hatte der Mann gesehen. Zweimal waren die Franzosen durch Halbenau gekommen und hatten geplündert. Was sie übrig gelassen, nahmen die Kosacken mit, die als Verbündete kamen, aber ärger hausten als die Feinde. Von dieser Einquartierung sollte man sich noch lange in der Gegend erzählen. Dann kam gleich nach dem Feinde ein furchtbares Notjahr mit Mi߬ ernte und Hungersnot im Gefolge. Mancher Bauer verließ in jenen Tagen seinen Hof und ging auf das Rittergut, oder in die Stadt, um Anstellung zu finden, da er als eigner Wirt dem sicheren Verhungern entgegensah. Da wurde vielfach lediges Bauernland von der Herrschaft eingezogen. Der da¬ malige Büttnerbauer sah es daher als eine Erleichterung an, als bei der Regulierung ein Drittteil seines Gutes der Herr¬ schaft Saland zugeschlagen wurde. Ja, er hätte sich vielleicht von dem mächtigen Nachbarn, der sich aus einem Beschützer über Nacht in einen Nebenbuhler verwandelt hatte, ganz aus seinem Besitze verdrängen lassen, wenn nicht sein Sohn ge¬ wesen wäre.
Leberecht Büttner war, im Gegensatze zu seinem Vater, ein Sohn der neuen Zeit. Er hatte die Freiheitskriege mit gemacht, als Grenadier. Zweimal war er in Frankreich ge¬ wesen, war mit Erfahrungen und voll Selbstbewußtsein aus der weiten Welt in das Heimatsdorf zurückgekehrt.
Zu Hause nahm er sehr bald das Heft in die Hand. Der Vater besaß soviel Vernunft, um einzusehen, daß er nichts besseres thun könne, als der jüngeren Kraft Platz zu machen; er ging in's Ausgedinge und lebte noch manches Jahr. Aus alter Gewohnheit nahm er an der Feldarbeit Teil, und ward eine Art von Tagelöhner bei dem eigenen Sohne. Der jetzige Büttnerbauer konnte sich noch ganz gut auf ihn besinnen. Ein kleines gebücktes Männchen mit schiefer Nase und rotgerän¬ derten Augen war er gewesen. Sein gelbgraues Haar hatte ihm in langen Strähnen um den Kopf gestanden. Sonntags pflegte er einen blauen Rock zu tragen, der ihm bis an die Knöchel reichte und eine braun und grün gewürfelte Weste mit blanken Perlmutterknöpfen. Er wußte den Enkeln mit
hatte der Mann geſehen. Zweimal waren die Franzoſen durch Halbenau gekommen und hatten geplündert. Was ſie übrig gelaſſen, nahmen die Koſacken mit, die als Verbündete kamen, aber ärger hauſten als die Feinde. Von dieſer Einquartierung ſollte man ſich noch lange in der Gegend erzählen. Dann kam gleich nach dem Feinde ein furchtbares Notjahr mit Mi߬ ernte und Hungersnot im Gefolge. Mancher Bauer verließ in jenen Tagen ſeinen Hof und ging auf das Rittergut, oder in die Stadt, um Anſtellung zu finden, da er als eigner Wirt dem ſicheren Verhungern entgegenſah. Da wurde vielfach lediges Bauernland von der Herrſchaft eingezogen. Der da¬ malige Büttnerbauer ſah es daher als eine Erleichterung an, als bei der Regulierung ein Drittteil ſeines Gutes der Herr¬ ſchaft Saland zugeſchlagen wurde. Ja, er hätte ſich vielleicht von dem mächtigen Nachbarn, der ſich aus einem Beſchützer über Nacht in einen Nebenbuhler verwandelt hatte, ganz aus ſeinem Beſitze verdrängen laſſen, wenn nicht ſein Sohn ge¬ weſen wäre.
