Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

schmeichelhaft war, fühlte doch keine Veranlassung, dem Onkel
zu widersprechen. Er kannte nur einen Wunsch, die Zusage
von dem Alten zu erlangen; darum mußte man ihn bei guter
Laune zu erhalten suchen. Er kam wieder auf sein Verlangen
zurück.

Der Onkel klopfte ihm auf die Schulter, und lächelte ihn
freundlich an. Er wolle sehen, was sich thun lasse, meinte er,
und er sei nicht so einer, der seine Blutsverwandten im Stiche
lasse; aber eine bindende Zusage gab er nicht. Er könne nichts
Bestimmtes versprechen, erklärte er schließlich, von Gustav ge¬
drängt; da hätten noch andere ein Wort mitzusprechen.

Im Nebenzimmer hatte Gustav zwischendurch Stimmen
gehört; wie es ihm klang: weibliche Stimmen. Und zwar
schien sich eine ältere mit einer jüngeren Frauensperson zu
unterhalten. Schließlich that sich die Thür auf, und in's Zimmer
trat eine alte Frau, die Tante, wie Gustav richtig vermutete.

Sie war um einige Jahre älter als ihr Gatte. Die
grauen Haare trug sie unter einer Morgenhaube mit lila
Bändern. Sie musterte den fremden jungen Mann aus klei¬
nen Maulwurfsaugen neugierig spähend. Ihr altes verwelk¬
tes Gesicht nahm sofort einen beleidigten Ausdruck an, als
sie vernahm, daß er ein Büttner aus Halbenau sei. Mit
diesen Bauersleuten hatte sie nie etwas zu thun haben wollen.
Sie würdigte den Neffen keiner Anrede, nahm den Gatten
bei Seite und redete in ihn hinein, wispernd und hastig, mit
einer Stimme, welche durch die Zahnlosigkeit so gut wie
unverständlich wurde. Gustav konnte nicht verstehen, was sie
sagte, er merkte nur an ihrem ganzen Benehmen, daß die
Tante wenig zufrieden mit seiner Anwesenheit sei. Der Onkel
schien sich vor ihr zu entschuldigen. Sein Wesen machte nicht
mehr den zuversichtlichen Eindruck, wie zuvor. In ihrer Gegen¬
wart erschien er minder selbstbewußt, ja geradezu kleinlaut.

,Pfeift der Wind aus der Ecke!' dachte Gustav bei sich.
Also, der Onkel war nicht Herr im eigenen Hause! Da mußte
er freilich für das Gelingen seiner Pläne zittern.

Bald kamen auch noch die anderen Mitglieder der Fa¬

12 *

ſchmeichelhaft war, fühlte doch keine Veranlaſſung, dem Onkel
zu widerſprechen. Er kannte nur einen Wunſch, die Zuſage
von dem Alten zu erlangen; darum mußte man ihn bei guter
Laune zu erhalten ſuchen. Er kam wieder auf ſein Verlangen
zurück.

Der Onkel klopfte ihm auf die Schulter, und lächelte ihn
freundlich an. Er wolle ſehen, was ſich thun laſſe, meinte er,
und er ſei nicht ſo einer, der ſeine Blutsverwandten im Stiche
laſſe; aber eine bindende Zuſage gab er nicht. Er könne nichts
Beſtimmtes verſprechen, erklärte er ſchließlich, von Guſtav ge¬
drängt; da hätten noch andere ein Wort mitzuſprechen.

Im Nebenzimmer hatte Guſtav zwiſchendurch Stimmen
gehört; wie es ihm klang: weibliche Stimmen. Und zwar
ſchien ſich eine ältere mit einer jüngeren Frauensperſon zu
unterhalten. Schließlich that ſich die Thür auf, und in's Zimmer
trat eine alte Frau, die Tante, wie Guſtav richtig vermutete.

