künstelt hoher Stimme, aber er müsse eben hier vorlieb nehmen, mit dem, was er vorfände. Es sei doch recht langweilig in Halbenau. Warum sich denn der Vetter nicht öfter mal blicken lasse. Und zum Tanze sei er noch gar nicht gesehen worden im Kretscham. Die Mädchen hier seien ihm wohl nicht fein genug? --
Gustav antwortete kaum auf ihre Bemerkungen. Er witterte etwas von Eifersucht in dem Wesen der Kousine. Hübsch war sie nicht, mit ihrem Kropfansatz, der langen über¬ bauten Figur und dem schiefen Munde, der neuerdings eine Zahn¬ lücke aufwies. Doch dafür konnte sie schließlich nichts. Aber, was für eine Schlumpe sie war! So herumzulaufen! Mit zerrissenen Strümpfen, zerschlissener Taille, und ungemachtem Haar. Und sowas wollte die reichste Erbin in Halbenau sein! Gustav stellte unwillkürlich Vergleiche an, zwischen ihrer Schmuddelei und der Sauberkeit, die stets um Pauline herrschte.
Ottilie lief plötzlich hinaus. Er glaubte es sei, um den Vater herbeizuholen. Eine ganze Weile hatte er zu warten. Dann kam das Mädchen zurück, aber ohne den Wirt. Sie brachte vielmehr ein Brett, mit Frühstück darauf. Da waren verschiedene Flaschen und Schüsseln. Freundlich lächelnd setzte sie das vor den Vetter hin.
Gustav war ärgerlich. Zwar ein Kostverächter war er nie gewesen, und bei den Eltern ging es neuerdings schmal genug her; ein Frühstück nahm er immer gern an. Aber von der hier bewirtet zu werden, das paßte ihm ganz und gar nicht. Ihr Anblick konnte ihm jeden Appetit verderben.
Ottilie schien den Widerwillen nicht zu bemerken, den sie einflößte. Sie schenkte ein, zunächst ein Glas Bier, neben das sie noch, zur Auswahl, ein kleineres Glas mit rötlichem In¬ halt stellte. Dann setzte sie sich ihm gegenüber an den Tisch, und sah ihm zu, wie er aß und trank, mit dem Ausdrucke innigster Befriedigung in ihren Zügen.
Es entging ihm nicht, daß sie sich inzwischen eine andere Taille angezogen hatte. Er mußte unwillkürlich lächeln über
künſtelt hoher Stimme, aber er müſſe eben hier vorlieb nehmen, mit dem, was er vorfände. Es ſei doch recht langweilig in Halbenau. Warum ſich denn der Vetter nicht öfter mal blicken laſſe. Und zum Tanze ſei er noch gar nicht geſehen worden im Kretſcham. Die Mädchen hier ſeien ihm wohl nicht fein genug? —
Guſtav antwortete kaum auf ihre Bemerkungen. Er witterte etwas von Eiferſucht in dem Weſen der Kouſine. Hübſch war ſie nicht, mit ihrem Kropfanſatz, der langen über¬ bauten Figur und dem ſchiefen Munde, der neuerdings eine Zahn¬ lücke aufwies. Doch dafür konnte ſie ſchließlich nichts. Aber, was für eine Schlumpe ſie war! So herumzulaufen! Mit zerriſſenen Strümpfen, zerſchliſſener Taille, und ungemachtem Haar. Und ſowas wollte die reichſte Erbin in Halbenau ſein! Guſtav ſtellte unwillkürlich Vergleiche an, zwiſchen ihrer Schmuddelei und der Sauberkeit, die ſtets um Pauline herrſchte.
Ottilie lief plötzlich hinaus. Er glaubte es ſei, um den Vater herbeizuholen. Eine ganze Weile hatte er zu warten. Dann kam das Mädchen zurück, aber ohne den Wirt. Sie brachte vielmehr ein Brett, mit Frühſtück darauf. Da waren verſchiedene Flaſchen und Schüſſeln. Freundlich lächelnd ſetzte ſie das vor den Vetter hin.
Guſtav war ärgerlich. Zwar ein Koſtverächter war er nie geweſen, und bei den Eltern ging es neuerdings ſchmal genug her; ein Frühſtück nahm er immer gern an. Aber von der hier bewirtet zu werden, das paßte ihm ganz und gar nicht. Ihr Anblick konnte ihm jeden Appetit verderben.
Ottilie ſchien den Widerwillen nicht zu bemerken, den ſie einflößte. Sie ſchenkte ein, zunächſt ein Glas Bier, neben das ſie noch, zur Auswahl, ein kleineres Glas mit rötlichem In¬ halt ſtellte. Dann ſetzte ſie ſich ihm gegenüber an den Tiſch, und ſah ihm zu, wie er aß und trank, mit dem Ausdrucke innigſter Befriedigung in ihren Zügen.
Es entging ihm nicht, daß ſie ſich inzwiſchen eine andere Taille angezogen hatte. Er mußte unwillkürlich lächeln über
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künſtelt hoher Stimme, aber er müſſe eben hier vorlieb nehmen,
mit dem, was er vorfände. Es ſei doch recht langweilig in
Halbenau. Warum ſich denn der Vetter nicht öfter mal blicken
laſſe. Und zum Tanze ſei er noch gar nicht geſehen worden
im Kretſcham. Die Mädchen hier ſeien ihm wohl nicht fein
genug? —
Guſtav antwortete kaum auf ihre Bemerkungen. Er
witterte etwas von Eiferſucht in dem Weſen der Kouſine.
Hübſch war ſie nicht, mit ihrem Kropfanſatz, der langen über¬
bauten Figur und dem ſchiefen Munde, der neuerdings eine Zahn¬
lücke aufwies. Doch dafür konnte ſie ſchließlich nichts. Aber,
was für eine Schlumpe ſie war! So herumzulaufen! Mit
zerriſſenen Strümpfen, zerſchliſſener Taille, und ungemachtem
Haar. Und ſowas wollte die reichſte Erbin in Halbenau
ſein! Guſtav ſtellte unwillkürlich Vergleiche an, zwiſchen
ihrer Schmuddelei und der Sauberkeit, die ſtets um Pauline
herrſchte.
Ottilie lief plötzlich hinaus. Er glaubte es ſei, um den
Vater herbeizuholen. Eine ganze Weile hatte er zu warten.
Dann kam das Mädchen zurück, aber ohne den Wirt. Sie
brachte vielmehr ein Brett, mit Frühſtück darauf. Da waren
verſchiedene Flaſchen und Schüſſeln. Freundlich lächelnd ſetzte
ſie das vor den Vetter hin.
Guſtav war ärgerlich. Zwar ein Koſtverächter war er
nie geweſen, und bei den Eltern ging es neuerdings ſchmal
genug her; ein Frühſtück nahm er immer gern an. Aber von
der hier bewirtet zu werden, das paßte ihm ganz und gar
nicht. Ihr Anblick konnte ihm jeden Appetit verderben.
Ottilie ſchien den Widerwillen nicht zu bemerken, den ſie
einflößte. Sie ſchenkte ein, zunächſt ein Glas Bier, neben das
ſie noch, zur Auswahl, ein kleineres Glas mit rötlichem In¬
halt ſtellte. Dann ſetzte ſie ſich ihm gegenüber an den Tiſch,
und ſah ihm zu, wie er aß und trank, mit dem Ausdrucke
innigſter Befriedigung in ihren Zügen.
Es entging ihm nicht, daß ſie ſich inzwiſchen eine andere
Taille angezogen hatte. Er mußte unwillkürlich lächeln über
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/181>, abgerufen am 30.11.2024.
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