Herr sich wohl kaum befassen; dazu waren die Beamten da. Ihm war jedenfalls die Rente die Hauptsache, und er war schon zufrieden, wenn er nur möglichst wenig Arbeit und Sorgen durch den Besitz hatte. Es war ferner anzunehmen, daß der Graf über die Verhältnisse bei den kleinen Leuten und Bauern mit denen er grenzte, nur sehr unvollkommen unterrichtet sei. Was er etwa darüber wußte, wurde ihm jedenfalls durch seine Leute zugetragen. Überhaupt sah er alle Verhält¬ nisse wahrscheinlich durch die Augen der Angestellten. Was konnte er eigentlich für ein Interesse an dem Büttnerbauer haben? Dem Grafen irgendwelche Teilnahme an der Er¬ haltung eines kräftigen Bauernstandes zuzutrauen, so naiv war Samuel Harassowitz nicht. Er kannte doch die Kava¬ liere! Wahrscheinlich spekulierte der Graf auf den Wald des Bauerngutes, der Jagd wegen. Jedenfalls war hier irgend ein ganz realer, egoistischer Zweck im Hintergrunde, welcher diesen großen Herrn veranlaßte, dem Bauern anscheinend hülfreich unter die Arme zu greifen.
Wie nun den Grafen daran verhindern? Die Sache war äußerst brenzlich, und mußte mit größter Vorsicht angefaßt werden.
Solche Aristokraten waren hochfahrend, stark von sich ein¬ genommen, und liebten nicht, daß man sich ihnen aufdränge. Auf der anderen Seite waren sie leichtlebig und rasch in ihren Ent¬ schließungen; ließen sich leicht bereden und fortreißen. Vor allem aber kam es ihnen bei jedem Geschäfte darauf an, daß es sich in netter gefälliger Form darbot, daß die Etikette ge¬ wahrt wurde.
Sam besaß soviel Selbsterkenntnis, um sich zu sagen, daß, wenn er selbst nach Berlin führe, um mit dem Grafen zu verhandeln, dabei schwerlich etwas herauskommen werde. Er hielt sich zwar durchaus nicht für unfein; aber, er wußte, daß Leute wie der Graf, besonders, wenn sie Offi¬ ziere sind, einen schwierigen Geschmack haben; kurz und gut, es schien ihm besser, seine Person im Hintergrunde zu halten. Edmund Schmeiß -- das war ganz etwas anderes! Das war ein ,proper' aussehender junger Mann, immer ,patent' angezogen,
Herr ſich wohl kaum befaſſen; dazu waren die Beamten da. Ihm war jedenfalls die Rente die Hauptſache, und er war ſchon zufrieden, wenn er nur möglichſt wenig Arbeit und Sorgen durch den Beſitz hatte. Es war ferner anzunehmen, daß der Graf über die Verhältniſſe bei den kleinen Leuten und Bauern mit denen er grenzte, nur ſehr unvollkommen unterrichtet ſei. Was er etwa darüber wußte, wurde ihm jedenfalls durch ſeine Leute zugetragen. Überhaupt ſah er alle Verhält¬ niſſe wahrſcheinlich durch die Augen der Angeſtellten. Was konnte er eigentlich für ein Intereſſe an dem Büttnerbauer haben? Dem Grafen irgendwelche Teilnahme an der Er¬ haltung eines kräftigen Bauernſtandes zuzutrauen, ſo naiv war Samuel Haraſſowitz nicht. Er kannte doch die Kava¬ liere! Wahrſcheinlich ſpekulierte der Graf auf den Wald des Bauerngutes, der Jagd wegen. Jedenfalls war hier irgend ein ganz realer, egoiſtiſcher Zweck im Hintergrunde, welcher dieſen großen Herrn veranlaßte, dem Bauern anſcheinend hülfreich unter die Arme zu greifen.
Wie nun den Grafen daran verhindern? Die Sache war äußerst brenzlich, und mußte mit größter Vorſicht angefaßt werden.