Sie war um einige Jahre älter als ihr Gatte. Die
grauen Haare trug ſie unter einer Morgenhaube mit lila
Bändern. Sie muſterte den fremden jungen Mann aus klei¬
nen Maulwurfsaugen neugierig ſpähend. Ihr altes verwelk¬
tes Geſicht nahm ſofort einen beleidigten Ausdruck an, als
ſie vernahm, daß er ein Büttner aus Halbenau ſei. Mit
dieſen Bauersleuten hatte ſie nie etwas zu thun haben wollen.
Sie würdigte den Neffen keiner Anrede, nahm den Gatten
bei Seite und redete in ihn hinein, wiſpernd und haſtig, mit
einer Stimme, welche durch die Zahnloſigkeit ſo gut wie
unverſtändlich wurde. Guſtav konnte nicht verſtehen, was ſie
ſagte, er merkte nur an ihrem ganzen Benehmen, daß die
Tante wenig zufrieden mit ſeiner Anweſenheit ſei. Der Onkel
ſchien ſich vor ihr zu entſchuldigen. Sein Weſen machte nicht
mehr den zuverſichtlichen Eindruck, wie zuvor. In ihrer Gegen¬
wart erſchien er minder ſelbſtbewußt, ja geradezu kleinlaut.

‚Pfeift der Wind aus der Ecke!‛ dachte Guſtav bei ſich.
Alſo, der Onkel war nicht Herr im eigenen Hauſe! Da mußte
er freilich für das Gelingen ſeiner Pläne zittern.

