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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Der alte Bauer hegte nicht die geringste Hoffnung, daß
die Reise seines Sohnes irgendwelchen Erfolg haben könne.
Er hielt nicht viel von Karl Leberecht. Der Bruder war ihm
im Alter am nächsten gewesen, von den Geschwistern. Sie
hatten sich als Jungens stets in den Haaren gelegen. Karl
Leberecht war lebhaft gewesen und geweckt, zu allerhand
Streichen aufgelegt, ein "Sausewind und Würgebund", wie
ihn der Bauer noch jetzt zu bezeichnen pflegte, wenn er von
dem jüngeren Bruder sprach. Gustav ließ sich jedoch durch
das Abreden des Vaters nicht irre machen. Karl Leberecht
mochte in der Jugend gewesen sein wie er wollte, er hatte es
jedenfalls zu etwas gebracht im Leben. Und er war und
blieb auf alle Fälle der Bruder des Vaters. Vielleicht
schlummerte der Familiensinn doch noch in ihm, und es be¬
durfte nur der richtigen Ansprache, um ihn zu wecken.

Aus dem Briefe, welchen damals der Vetter -- der, wie
er, den Namen Gustav trug -- geschrieben hatte, ersah er,
daß das Materialwarengeschäft von Karl Leberecht Büttner
und Sohn am Marktplatze gelegen war. Dorthin richtete
Gustav also seine Schritte. Nach einigem Suchen fand er die
Firma, die in goldenen Lettern auf schwarzem Untergrunde
weithin leuchtend prangte.

Es war ein eigenes Gefühl für den jungen Menschen,
seinen eigenen Namen auf dem prächtigen Schilde zu lesen.
Gustav ging nicht sofort in den Laden hinein, eine geraume
Weile betrachtete er sich erst das Geschäft von außen mit ehr¬
furchtsvoller Scheu. Das war ja viel größer und glänzender,
als er sich's vorgestellt hatte.

Das Büttner'sche Geschäft bestand aus einem geräumigen
Eckladen, der mit zwei Schaufenstern nach dem Markte hinaus
blickte und außerdem noch mehrere kleinere Fenster nach einer
Seitengasse hatte. Eine reiche Auswahl von Verkaufsartikeln
lag da ausgestellt: Kaffee und Thee in Glasbüchsen, Seifen,
Bisquits in Kästen, Lichte in Paketen, Südfrüchte, Tabak,
Viktualien aller Art, Spezereien, Droguen. In dem einen
der vorderen Schaufenster saß ein Chinese, der mit dem Kopfe

Der alte Bauer hegte nicht die geringſte Hoffnung, daß
die Reiſe ſeines Sohnes irgendwelchen Erfolg haben könne.
Er hielt nicht viel von Karl Leberecht. Der Bruder war ihm
im Alter am nächſten geweſen, von den Geſchwiſtern. Sie
hatten ſich als Jungens ſtets in den Haaren gelegen. Karl
Leberecht war lebhaft geweſen und geweckt, zu allerhand
Streichen aufgelegt, ein „Sauſewind und Würgebund“, wie
ihn der Bauer noch jetzt zu bezeichnen pflegte, wenn er von
dem jüngeren Bruder ſprach. Guſtav ließ ſich jedoch durch
das Abreden des Vaters nicht irre machen. Karl Leberecht
mochte in der Jugend geweſen ſein wie er wollte, er hatte es
jedenfalls zu etwas gebracht im Leben. Und er war und
blieb auf alle Fälle der Bruder des Vaters. Vielleicht
ſchlummerte der Familienſinn doch noch in ihm, und es be¬
durfte nur der richtigen Anſprache, um ihn zu wecken.

Aus dem Briefe, welchen damals der Vetter — der, wie
er, den Namen Guſtav trug — geſchrieben hatte, erſah er,
daß das Materialwarengeſchäft von Karl Leberecht Büttner
und Sohn am Marktplatze gelegen war. Dorthin richtete
Guſtav alſo ſeine Schritte. Nach einigem Suchen fand er die
Firma, die in goldenen Lettern auf ſchwarzem Untergrunde
weithin leuchtend prangte.

