brachte Garn zu neuer Verarbeitung zurück. Sie ver¬ kündete die Nachricht, Büttners Gustav sei heute früh in Halbenau eingetroffen. Pauline erzitterten die Kniee; der Mutter gegenüber stellte sie sich jedoch an, als ob die Nach¬ richt ihr ziemlich gleichgiltig sei. "So!" meinte sie, "da wird er wohl och hierruf kommen in den nächsten Tagen."
Mit dieser äußeren Kühle stimmte der Eifer nicht ganz überein, mit welchem sie Vorbereitungen traf für den Empfang des Gastes. Da wurde gekocht und geschmort. Frau Katschner, welche von der herrschaftlichen Küche her allerhand besondere Künste mitgebracht hatte, mußte auf Bitten der Tochter einen feinen Kuchen backen, zu welchem Pauline selbst die Zuthaten beim Krämer holte. Dann kam das Kind an die Reihe. Es wurde mit dem wollenen Kleidchen angeputzt, das Komtesse Ida der jungen Mutter kürzlich zugeschickt hatte. Schließlich machte auch Pauline sich selbst zurecht, ordnete ihr Haar und steckte die Granatbroche an, die Gustav ihr früher einmal vom Jahrmarkt mitgebracht hatte.
Der Nachmittag zog sich hin in Erwartung des Bräuti¬ gams. Zum Kaffee wird er wohl kommen, dachte Pauline bei sich; daß er zu Hause bei seiner Mutter essen würde, war an¬ zunehmen. Die Vesperzeit verging, er war noch nicht gekommen. Frau Katschner hatte den Kaffee selbst getrunken, damit er nicht umkomme, und den Kuchen weggeschlossen. Es wurde dunkel in der kleinen Stube.
Pauline, die sich den ganzen Tag über lebhafter ge¬ zeigt hatte als gewöhnlich, war still geworden. Sie ent¬ kleidete den kleinen Gustav seiner Festsachen und brachte ihn zur Ruhe in die Kammer. Frau Katschner hatte die Lampe bereits angezündet, als Pauline wieder ins Wohn¬ zimmer trat. "Nu war ar duch ne gekummen, Pauline!" sagte die Mutter, halb mitleidig, halb neugierig, was die Tochter nun anstellen werde; jedenfalls war sie nicht ganz frei von Schadenfreude. Pauline erwiderte nichts; in ihrer gespannten, trostlosen Miene lag alles ausgesprochen. Jetzt hielt sie es nicht mehr der Mühe für wert, der
brachte Garn zu neuer Verarbeitung zurück. Sie ver¬ kündete die Nachricht, Büttners Guſtav ſei heute früh in Halbenau eingetroffen. Pauline erzitterten die Kniee; der Mutter gegenüber ſtellte ſie ſich jedoch an, als ob die Nach¬ richt ihr ziemlich gleichgiltig ſei. „So!“ meinte ſie, „da wird er wohl och hierruf kommen in den nächſten Tagen.“
Mit dieſer äußeren Kühle ſtimmte der Eifer nicht ganz überein, mit welchem ſie Vorbereitungen traf für den Empfang des Gaſtes. Da wurde gekocht und geſchmort. Frau Katſchner, welche von der herrſchaftlichen Küche her allerhand beſondere Künſte mitgebracht hatte, mußte auf Bitten der Tochter einen feinen Kuchen backen, zu welchem Pauline ſelbſt die Zuthaten beim Krämer holte. Dann kam das Kind an die Reihe. Es wurde mit dem wollenen Kleidchen angeputzt, das Komteſſe Ida der jungen Mutter kürzlich zugeſchickt hatte. Schließlich machte auch Pauline ſich ſelbſt zurecht, ordnete ihr Haar und ſteckte die Granatbroche an, die Guſtav ihr früher einmal vom Jahrmarkt mitgebracht hatte.
Der Nachmittag zog ſich hin in Erwartung des Bräuti¬ gams. Zum Kaffee wird er wohl kommen, dachte Pauline bei ſich; daß er zu Hauſe bei ſeiner Mutter eſſen würde, war an¬ zunehmen. Die Veſperzeit verging, er war noch nicht gekommen. Frau Katſchner hatte den Kaffee ſelbſt getrunken, damit er nicht umkomme, und den Kuchen weggeſchloſſen. Es wurde dunkel in der kleinen Stube.
