Die Bäuerin beknixte jeden seiner Sätze. Inzwischen hatte sich der Tisch vor dem Fremden mit allerhand Eßbarem be¬ deckt. Die alte Frau trat zu ihm: "Entschuld'gen Se ack, Herr Harrassowitz, mir han's emal ne basser. Was mer han, das gahn mer Se gerne. Nu war'ch den Kutscher ane Bemme schmieren giehn. Und an Branntwein wird er wuhl och annahmen. Oder sull'ch 'n ane Neege Kaffee gahn, dem Kutscher?"
"Thun Sie das, Frau Büttner," sagte Hassarowitz lachend, und kniff dabei die alte Frau in den bloßen Arm. "Man wird bei Ihnen wirklich verwöhnt." Dann hieb er ein, und ließ es sich schmecken.
Toni brachte die Kaffeekanne herbei und setzte sie auf den Tisch. Ernestine mußte die beste Tasse aus dem Glas¬ schranke holen. Die Bäuerin schenkte selbst ein. Es war alles um den Gast bemüht. Dem schien es offenbar Freude zu machen, sich so aufmerksam bedient zu sehen. Er schlürfte sei¬ nen Kaffee, blickte die Frauen vergnügt schmunzelnd durch seinen goldenen Zwicker an, und richtete hin und wieder eine Frage an sie. Die Frauen wagten kaum zu antworten, ver¬ legen standen sie im Hintergrunde, und sahen ihm mit ehr¬ furchtsvollem Schweigen zu, wie er aß und trank.
Sam betrachtete sich die Tasse, aus der er trank. "Dem Jubelpaare!" stand darauf in Goldschrift. Die Bäuerin er¬ klärte, das sei ein Geschenk gewesen zur silbernen Hochzeit, die sie vor etwa fünf Jahren gefeiert hätten. "Dreißig Jahre ver¬ heiratet!" rief Sam. "Eine schöne Zeit! Und je glücklicher man gewesen, je kürzer kommt es einem vor. -- Nicht wahr? -- Ich werde nun auch bald meine silberne feiern. Mein Ältester ist schon auf Universität. Er studiert Jurisprudenz, verstehen Sie. Zu Ostern wird er fertig. Ein feiner Kopf, sage ich Ihnen! Habe mir's aber auch was kosten lassen. Dem Jungen ist nichts abgegangen."
Sams Gesicht strahlte, als er von seinem begabten Sprö߬ linge sprach. Er sah sich selbstzufrieden im Kreise um, und weidete sich an der stummen Bewunderung, die hier jedem
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Die Bäuerin beknixte jeden ſeiner Sätze. Inzwiſchen hatte ſich der Tiſch vor dem Fremden mit allerhand Eßbarem be¬ deckt. Die alte Frau trat zu ihm: „Entſchuld'gen Se ack, Herr Harraſſowitz, mir han's emal ne baſſer. Was mer han, das gahn mer Se gerne. Nu war'ch den Kutſcher ane Bemme ſchmieren giehn. Und an Branntwein wird er wuhl och annahmen. Oder ſull'ch 'n ane Neege Kaffee gahn, dem Kutſcher?“
„Thun Sie das, Frau Büttner,“ ſagte Haſſarowitz lachend, und kniff dabei die alte Frau in den bloßen Arm. „Man wird bei Ihnen wirklich verwöhnt.“ Dann hieb er ein, und ließ es ſich ſchmecken.
Toni brachte die Kaffeekanne herbei und ſetzte ſie auf den Tiſch. Erneſtine mußte die beſte Taſſe aus dem Glas¬ ſchranke holen. Die Bäuerin ſchenkte ſelbſt ein. Es war alles um den Gaſt bemüht. Dem ſchien es offenbar Freude zu machen, ſich ſo aufmerkſam bedient zu ſehen. Er ſchlürfte ſei¬ nen Kaffee, blickte die Frauen vergnügt ſchmunzelnd durch ſeinen goldenen Zwicker an, und richtete hin und wieder eine Frage an ſie. Die Frauen wagten kaum zu antworten, ver¬ legen ſtanden ſie im Hintergrunde, und ſahen ihm mit ehr¬ furchtsvollem Schweigen zu, wie er aß und trank.
