Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

seiner Worte entgegengebracht wurde. Sein Blick fiel auch auf
Toni. Seine zudringlichen, alles Zweideutige ausspürenden
und aufstöbernden Blicke ruhten so lange auf der Figur des
Mädchens, bis Toni sich errötend abwandte, um sich in einer
dunkleren Ecke etwas zu schaffen zu machen.

Der Händler winkte sich die alte Bäuerin heran. "Wie steht
denn das mit Ihrer Tochter dort, Frau Büttner?" fragte er,
und gab sich kaum die Mühe, seine Stimme zu dämpfen.
"Verheiratet ist sie meines Wissens doch nicht -- he!" Mit
schnüffelnder Miene spähte er dabei immer nach dem Mädchen
hinüber.

"Ach, Se meenen und Se denken, weil daß se . . . . ."

Und nun folgte eine lange Auseinandersetzung von Tonis
Liebesgeschichte. Es war weniger Entrüstung oder Trauer, was
in den Worten der Mutter zum Ausdruck kam, als Ärger,
daß dem Mädchen eine solche Dummheit passiert war. Beide
Töchter waren im Zimmer und hörten jedes Wort, das die
Bäuerin über den Fall sagte.

Harrassowitz hörte mit einem gewissen Behagen zu, und
nickte hin und wieder mit dem Kopfe. "Ja, ja, so geht's! Die
jungen Dinger sind immer nicht vorsichtig genug. Und ehe
man sich's versieht, ist ein neuer Weltbürger da. Na, man
muß immer noch das Beste daraus zu machen suchen. Haben
Sie denn noch gar nicht daran gedacht, Ihre Tochter als Amme
gehen zu lassen, Mama Büttnern?"

Die Bäuerin verstand nicht, was er damit meinte.

"Nun ja, als Amme! Verstehen Sie nicht? Da kann
sich so ein Mädchen heut zu Tage ein schönes Stück Geld
mit verdienen. Wenn ein Mädel gesund ist und stark, --
verstehen Sie. In den Städten wird das sehr gesucht. Lassen
Sie Ihre Tochter mal dort aus der Ecke herauskommen."

Das Mädchen zögerte, dem Ansinnen des Händlers Folge
zu leisten. "Toni!" rief die willfährige Mutter, "De sollst
kommen, herst De ne! Zu Herrn Harrassowitz. Er will
D'ch sahn." Toni kam schließlich zum Vorschein; sie wußte
nicht, wohin blicken vor Verlegenheit. Sie lachte krampf¬

ſeiner Worte entgegengebracht wurde. Sein Blick fiel auch auf
Toni. Seine zudringlichen, alles Zweideutige ausſpürenden
und aufſtöbernden Blicke ruhten ſo lange auf der Figur des
Mädchens, bis Toni ſich errötend abwandte, um ſich in einer
dunkleren Ecke etwas zu ſchaffen zu machen.

Der Händler winkte ſich die alte Bäuerin heran. „Wie ſteht
denn das mit Ihrer Tochter dort, Frau Büttner?“ fragte er,
und gab ſich kaum die Mühe, ſeine Stimme zu dämpfen.
„Verheiratet iſt ſie meines Wiſſens doch nicht — he!“ Mit
ſchnüffelnder Miene ſpähte er dabei immer nach dem Mädchen
hinüber.

„Ach, Se meenen und Se denken, weil daß ſe . . . . .“

Und nun folgte eine lange Auseinanderſetzung von Tonis
Liebesgeſchichte. Es war weniger Entrüſtung oder Trauer, was
in den Worten der Mutter zum Ausdruck kam, als Ärger,
daß dem Mädchen eine ſolche Dummheit paſſiert war. Beide
Töchter waren im Zimmer und hörten jedes Wort, das die
Bäuerin über den Fall ſagte.