Pauline, die ſich den ganzen Tag über lebhafter ge¬ zeigt hatte als gewöhnlich, war ſtill geworden. Sie ent¬ kleidete den kleinen Guſtav ſeiner Feſtſachen und brachte ihn zur Ruhe in die Kammer. Frau Katſchner hatte die Lampe bereits angezündet, als Pauline wieder ins Wohn¬ zimmer trat. „Nu war ar duch ne gekummen, Pauline!“ ſagte die Mutter, halb mitleidig, halb neugierig, was die Tochter nun anſtellen werde; jedenfalls war ſie nicht ganz frei von Schadenfreude. Pauline erwiderte nichts; in ihrer geſpannten, troſtloſen Miene lag alles ausgeſprochen. Jetzt hielt ſie es nicht mehr der Mühe für wert, der
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0154"n="140"/>
brachte Garn zu neuer Verarbeitung zurück. Sie ver¬<lb/>
kündete die Nachricht, Büttners Guſtav ſei heute früh in<lb/>
Halbenau eingetroffen. Pauline erzitterten die Kniee; der<lb/>
Mutter gegenüber ſtellte ſie ſich jedoch an, als ob die Nach¬<lb/>
richt ihr ziemlich gleichgiltig ſei. „So!“ meinte ſie, „da wird<lb/>
er wohl och hierruf kommen in den nächſten Tagen.“</p><lb/><p>Mit dieſer äußeren Kühle ſtimmte der Eifer nicht ganz<lb/>
überein, mit welchem ſie Vorbereitungen traf für den Empfang<lb/>
des Gaſtes. Da wurde gekocht und geſchmort. Frau<lb/>
Katſchner, welche von der herrſchaftlichen Küche her allerhand<lb/>
beſondere Künſte mitgebracht hatte, mußte auf Bitten der<lb/>
Tochter einen feinen Kuchen backen, zu welchem Pauline ſelbſt<lb/>
die Zuthaten beim Krämer holte. Dann kam das Kind an die<lb/>
Reihe. Es wurde mit dem wollenen Kleidchen angeputzt, das<lb/>
Komteſſe Ida der jungen Mutter kürzlich zugeſchickt hatte.<lb/>
Schließlich machte auch Pauline ſich ſelbſt zurecht, ordnete ihr<lb/>
Haar und ſteckte die Granatbroche an, die Guſtav ihr früher<lb/>
einmal vom Jahrmarkt mitgebracht hatte.</p><lb/><p>Der Nachmittag zog ſich hin in Erwartung des Bräuti¬<lb/>
gams. Zum Kaffee wird er wohl kommen, dachte Pauline bei<lb/>ſich; daß er zu Hauſe bei ſeiner Mutter eſſen würde, war an¬<lb/>
zunehmen. Die Veſperzeit verging, er war noch nicht gekommen.<lb/>
Frau Katſchner hatte den Kaffee ſelbſt getrunken, damit er<lb/>
nicht umkomme, und den Kuchen weggeſchloſſen. Es wurde<lb/>
dunkel in der kleinen Stube.</p><lb/><p>Pauline, die ſich den ganzen Tag über lebhafter ge¬<lb/>
zeigt hatte als gewöhnlich, war ſtill geworden. Sie ent¬<lb/>
kleidete den kleinen Guſtav ſeiner Feſtſachen und brachte<lb/>
ihn zur Ruhe in die Kammer. Frau Katſchner hatte die<lb/>
Lampe bereits angezündet, als Pauline wieder ins Wohn¬<lb/>
zimmer trat. „Nu war ar duch ne gekummen, Pauline!“<lb/>ſagte die Mutter, halb mitleidig, halb neugierig, was<lb/>
die Tochter nun anſtellen werde; jedenfalls war ſie nicht<lb/>
ganz frei von Schadenfreude. Pauline erwiderte nichts; in<lb/>
ihrer geſpannten, troſtloſen Miene lag alles ausgeſprochen.<lb/>
Jetzt hielt ſie es nicht mehr der Mühe für wert, der<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[140/0154]
brachte Garn zu neuer Verarbeitung zurück. Sie ver¬
kündete die Nachricht, Büttners Guſtav ſei heute früh in
Halbenau eingetroffen. Pauline erzitterten die Kniee; der
Mutter gegenüber ſtellte ſie ſich jedoch an, als ob die Nach¬
richt ihr ziemlich gleichgiltig ſei. „So!“ meinte ſie, „da wird
er wohl och hierruf kommen in den nächſten Tagen.“
Mit dieſer äußeren Kühle ſtimmte der Eifer nicht ganz
überein, mit welchem ſie Vorbereitungen traf für den Empfang
des Gaſtes. Da wurde gekocht und geſchmort. Frau
Katſchner, welche von der herrſchaftlichen Küche her allerhand
beſondere Künſte mitgebracht hatte, mußte auf Bitten der
Tochter einen feinen Kuchen backen, zu welchem Pauline ſelbſt
die Zuthaten beim Krämer holte. Dann kam das Kind an die
Reihe. Es wurde mit dem wollenen Kleidchen angeputzt, das
Komteſſe Ida der jungen Mutter kürzlich zugeſchickt hatte.
Schließlich machte auch Pauline ſich ſelbſt zurecht, ordnete ihr
Haar und ſteckte die Granatbroche an, die Guſtav ihr früher
einmal vom Jahrmarkt mitgebracht hatte.
Der Nachmittag zog ſich hin in Erwartung des Bräuti¬
gams. Zum Kaffee wird er wohl kommen, dachte Pauline bei
ſich; daß er zu Hauſe bei ſeiner Mutter eſſen würde, war an¬
zunehmen. Die Veſperzeit verging, er war noch nicht gekommen.
Frau Katſchner hatte den Kaffee ſelbſt getrunken, damit er
nicht umkomme, und den Kuchen weggeſchloſſen. Es wurde
dunkel in der kleinen Stube.
Pauline, die ſich den ganzen Tag über lebhafter ge¬
zeigt hatte als gewöhnlich, war ſtill geworden. Sie ent¬
kleidete den kleinen Guſtav ſeiner Feſtſachen und brachte
ihn zur Ruhe in die Kammer. Frau Katſchner hatte die
Lampe bereits angezündet, als Pauline wieder ins Wohn¬
zimmer trat. „Nu war ar duch ne gekummen, Pauline!“
ſagte die Mutter, halb mitleidig, halb neugierig, was
die Tochter nun anſtellen werde; jedenfalls war ſie nicht
ganz frei von Schadenfreude. Pauline erwiderte nichts; in
ihrer geſpannten, troſtloſen Miene lag alles ausgeſprochen.
Jetzt hielt ſie es nicht mehr der Mühe für wert, der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/154>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.