Sam betrachtete ſich die Taſſe, aus der er trank. „Dem Jubelpaare!“ ſtand darauf in Goldſchrift. Die Bäuerin er¬ klärte, das ſei ein Geſchenk geweſen zur ſilbernen Hochzeit, die ſie vor etwa fünf Jahren gefeiert hätten. „Dreißig Jahre ver¬ heiratet!“ rief Sam. „Eine ſchöne Zeit! Und je glücklicher man geweſen, je kürzer kommt es einem vor. — Nicht wahr? — Ich werde nun auch bald meine ſilberne feiern. Mein Älteſter iſt ſchon auf Univerſität. Er ſtudiert Jurisprudenz, verſtehen Sie. Zu Oſtern wird er fertig. Ein feiner Kopf, ſage ich Ihnen! Habe mir's aber auch was koſten laſſen. Dem Jungen iſt nichts abgegangen.“
Sams Geſicht ſtrahlte, als er von ſeinem begabten Sprö߬ linge ſprach. Er ſah ſich ſelbſtzufrieden im Kreiſe um, und weidete ſich an der ſtummen Bewunderung, die hier jedem
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Die Bäuerin beknixte jeden ſeiner Sätze. Inzwiſchen hatte
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deckt. Die alte Frau trat zu ihm: „Entſchuld'gen Se ack, Herr
Harraſſowitz, mir han's emal ne baſſer. Was mer han, das
gahn mer Se gerne. Nu war'ch den Kutſcher ane Bemme
ſchmieren giehn. Und an Branntwein wird er wuhl och
annahmen. Oder ſull'ch 'n ane Neege Kaffee gahn, dem
Kutſcher?“
„Thun Sie das, Frau Büttner,“ ſagte Haſſarowitz lachend,
und kniff dabei die alte Frau in den bloßen Arm. „Man
wird bei Ihnen wirklich verwöhnt.“ Dann hieb er ein, und
ließ es ſich ſchmecken.
Toni brachte die Kaffeekanne herbei und ſetzte ſie auf
den Tiſch. Erneſtine mußte die beſte Taſſe aus dem Glas¬
ſchranke holen. Die Bäuerin ſchenkte ſelbſt ein. Es war alles
um den Gaſt bemüht. Dem ſchien es offenbar Freude zu
machen, ſich ſo aufmerkſam bedient zu ſehen. Er ſchlürfte ſei¬
nen Kaffee, blickte die Frauen vergnügt ſchmunzelnd durch
ſeinen goldenen Zwicker an, und richtete hin und wieder eine
Frage an ſie. Die Frauen wagten kaum zu antworten, ver¬
legen ſtanden ſie im Hintergrunde, und ſahen ihm mit ehr¬
furchtsvollem Schweigen zu, wie er aß und trank.
Sam betrachtete ſich die Taſſe, aus der er trank. „Dem
Jubelpaare!“ ſtand darauf in Goldſchrift. Die Bäuerin er¬
klärte, das ſei ein Geſchenk geweſen zur ſilbernen Hochzeit, die
ſie vor etwa fünf Jahren gefeiert hätten. „Dreißig Jahre ver¬
heiratet!“ rief Sam. „Eine ſchöne Zeit! Und je glücklicher
man geweſen, je kürzer kommt es einem vor. — Nicht wahr?
— Ich werde nun auch bald meine ſilberne feiern. Mein
Älteſter iſt ſchon auf Univerſität. Er ſtudiert Jurisprudenz,
verſtehen Sie. Zu Oſtern wird er fertig. Ein feiner Kopf,
ſage ich Ihnen! Habe mir's aber auch was koſten laſſen.
Dem Jungen iſt nichts abgegangen.“
Sams Geſicht ſtrahlte, als er von ſeinem begabten Sprö߬
linge ſprach. Er ſah ſich ſelbſtzufrieden im Kreiſe um, und
weidete ſich an der ſtummen Bewunderung, die hier jedem
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/209>, abgerufen am 22.12.2024.
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