Leberecht Büttner war, im Gegenſatze zu ſeinem Vater, ein Sohn der neuen Zeit. Er hatte die Freiheitskriege mit gemacht, als Grenadier. Zweimal war er in Frankreich ge¬ weſen, war mit Erfahrungen und voll Selbſtbewußtſein aus der weiten Welt in das Heimatsdorf zurückgekehrt.
Zu Hauſe nahm er ſehr bald das Heft in die Hand. Der Vater beſaß ſoviel Vernunft, um einzuſehen, daß er nichts beſſeres thun könne, als der jüngeren Kraft Platz zu machen; er ging in's Ausgedinge und lebte noch manches Jahr. Aus alter Gewohnheit nahm er an der Feldarbeit Teil, und ward eine Art von Tagelöhner bei dem eigenen Sohne. Der jetzige Büttnerbauer konnte ſich noch ganz gut auf ihn beſinnen. Ein kleines gebücktes Männchen mit ſchiefer Naſe und rotgerän¬ derten Augen war er geweſen. Sein gelbgraues Haar hatte ihm in langen Strähnen um den Kopf geſtanden. Sonntags pflegte er einen blauen Rock zu tragen, der ihm bis an die Knöchel reichte und eine braun und grün gewürfelte Weſte mit blanken Perlmutterknöpfen. Er wußte den Enkeln mit
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hatte der Mann geſehen. Zweimal waren die Franzoſen durch
Halbenau gekommen und hatten geplündert. Was ſie übrig
gelaſſen, nahmen die Koſacken mit, die als Verbündete kamen,
aber ärger hauſten als die Feinde. Von dieſer Einquartierung
ſollte man ſich noch lange in der Gegend erzählen. Dann
kam gleich nach dem Feinde ein furchtbares Notjahr mit Mi߬
ernte und Hungersnot im Gefolge. Mancher Bauer verließ
in jenen Tagen ſeinen Hof und ging auf das Rittergut, oder
in die Stadt, um Anſtellung zu finden, da er als eigner Wirt
dem ſicheren Verhungern entgegenſah. Da wurde vielfach
lediges Bauernland von der Herrſchaft eingezogen. Der da¬
malige Büttnerbauer ſah es daher als eine Erleichterung an,
als bei der Regulierung ein Drittteil ſeines Gutes der Herr¬
ſchaft Saland zugeſchlagen wurde. Ja, er hätte ſich vielleicht
von dem mächtigen Nachbarn, der ſich aus einem Beſchützer
über Nacht in einen Nebenbuhler verwandelt hatte, ganz aus
ſeinem Beſitze verdrängen laſſen, wenn nicht ſein Sohn ge¬
weſen wäre.
Leberecht Büttner war, im Gegenſatze zu ſeinem Vater,
ein Sohn der neuen Zeit. Er hatte die Freiheitskriege mit
gemacht, als Grenadier. Zweimal war er in Frankreich ge¬
weſen, war mit Erfahrungen und voll Selbſtbewußtſein aus
der weiten Welt in das Heimatsdorf zurückgekehrt.
Zu Hauſe nahm er ſehr bald das Heft in die Hand. Der
Vater beſaß ſoviel Vernunft, um einzuſehen, daß er nichts
beſſeres thun könne, als der jüngeren Kraft Platz zu machen;
er ging in's Ausgedinge und lebte noch manches Jahr. Aus
alter Gewohnheit nahm er an der Feldarbeit Teil, und ward
eine Art von Tagelöhner bei dem eigenen Sohne. Der jetzige
Büttnerbauer konnte ſich noch ganz gut auf ihn beſinnen. Ein
kleines gebücktes Männchen mit ſchiefer Naſe und rotgerän¬
derten Augen war er geweſen. Sein gelbgraues Haar hatte
ihm in langen Strähnen um den Kopf geſtanden. Sonntags
pflegte er einen blauen Rock zu tragen, der ihm bis an die
Knöchel reichte und eine braun und grün gewürfelte Weſte
mit blanken Perlmutterknöpfen. Er wußte den Enkeln mit
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/169>, abgerufen am 29.11.2024.
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