Bald kamen auch noch die anderen Mitglieder der Fa¬

12 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0193" n="179"/>
&#x017F;chmeichelhaft war, fühlte doch keine Veranla&#x017F;&#x017F;ung, dem Onkel<lb/>
zu wider&#x017F;prechen. Er kannte nur einen Wun&#x017F;ch, die Zu&#x017F;age<lb/>
von dem Alten zu erlangen; darum mußte man ihn bei guter<lb/>
Laune zu erhalten &#x017F;uchen. Er kam wieder auf &#x017F;ein Verlangen<lb/>
zurück.</p><lb/>
          <p>Der Onkel klopfte ihm auf die Schulter, und lächelte ihn<lb/>
freundlich an. Er wolle &#x017F;ehen, was &#x017F;ich thun la&#x017F;&#x017F;e, meinte er,<lb/>
und er &#x017F;ei nicht &#x017F;o einer, der &#x017F;eine Blutsverwandten im Stiche<lb/>
la&#x017F;&#x017F;e; aber eine bindende Zu&#x017F;age gab er nicht. Er könne nichts<lb/>
Be&#x017F;timmtes ver&#x017F;prechen, erklärte er &#x017F;chließlich, von Gu&#x017F;tav ge¬<lb/>
drängt; da hätten noch andere ein Wort mitzu&#x017F;prechen.</p><lb/>
          <p>Im Nebenzimmer hatte Gu&#x017F;tav zwi&#x017F;chendurch Stimmen<lb/>
gehört; wie es ihm klang: weibliche Stimmen. Und zwar<lb/>
&#x017F;chien &#x017F;ich eine ältere mit einer jüngeren Frauensper&#x017F;on zu<lb/>
unterhalten. Schließlich that &#x017F;ich die Thür auf, und in's Zimmer<lb/>
trat eine alte Frau, die Tante, wie Gu&#x017F;tav richtig vermutete.</p><lb/>
          <p>Sie war um einige Jahre älter als ihr Gatte. Die<lb/>
grauen Haare trug &#x017F;ie unter einer Morgenhaube mit lila<lb/>
Bändern. Sie mu&#x017F;terte den fremden jungen Mann aus klei¬<lb/>
nen Maulwurfsaugen neugierig &#x017F;pähend. Ihr altes verwelk¬<lb/>
tes Ge&#x017F;icht nahm &#x017F;ofort einen beleidigten Ausdruck an, als<lb/>
&#x017F;ie vernahm, daß er ein Büttner aus Halbenau &#x017F;ei. Mit<lb/>
die&#x017F;en Bauersleuten hatte &#x017F;ie nie etwas zu thun haben wollen.<lb/>
Sie würdigte den Neffen keiner Anrede, nahm den Gatten<lb/>
bei Seite und redete in ihn hinein, wi&#x017F;pernd und ha&#x017F;tig, mit<lb/>
einer Stimme, welche durch die Zahnlo&#x017F;igkeit &#x017F;o gut wie<lb/>
unver&#x017F;tändlich wurde. Gu&#x017F;tav konnte nicht ver&#x017F;tehen, was &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;agte, er merkte nur an ihrem ganzen Benehmen, daß die<lb/>
Tante wenig zufrieden mit &#x017F;einer Anwe&#x017F;enheit &#x017F;ei. Der Onkel<lb/>
&#x017F;chien &#x017F;ich vor ihr zu ent&#x017F;chuldigen. Sein We&#x017F;en machte nicht<lb/>
mehr den zuver&#x017F;ichtlichen Eindruck, wie zuvor. In ihrer Gegen¬<lb/>
wart er&#x017F;chien er minder &#x017F;elb&#x017F;tbewußt, ja geradezu kleinlaut.</p><lb/>
          <p>&#x201A;Pfeift der Wind aus der Ecke!&#x201B; dachte Gu&#x017F;tav bei &#x017F;ich.<lb/>
Al&#x017F;o, der Onkel war nicht Herr im eigenen Hau&#x017F;e! Da mußte<lb/>
er freilich für das Gelingen &#x017F;einer Pläne zittern.</p><lb/>
          <p>Bald kamen auch noch die anderen Mitglieder der Fa¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">12 *<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[179/0193] ſchmeichelhaft war, fühlte doch keine Veranlaſſung, dem Onkel zu widerſprechen. Er kannte nur einen Wunſch, die Zuſage von dem Alten zu erlangen; darum mußte man ihn bei guter Laune zu erhalten ſuchen. Er kam wieder auf ſein Verlangen zurück. Der Onkel klopfte ihm auf die Schulter, und lächelte ihn freundlich an. Er wolle ſehen, was ſich thun laſſe, meinte er, und er ſei nicht ſo einer, der ſeine Blutsverwandten im Stiche laſſe; aber eine bindende Zuſage gab er nicht. Er könne nichts Beſtimmtes verſprechen, erklärte er ſchließlich, von Guſtav ge¬ drängt; da hätten noch andere ein Wort mitzuſprechen. Im Nebenzimmer hatte Guſtav zwiſchendurch Stimmen gehört; wie es ihm klang: weibliche Stimmen. Und zwar ſchien ſich eine ältere mit einer jüngeren Frauensperſon zu unterhalten. Schließlich that ſich die Thür auf, und in's Zimmer trat eine alte Frau, die Tante, wie Guſtav richtig vermutete. Sie war um einige Jahre älter als ihr Gatte. Die grauen Haare trug ſie unter einer Morgenhaube mit lila Bändern. Sie muſterte den fremden jungen Mann aus klei¬ nen Maulwurfsaugen neugierig ſpähend. Ihr altes verwelk¬ tes Geſicht nahm ſofort einen beleidigten Ausdruck an, als ſie vernahm, daß er ein Büttner aus Halbenau ſei. Mit dieſen Bauersleuten hatte ſie nie etwas zu thun haben wollen. Sie würdigte den Neffen keiner Anrede, nahm den Gatten bei Seite und redete in ihn hinein, wiſpernd und haſtig, mit einer Stimme, welche durch die Zahnloſigkeit ſo gut wie unverſtändlich wurde. Guſtav konnte nicht verſtehen, was ſie ſagte, er merkte nur an ihrem ganzen Benehmen, daß die Tante wenig zufrieden mit ſeiner Anweſenheit ſei. Der Onkel ſchien ſich vor ihr zu entſchuldigen. Sein Weſen machte nicht mehr den zuverſichtlichen Eindruck, wie zuvor. In ihrer Gegen¬ wart erſchien er minder ſelbſtbewußt, ja geradezu kleinlaut. ‚Pfeift der Wind aus der Ecke!‛ dachte Guſtav bei ſich. Alſo, der Onkel war nicht Herr im eigenen Hauſe! Da mußte er freilich für das Gelingen ſeiner Pläne zittern. Bald kamen auch noch die anderen Mitglieder der Fa¬ 12 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/193
Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/193>, abgerufen am 04.12.2024.