Harraſſowitz hörte mit einem gewiſſen Behagen zu, und
nickte hin und wieder mit dem Kopfe. „Ja, ja, ſo geht's! Die
jungen Dinger ſind immer nicht vorſichtig genug. Und ehe
man ſich's verſieht, iſt ein neuer Weltbürger da. Na, man
muß immer noch das Beſte daraus zu machen ſuchen. Haben
Sie denn noch gar nicht daran gedacht, Ihre Tochter als Amme
gehen zu laſſen, Mama Büttnern?“

Die Bäuerin verſtand nicht, was er damit meinte.

„Nun ja, als Amme! Verſtehen Sie nicht? Da kann
ſich ſo ein Mädchen heut zu Tage ein ſchönes Stück Geld
mit verdienen. Wenn ein Mädel geſund iſt und ſtark, —
verſtehen Sie. In den Städten wird das ſehr geſucht. Laſſen
Sie Ihre Tochter mal dort aus der Ecke herauskommen.“

Das Mädchen zögerte, dem Anſinnen des Händlers Folge
zu leiſten. „Toni!“ rief die willfährige Mutter, „De ſollſt
kommen, herſt De ne! Zu Herrn Harraſſowitz. Er will
D'ch ſahn.“ Toni kam ſchließlich zum Vorſchein; ſie wußte
nicht, wohin blicken vor Verlegenheit. Sie lachte krampf¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0210" n="196"/>
&#x017F;einer Worte entgegengebracht wurde. Sein Blick fiel auch auf<lb/>
Toni. Seine zudringlichen, alles Zweideutige aus&#x017F;pürenden<lb/>
und auf&#x017F;töbernden Blicke ruhten &#x017F;o lange auf der Figur des<lb/>
Mädchens, bis Toni &#x017F;ich errötend abwandte, um &#x017F;ich in einer<lb/>
dunkleren Ecke etwas zu &#x017F;chaffen zu machen.</p><lb/>
          <p>Der Händler winkte &#x017F;ich die alte Bäuerin heran. &#x201E;Wie &#x017F;teht<lb/>
denn das mit Ihrer Tochter dort, Frau Büttner?&#x201C; fragte er,<lb/>
und gab &#x017F;ich kaum die Mühe, &#x017F;eine Stimme zu dämpfen.<lb/>
&#x201E;Verheiratet i&#x017F;t &#x017F;ie meines Wi&#x017F;&#x017F;ens doch nicht &#x2014; he!&#x201C; Mit<lb/>
&#x017F;chnüffelnder Miene &#x017F;pähte er dabei immer nach dem Mädchen<lb/>
hinüber.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ach, Se meenen und Se denken, weil daß &#x017F;e . . . . .&#x201C;</p><lb/>
          <p>Und nun folgte eine lange Auseinander&#x017F;etzung von Tonis<lb/>
Liebesge&#x017F;chichte. Es war weniger Entrü&#x017F;tung oder Trauer, was<lb/>
in den Worten der Mutter zum Ausdruck kam, als Ärger,<lb/>
daß dem Mädchen eine &#x017F;olche Dummheit pa&#x017F;&#x017F;iert war. Beide<lb/>
Töchter waren im Zimmer und hörten jedes Wort, das die<lb/>
Bäuerin über den Fall &#x017F;agte.</p><lb/>
          <p>Harra&#x017F;&#x017F;owitz hörte mit einem gewi&#x017F;&#x017F;en Behagen zu, und<lb/>
nickte hin und wieder mit dem Kopfe. &#x201E;Ja, ja, &#x017F;o geht's! Die<lb/>
jungen Dinger &#x017F;ind immer nicht vor&#x017F;ichtig genug. Und ehe<lb/>
man &#x017F;ich's ver&#x017F;ieht, i&#x017F;t ein neuer Weltbürger da. Na, man<lb/>
muß immer noch das Be&#x017F;te daraus zu machen &#x017F;uchen. Haben<lb/>
Sie denn noch gar nicht daran gedacht, Ihre Tochter als Amme<lb/>
gehen zu la&#x017F;&#x017F;en, Mama Büttnern?&#x201C;</p><lb/>