Solche Ariſtokraten waren hochfahrend, ſtark von ſich ein¬ genommen, und liebten nicht, daß man ſich ihnen aufdränge. Auf der anderen Seite waren ſie leichtlebig und raſch in ihren Ent¬ ſchließungen; ließen ſich leicht bereden und fortreißen. Vor allem aber kam es ihnen bei jedem Geſchäfte darauf an, daß es ſich in netter gefälliger Form darbot, daß die Etikette ge¬ wahrt wurde.
Sam beſaß ſoviel Selbſterkenntnis, um ſich zu ſagen, daß, wenn er ſelbſt nach Berlin führe, um mit dem Grafen zu verhandeln, dabei ſchwerlich etwas herauskommen werde. Er hielt ſich zwar durchaus nicht für unfein; aber, er wußte, daß Leute wie der Graf, beſonders, wenn ſie Offi¬ ziere ſind, einen ſchwierigen Geſchmack haben; kurz und gut, es ſchien ihm beſſer, ſeine Perſon im Hintergrunde zu halten. Edmund Schmeiß — das war ganz etwas anderes! Das war ein ‚proper‘ ausſehender junger Mann, immer ‚patent‘ angezogen,
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Herr ſich wohl kaum befaſſen; dazu waren die Beamten da. Ihm
war jedenfalls die Rente die Hauptſache, und er war ſchon
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durch den Beſitz hatte. Es war ferner anzunehmen, daß der
Graf über die Verhältniſſe bei den kleinen Leuten und Bauern
mit denen er grenzte, nur ſehr unvollkommen unterrichtet ſei.
Was er etwa darüber wußte, wurde ihm jedenfalls durch
ſeine Leute zugetragen. Überhaupt ſah er alle Verhält¬
niſſe wahrſcheinlich durch die Augen der Angeſtellten. Was
konnte er eigentlich für ein Intereſſe an dem Büttnerbauer
haben? Dem Grafen irgendwelche Teilnahme an der Er¬
haltung eines kräftigen Bauernſtandes zuzutrauen, ſo naiv
war Samuel Haraſſowitz nicht. Er kannte doch die Kava¬
liere! Wahrſcheinlich ſpekulierte der Graf auf den Wald des
Bauerngutes, der Jagd wegen. Jedenfalls war hier irgend ein
ganz realer, egoiſtiſcher Zweck im Hintergrunde, welcher dieſen
großen Herrn veranlaßte, dem Bauern anſcheinend hülfreich
unter die Arme zu greifen.
Wie nun den Grafen daran verhindern? Die Sache war
äußerst brenzlich, und mußte mit größter Vorſicht angefaßt werden.
Solche Ariſtokraten waren hochfahrend, ſtark von ſich ein¬
genommen, und liebten nicht, daß man ſich ihnen aufdränge. Auf
der anderen Seite waren ſie leichtlebig und raſch in ihren Ent¬
ſchließungen; ließen ſich leicht bereden und fortreißen. Vor
allem aber kam es ihnen bei jedem Geſchäfte darauf an, daß
es ſich in netter gefälliger Form darbot, daß die Etikette ge¬
wahrt wurde.
Sam beſaß ſoviel Selbſterkenntnis, um ſich zu ſagen,
daß, wenn er ſelbſt nach Berlin führe, um mit dem Grafen
zu verhandeln, dabei ſchwerlich etwas herauskommen werde.
Er hielt ſich zwar durchaus nicht für unfein; aber, er
wußte, daß Leute wie der Graf, beſonders, wenn ſie Offi¬
ziere ſind, einen ſchwierigen Geſchmack haben; kurz und gut,
es ſchien ihm beſſer, ſeine Perſon im Hintergrunde zu halten.
Edmund Schmeiß — das war ganz etwas anderes! Das war ein
‚proper‘ ausſehender junger Mann, immer ‚patent‘ angezogen,
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/218>, abgerufen am 01.02.2025.
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