in den Zimmern gehört zu werden, "ich hätte dem Herrn Grafen wichtige Nachrichten von der Herrschaft Saland zu bringen. Hier ist meine Karte."
Der Kammerdiener las die Karte, betrachtete sich den Mann noch einmal, zuckte die Achseln und verschwand darauf.
Nachdem man den Agenten eine geraume Zeit hatte warten lassen, erschien der alte Diener wieder. Sein Benehmen hatte an Geringschätzung zugenommen. Die Herrschaften wären jetzt beim Luncheon, erklärte er, der Graf ließe dem Herrn aber sagen, wenn er mit ihm sprechen wolle, möchte er in einiger Zeit wiederkommen.
Edmund Schmeiß überlegte. Sollte er gehn und in einer Stunde wiederkommen? Vielleicht war man da wieder nicht zu Haus für ihn. Das war wohl nur eine Finte, um ihn auf gute Manier los zu werden! Nein, er blieb! Nun hatte er sich einmal den Eintritt erzwungen in das Quartier; diesen Vorteil wollte er nicht wieder fahren lassen.
Er erklärte dem Kammerdiener, daß er hier warten wolle, bis das Luncheon vorüber sei. Der Diener maß ihn mit einem verächtlichen Blicke. "Wenn Sie wollen -- hier, bitte!" Er öffnete eine Thür. "Hier können Sie warten."
Der Kommissionär sah sich in einem schmalen, einfenstrigen Zimmer, einer Art Garderobe. Es hingen Pelzmäntel und andere Kleidungsstücke an einem Rechen, unter einem Regal stand Schuhwerk. Ein Schlafsofa war aufgestellt, an den Wänden hingen Bilder und Photographien, die offenbar aus¬ gemustert waren. Geheizt war der Raum nicht.
Obgleich das Ehrgefühl bei Edmund Schmeiß nicht sonder¬ lich entwickelt war, fühlte er sich doch für den Augenblick nicht angenehm berührt, als er bemerkte, wohin man ihn gewiesen hatte. Seine Eitelkeit war gekränkt. Trotz des neuen Cylinders und des pickfeinen Aufzuges hatte ihn dieser großbrodige Schuft von einem Kammerdiener nicht für voll angesehen. Er besah sich in einem Stehspiegel, der in einer Ecke des Zimmers stand, und wohl eines Sprunges wegen hierher verbannt
in den Zimmern gehört zu werden, „ich hätte dem Herrn Grafen wichtige Nachrichten von der Herrſchaft Saland zu bringen. Hier iſt meine Karte.“
Der Kammerdiener las die Karte, betrachtete ſich den Mann noch einmal, zuckte die Achſeln und verſchwand darauf.
Nachdem man den Agenten eine geraume Zeit hatte warten laſſen, erſchien der alte Diener wieder. Sein Benehmen hatte an Geringſchätzung zugenommen. Die Herrſchaften wären jetzt beim Luncheon, erklärte er, der Graf ließe dem Herrn aber ſagen, wenn er mit ihm ſprechen wolle, möchte er in einiger Zeit wiederkommen.
Edmund Schmeiß überlegte. Sollte er gehn und in einer Stunde wiederkommen? Vielleicht war man da wieder nicht zu Haus für ihn. Das war wohl nur eine Finte, um ihn auf gute Manier los zu werden! Nein, er blieb! Nun hatte er ſich einmal den Eintritt erzwungen in das Quartier; dieſen Vorteil wollte er nicht wieder fahren laſſen.
Er erklärte dem Kammerdiener, daß er hier warten wolle, bis das Luncheon vorüber ſei. Der Diener maß ihn mit einem verächtlichen Blicke. „Wenn Sie wollen — hier, bitte!“ Er öffnete eine Thür. „Hier können Sie warten.“
Der Kommiſſionär ſah ſich in einem ſchmalen, einfenſtrigen Zimmer, einer Art Garderobe. Es hingen Pelzmäntel und andere Kleidungsſtücke an einem Rechen, unter einem Regal ſtand Schuhwerk. Ein Schlafſofa war aufgeſtellt, an den Wänden hingen Bilder und Photographien, die offenbar aus¬ gemuſtert waren. Geheizt war der Raum nicht.
Obgleich das Ehrgefühl bei Edmund Schmeiß nicht ſonder¬ lich entwickelt war, fühlte er ſich doch für den Augenblick nicht angenehm berührt, als er bemerkte, wohin man ihn gewieſen hatte. Seine Eitelkeit war gekränkt. Trotz des neuen Cylinders und des pickfeinen Aufzuges hatte ihn dieser großbrodige Schuft von einem Kammerdiener nicht für voll angeſehen. Er beſah ſich in einem Stehſpiegel, der in einer Ecke des Zimmers ſtand, und wohl eines Sprunges wegen hierher verbannt
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[207/0221]
in den Zimmern gehört zu werden, „ich hätte dem Herrn
Grafen wichtige Nachrichten von der Herrſchaft Saland zu
bringen. Hier iſt meine Karte.“
Der Kammerdiener las die Karte, betrachtete ſich den
Mann noch einmal, zuckte die Achſeln und verſchwand
darauf.
Nachdem man den Agenten eine geraume Zeit hatte
warten laſſen, erſchien der alte Diener wieder. Sein Benehmen
hatte an Geringſchätzung zugenommen. Die Herrſchaften wären
jetzt beim Luncheon, erklärte er, der Graf ließe dem Herrn
aber ſagen, wenn er mit ihm ſprechen wolle, möchte er in
einiger Zeit wiederkommen.
Edmund Schmeiß überlegte. Sollte er gehn und in einer
Stunde wiederkommen? Vielleicht war man da wieder nicht zu
Haus für ihn. Das war wohl nur eine Finte, um ihn auf
gute Manier los zu werden! Nein, er blieb! Nun hatte er
ſich einmal den Eintritt erzwungen in das Quartier; dieſen
Vorteil wollte er nicht wieder fahren laſſen.
Er erklärte dem Kammerdiener, daß er hier warten wolle,
bis das Luncheon vorüber ſei. Der Diener maß ihn mit
einem verächtlichen Blicke. „Wenn Sie wollen — hier, bitte!“
Er öffnete eine Thür. „Hier können Sie warten.“
Der Kommiſſionär ſah ſich in einem ſchmalen, einfenſtrigen
Zimmer, einer Art Garderobe. Es hingen Pelzmäntel und
andere Kleidungsſtücke an einem Rechen, unter einem Regal
ſtand Schuhwerk. Ein Schlafſofa war aufgeſtellt, an den
Wänden hingen Bilder und Photographien, die offenbar aus¬
gemuſtert waren. Geheizt war der Raum nicht.
Obgleich das Ehrgefühl bei Edmund Schmeiß nicht ſonder¬
lich entwickelt war, fühlte er ſich doch für den Augenblick nicht
angenehm berührt, als er bemerkte, wohin man ihn gewieſen
hatte. Seine Eitelkeit war gekränkt. Trotz des neuen Cylinders
und des pickfeinen Aufzuges hatte ihn dieser großbrodige Schuft
von einem Kammerdiener nicht für voll angeſehen. Er beſah
ſich in einem Stehſpiegel, der in einer Ecke des Zimmers
ſtand, und wohl eines Sprunges wegen hierher verbannt
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/221>, abgerufen am 01.02.2025.
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