einer Aufmerksamkeit, der nichts entging. Wenn dem Herrn das hier glatt einging, dann konnte er noch eine ganze Portion mehr vertragen. Der Graf ließ seine Augen mit dem Aus¬ drucke höchster Überraschung auf dem Sprecher ruhen, er hatte den Mund halb offen, und sah in diesem Augenblicke nicht be¬ sonders geistreich aus. "Kennen Sie denn diesen -- diesen Büttner so genau?" fragte er nach einigem Besinnen.
"Wir haben genügende Erfahrung mit dem Manne, ich kann sagen, mit der ganzen Familie gemacht, um erklären zu dürfen, wir kennen die Sippschaft gründlich."
"Mein Güterdirektor lobt mir die Leute in seinem Briefe."
"Das Urteil des Herrn Hauptmann Schroff scheint mir -- nun, ich will nichts gesagt haben, weil der Herr Graf etwas auf den Herrn zu halten scheinen. Aber, nachdem er über meinen Freund Harrassowitz derartig geurteilt hat, kann mir sein Urteil nichts mehr gelten! Der Herr Graf werden das ver¬ stehen!"
"Der alte Bauer soll durch Familienunglück in Be¬ drängnis geraten sein, glaube ich."
"Durch schlechte Wirtschaft und weiter nichts, Herr Graf! Der alte Mann ist ein liederlicher Wirt und leider auch ein Trinker. Die Söhne sind noch schlimmer, und bei den Töchtern jagt ein uneheliches Kind das andere. Wollen sich der Herr Graf nur erkundigen, dann werden Sie schon erfahren, daß ich nicht übertreibe. Ich bin selbst in dem Hause gewesen, ich kenne die Leute. Auf diese Weise ist die Wirtschaft natürlich immer tiefer heruntergekommen. Jetzt sitzt der Mann in Schulden bis über die Ohren. Harrassowitz ist er Geld schuldig, auch ich habe an ihn verloren. Wir sind mit dem Manne gründ¬ lich betrogen worden, weil wir ihn für reell hielten. Wir werden unser Geld einbüßen. Und so geht es verschiedenen ehrlichen Geschäftsleuten. Auch mit seiner eigenen Familie hat er sich überworfen. Der eigene Schwager hat ihn ausgeklagt. Der Herr Graf wollen nur mal nachfragen lassen. Die ganze Sache ist oberfaul!"
Der Graf schüttelte den Kopf. "Wenn das so ist -- dann
einer Aufmerkſamkeit, der nichts entging. Wenn dem Herrn das hier glatt einging, dann konnte er noch eine ganze Portion mehr vertragen. Der Graf ließ ſeine Augen mit dem Aus¬ drucke höchſter Überraſchung auf dem Sprecher ruhen, er hatte den Mund halb offen, und ſah in dieſem Augenblicke nicht be¬ ſonders geiſtreich aus. „Kennen Sie denn dieſen — dieſen Büttner ſo genau?“ fragte er nach einigem Beſinnen.
„Wir haben genügende Erfahrung mit dem Manne, ich kann ſagen, mit der ganzen Familie gemacht, um erklären zu dürfen, wir kennen die Sippſchaft gründlich.“
„Mein Güterdirektor lobt mir die Leute in ſeinem Briefe.“
„Das Urteil des Herrn Hauptmann Schroff ſcheint mir — nun, ich will nichts geſagt haben, weil der Herr Graf etwas auf den Herrn zu halten ſcheinen. Aber, nachdem er über meinen Freund Harraſſowitz derartig geurteilt hat, kann mir ſein Urteil nichts mehr gelten! Der Herr Graf werden das ver¬ ſtehen!“
„Der alte Bauer ſoll durch Familienunglück in Be¬ drängnis geraten ſein, glaube ich.“
„Durch ſchlechte Wirtſchaft und weiter nichts, Herr Graf! Der alte Mann iſt ein liederlicher Wirt und leider auch ein Trinker. Die Söhne ſind noch ſchlimmer, und bei den Töchtern jagt ein uneheliches Kind das andere. Wollen ſich der Herr Graf nur erkundigen, dann werden Sie ſchon erfahren, daß ich nicht übertreibe. Ich bin ſelbſt in dem Hauſe geweſen, ich kenne die Leute. Auf dieſe Weiſe iſt die Wirtſchaft natürlich immer tiefer heruntergekommen. Jetzt ſitzt der Mann in Schulden bis über die Ohren. Harraſſowitz iſt er Geld ſchuldig, auch ich habe an ihn verloren. Wir ſind mit dem Manne gründ¬ lich betrogen worden, weil wir ihn für reell hielten. Wir werden unſer Geld einbüßen. Und ſo geht es verſchiedenen ehrlichen Geſchäftsleuten. Auch mit ſeiner eigenen Familie hat er ſich überworfen. Der eigene Schwager hat ihn ausgeklagt. Der Herr Graf wollen nur mal nachfragen laſſen. Die ganze Sache iſt oberfaul!“
Der Graf ſchüttelte den Kopf. „Wenn das ſo iſt — dann
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mehr vertragen. Der Graf ließ ſeine Augen mit dem Aus¬
drucke höchſter Überraſchung auf dem Sprecher ruhen, er hatte
den Mund halb offen, und ſah in dieſem Augenblicke nicht be¬
ſonders geiſtreich aus. „Kennen Sie denn dieſen — dieſen
Büttner ſo genau?“ fragte er nach einigem Beſinnen.
„Wir haben genügende Erfahrung mit dem Manne, ich
kann ſagen, mit der ganzen Familie gemacht, um erklären zu
dürfen, wir kennen die Sippſchaft gründlich.“
„Mein Güterdirektor lobt mir die Leute in ſeinem Briefe.“
„Das Urteil des Herrn Hauptmann Schroff ſcheint mir —
nun, ich will nichts geſagt haben, weil der Herr Graf etwas auf
den Herrn zu halten ſcheinen. Aber, nachdem er über meinen
Freund Harraſſowitz derartig geurteilt hat, kann mir ſein
Urteil nichts mehr gelten! Der Herr Graf werden das ver¬
ſtehen!“
„Der alte Bauer ſoll durch Familienunglück in Be¬
drängnis geraten ſein, glaube ich.“
„Durch ſchlechte Wirtſchaft und weiter nichts, Herr Graf!
Der alte Mann iſt ein liederlicher Wirt und leider auch ein Trinker.
Die Söhne ſind noch ſchlimmer, und bei den Töchtern jagt ein
uneheliches Kind das andere. Wollen ſich der Herr Graf nur
erkundigen, dann werden Sie ſchon erfahren, daß ich nicht
übertreibe. Ich bin ſelbſt in dem Hauſe geweſen, ich kenne
die Leute. Auf dieſe Weiſe iſt die Wirtſchaft natürlich immer
tiefer heruntergekommen. Jetzt ſitzt der Mann in Schulden
bis über die Ohren. Harraſſowitz iſt er Geld ſchuldig, auch
ich habe an ihn verloren. Wir ſind mit dem Manne gründ¬
lich betrogen worden, weil wir ihn für reell hielten. Wir
werden unſer Geld einbüßen. Und ſo geht es verſchiedenen
ehrlichen Geſchäftsleuten. Auch mit ſeiner eigenen Familie hat
er ſich überworfen. Der eigene Schwager hat ihn ausgeklagt.
Der Herr Graf wollen nur mal nachfragen laſſen. Die ganze
Sache iſt oberfaul!“
Der Graf ſchüttelte den Kopf. „Wenn das ſo iſt — dann
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/227>, abgerufen am 02.02.2025.
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