Es war ein eigenes Gefühl für den jungen Menſchen,
ſeinen eigenen Namen auf dem prächtigen Schilde zu leſen.
Guſtav ging nicht ſofort in den Laden hinein, eine geraume
Weile betrachtete er ſich erſt das Geſchäft von außen mit ehr¬
furchtsvoller Scheu. Das war ja viel größer und glänzender,
als er ſich’s vorgeſtellt hatte.

Das Büttner’ſche Geſchäft beſtand aus einem geräumigen
Eckladen, der mit zwei Schaufenſtern nach dem Markte hinaus
blickte und außerdem noch mehrere kleinere Fenſter nach einer
Seitengaſſe hatte. Eine reiche Auswahl von Verkaufsartikeln
lag da ausgeſtellt: Kaffee und Thee in Glasbüchſen, Seifen,
Bisquits in Käſten, Lichte in Paketen, Südfrüchte, Tabak,
Viktualien aller Art, Spezereien, Droguen. In dem einen
der vorderen Schaufenſter ſaß ein Chineſe, der mit dem Kopfe

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[173/0187] Der alte Bauer hegte nicht die geringſte Hoffnung, daß die Reiſe ſeines Sohnes irgendwelchen Erfolg haben könne. Er hielt nicht viel von Karl Leberecht. Der Bruder war ihm im Alter am nächſten geweſen, von den Geſchwiſtern. Sie hatten ſich als Jungens ſtets in den Haaren gelegen. Karl Leberecht war lebhaft geweſen und geweckt, zu allerhand Streichen aufgelegt, ein „Sauſewind und Würgebund“, wie ihn der Bauer noch jetzt zu bezeichnen pflegte, wenn er von dem jüngeren Bruder ſprach. Guſtav ließ ſich jedoch durch das Abreden des Vaters nicht irre machen. Karl Leberecht mochte in der Jugend geweſen ſein wie er wollte, er hatte es jedenfalls zu etwas gebracht im Leben. Und er war und blieb auf alle Fälle der Bruder des Vaters. Vielleicht ſchlummerte der Familienſinn doch noch in ihm, und es be¬ durfte nur der richtigen Anſprache, um ihn zu wecken. Aus dem Briefe, welchen damals der Vetter — der, wie er, den Namen Guſtav trug — geſchrieben hatte, erſah er, daß das Materialwarengeſchäft von Karl Leberecht Büttner und Sohn am Marktplatze gelegen war. Dorthin richtete Guſtav alſo ſeine Schritte. Nach einigem Suchen fand er die Firma, die in goldenen Lettern auf ſchwarzem Untergrunde weithin leuchtend prangte. Es war ein eigenes Gefühl für den jungen Menſchen, ſeinen eigenen Namen auf dem prächtigen Schilde zu leſen. Guſtav ging nicht ſofort in den Laden hinein, eine geraume Weile betrachtete er ſich erſt das Geſchäft von außen mit ehr¬ furchtsvoller Scheu. Das war ja viel größer und glänzender, als er ſich’s vorgeſtellt hatte. Das Büttner’ſche Geſchäft beſtand aus einem geräumigen Eckladen, der mit zwei Schaufenſtern nach dem Markte hinaus blickte und außerdem noch mehrere kleinere Fenſter nach einer Seitengaſſe hatte. Eine reiche Auswahl von Verkaufsartikeln lag da ausgeſtellt: Kaffee und Thee in Glasbüchſen, Seifen, Bisquits in Käſten, Lichte in Paketen, Südfrüchte, Tabak, Viktualien aller Art, Spezereien, Droguen. In dem einen der vorderen Schaufenſter ſaß ein Chineſe, der mit dem Kopfe

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/187>, abgerufen am 12.12.2024.