit ſich darüber. Guſtav bekam zu hören, daß er ein „grüner Junge“ ſei, als er einmal davon zu ſprechen anfing, was eigentlich nach der Subhaſtation werden ſolle.
Und dabei lag die Notwendigkeit, daran zu denken, ſo nahe. Wer konnte denn wiſſen, wer der Erſteher des Gutes ſein und was er mit Haus und Hof anfangen werde. Sie mußten gewärtig ſein, ihr Heim auf dem Flecke zu verlaſſen; dann würden ſie obdachlos auf der Straße liegen, wohl gar der Armenfürſorge anheimfallen.
Guſtav geriet auch in Anderem mit dem Alten in Widerſpruch. Der Büttnerbauer ſteckte noch immer Geld in das Gut, obgleich es bereits an allen Ecken und Enden zu mangeln begann. Der junge Mann war der Anſicht, daß jetzt keine Verbeſſerungen mehr vorgenommen werden dürften, da es doch feſtſtand, daß der Beſitz nicht mehr der Familie erhalten werden könne. Aber der Bauer ſchien es ſich in den Kopf geſetzt zu haben, der verlorenen Sache noch möglichſt viel nachzuwerfen. Er ſchaffte einen neuen Pflug an, beſſerte an den Wegen, ſtopfte Löcher im Fachwerk des Scheunen¬
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Der alte Mann hatte ſich wieder ganz in ſich ſelbſt
zurückgezogen. Niemand, ſelbſt Guſtav nicht, wußte, ob er
überhaupt noch etwas hoffe. Scheinbar ließ er die Dinge
gehen, wie ſie gehen wollten. Selbſt die Nachricht vom Gericht,
daß Termin zur Zwangsverſteigerung angeſetzt ſei, ſchien ihn
nicht merklich zu erregen.
In der Wirtſchaft ging alles ſeinen gewohnten Gang
weiter. Hier merkte man gar nicht, welches Verhängnis
drohend über dem Gute hing. Die Frühjahrsbeſtellung wurde
wie alljährlich vorbereitet. Karl fuhr Dünger auf den Kartoffel¬
acker und Jauche auf die Wieſen. Die Frage, wer die Früchte
ernten werde, ſtellte man nicht. Man that ſeine Arbeit und
ſchwieg. Die Maſchine ſchnurrte weiter, weil ſie einmal im
Gange war. Wenn nun plötzlich eine fremde Hand eingriff
und ſie zum Stillſtand brachte, was dann? —
Der alte Bauer ſchien mit einem gewiſſen Trotz dieſer
Frage aus dem Wege zu gehen. Reden ließ er auch nicht
mit ſich darüber. Guſtav bekam zu hören, daß er ein „grüner
Junge“ ſei, als er einmal davon zu ſprechen anfing, was
eigentlich nach der Subhaſtation werden ſolle.
Und dabei lag die Notwendigkeit, daran zu denken, ſo
nahe. Wer konnte denn wiſſen, wer der Erſteher des Gutes
ſein und was er mit Haus und Hof anfangen werde. Sie
mußten gewärtig ſein, ihr Heim auf dem Flecke zu verlaſſen;
dann würden ſie obdachlos auf der Straße liegen, wohl gar
der Armenfürſorge anheimfallen.
Guſtav geriet auch in Anderem mit dem Alten in
Widerſpruch. Der Büttnerbauer ſteckte noch immer Geld in
das Gut, obgleich es bereits an allen Ecken und Enden zu
mangeln begann. Der junge Mann war der Anſicht, daß
jetzt keine Verbeſſerungen mehr vorgenommen werden dürften,
da es doch feſtſtand, daß der Beſitz nicht mehr der Familie
erhalten werden könne. Aber der Bauer ſchien es ſich in den
Kopf geſetzt zu haben, der verlorenen Sache noch möglichſt
viel nachzuwerfen. Er ſchaffte einen neuen Pflug an, beſſerte
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/233>, abgerufen am 26.11.2024.
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