          <p>Die Bäuerin ver&#x017F;tand nicht, was er damit meinte.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Nun ja, als Amme! Ver&#x017F;tehen Sie nicht? Da kann<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;o ein Mädchen heut zu Tage ein &#x017F;chönes Stück Geld<lb/>
mit verdienen. Wenn ein Mädel ge&#x017F;und i&#x017F;t und &#x017F;tark, &#x2014;<lb/>
ver&#x017F;tehen Sie. In den Städten wird das &#x017F;ehr ge&#x017F;ucht. La&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Sie Ihre Tochter mal dort aus der Ecke herauskommen.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Das Mädchen zögerte, dem An&#x017F;innen des Händlers Folge<lb/>
zu lei&#x017F;ten. &#x201E;Toni!&#x201C; rief die willfährige Mutter, &#x201E;De &#x017F;oll&#x017F;t<lb/>
kommen, her&#x017F;t De ne! Zu Herrn Harra&#x017F;&#x017F;owitz. Er will<lb/>
D'ch &#x017F;ahn.&#x201C; Toni kam &#x017F;chließlich zum Vor&#x017F;chein; &#x017F;ie wußte<lb/>
nicht, wohin blicken vor Verlegenheit. Sie lachte krampf¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[196/0210] ſeiner Worte entgegengebracht wurde. Sein Blick fiel auch auf Toni. Seine zudringlichen, alles Zweideutige ausſpürenden und aufſtöbernden Blicke ruhten ſo lange auf der Figur des Mädchens, bis Toni ſich errötend abwandte, um ſich in einer dunkleren Ecke etwas zu ſchaffen zu machen. Der Händler winkte ſich die alte Bäuerin heran. „Wie ſteht denn das mit Ihrer Tochter dort, Frau Büttner?“ fragte er, und gab ſich kaum die Mühe, ſeine Stimme zu dämpfen. „Verheiratet iſt ſie meines Wiſſens doch nicht — he!“ Mit ſchnüffelnder Miene ſpähte er dabei immer nach dem Mädchen hinüber. „Ach, Se meenen und Se denken, weil daß ſe . . . . .“ Und nun folgte eine lange Auseinanderſetzung von Tonis Liebesgeſchichte. Es war weniger Entrüſtung oder Trauer, was in den Worten der Mutter zum Ausdruck kam, als Ärger, daß dem Mädchen eine ſolche Dummheit paſſiert war. Beide Töchter waren im Zimmer und hörten jedes Wort, das die Bäuerin über den Fall ſagte. Harraſſowitz hörte mit einem gewiſſen Behagen zu, und nickte hin und wieder mit dem Kopfe. „Ja, ja, ſo geht's! Die jungen Dinger ſind immer nicht vorſichtig genug. Und ehe man ſich's verſieht, iſt ein neuer Weltbürger da. Na, man muß immer noch das Beſte daraus zu machen ſuchen. Haben Sie denn noch gar nicht daran gedacht, Ihre Tochter als Amme gehen zu laſſen, Mama Büttnern?“ Die Bäuerin verſtand nicht, was er damit meinte. „Nun ja, als Amme! Verſtehen Sie nicht? Da kann ſich ſo ein Mädchen heut zu Tage ein ſchönes Stück Geld mit verdienen. Wenn ein Mädel geſund iſt und ſtark, — verſtehen Sie. In den Städten wird das ſehr geſucht. Laſſen Sie Ihre Tochter mal dort aus der Ecke herauskommen.“ Das Mädchen zögerte, dem Anſinnen des Händlers Folge zu leiſten. „Toni!“ rief die willfährige Mutter, „De ſollſt kommen, herſt De ne! Zu Herrn Harraſſowitz. Er will D'ch ſahn.“ Toni kam ſchließlich zum Vorſchein; ſie wußte nicht, wohin blicken vor Verlegenheit. Sie lachte krampf¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/210
Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/210>, abgerufen am 23.12.2024.