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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Er wollte zur Thür. Die Bäuerin lief ihm nach, hielt
ihn, beschwor ihn, flehte, er möge bleiben.

"Aber, bitte, dann etwas plötzlich! Wenn Sie noch was
wollen. Zeit ist Geld."

Das Ehepaar beriet von neuem. Der alte Mann erschien
wie schwachsinnig. Er sagte zu allem, was ihm die Frau
vorschlug, ein klägliches "Ich weeß nischt, ich weeß nischt!"

"Ich will Ihnen mal was vorschlagen!" meinte der junge
Schmeiß, "damit wir mit dieser Sache endlich zu einem
Resultate kommen; denn es fängt nachgerade an, mich zu
ennuyieren! -- Geben Sie mir, was Sie an barem Gelde im
Hause haben. Für den Rest schreiben Sie mir ein neues
Accept, verstehen Sie. Der Wechsel mag laufen bis Ultimo
Dezember. Dafür nehme ich natürlich Zinsen. Zehn Prozent
ist mein Satz bei Dreimonatsaccepten und drei Prozent Pro¬
vision. Das ist noch sehr koulant, in Anbetracht dessen, daß
Ihre Bonität zweifelhaft ist. -- Also, einverstanden?"

Der Bauer hatte nichts begriffen; nur soviel glaubte er
zu verstehen, daß er von der Gefahr einer Klage befreit
werden sollte. Er eilte nach seinem geheimen Kasten, schloß
auf und zählte mit zitternden Händen auf den Tisch, was er
an Geld dort vorgefunden hatte. Es kam um eine Kleinigkeit
mehr als hundertundzwanzig Mark zusammen. Edmund
Schmeiß zählte die Reihen blanker Thaler noch einmal durch.
Den Rest von kleinerer Münze schob er dem Bauern hin.
"Nickel nehme ich nicht!" Dann nahm er einen goldenen Blei¬
stift zur Hand, der an seiner Uhrkette befestigt war, und be¬
gann Zahlen niederzuschreiben. "Also hundertundzwanzig
Mark per Kassa erhalten. Bleiben zweihundertundachtzig Mark
in Schuld. Nicht wahr, Herr Büttner?" Der Bauer bejahte
nach einigem Überlegen. "Mit Zinsen und Kosten, Sie ver¬
stehen: Provision und Depotzinsen für Harrassowitz und mich,
alles in allem dreihundertundsechzig Mark. Soviel sind Sie
mir also nach Zahlung der hundertundzwanzig noch schuldig.
Dreihundertundsechzig. Bitte, sich die Zahl zu merken! Nun¬
mehr geben Sie mir ein neues Accept über die eben genannte

9 *

Er wollte zur Thür. Die Bäuerin lief ihm nach, hielt
ihn, beſchwor ihn, flehte, er möge bleiben.

„Aber, bitte, dann etwas plötzlich! Wenn Sie noch was
wollen. Zeit iſt Geld.“

Das Ehepaar beriet von neuem. Der alte Mann erſchien
wie ſchwachſinnig. Er ſagte zu allem, was ihm die Frau
vorſchlug, ein klägliches „Ich weeß niſcht, ich weeß niſcht!“

„Ich will Ihnen mal was vorſchlagen!“ meinte der junge
Schmeiß, „damit wir mit dieſer Sache endlich zu einem
Reſultate kommen; denn es fängt nachgerade an, mich zu
ennuyieren! — Geben Sie mir, was Sie an barem Gelde im
Hauſe haben. Für den Reſt ſchreiben Sie mir ein neues
Accept, verſtehen Sie. Der Wechſel mag laufen bis Ultimo
Dezember. Dafür nehme ich natürlich Zinſen. Zehn Prozent
iſt mein Satz bei Dreimonatsaccepten und drei Prozent Pro¬
viſion. Das iſt noch ſehr koulant, in Anbetracht deſſen, daß
Ihre Bonität zweifelhaft iſt. — Alſo, einverſtanden?“

Der Bauer hatte nichts begriffen; nur ſoviel glaubte er
zu verſtehen, daß er von der Gefahr einer Klage befreit
werden ſollte. Er eilte nach ſeinem geheimen Kaſten, ſchloß
auf und zählte mit zitternden Händen auf den Tiſch, was er
an Geld dort vorgefunden hatte. Es kam um eine Kleinigkeit
mehr als hundertundzwanzig Mark zuſammen. Edmund
Schmeiß zählte die Reihen blanker Thaler noch einmal durch.
Den Reſt von kleinerer Münze ſchob er dem Bauern hin.
„Nickel nehme ich nicht!“ Dann nahm er einen goldenen Blei¬
ſtift zur Hand, der an ſeiner Uhrkette befeſtigt war, und be¬
gann Zahlen niederzuſchreiben. „Alſo hundertundzwanzig
Mark per Kaſſa erhalten. Bleiben zweihundertundachtzig Mark
in Schuld. Nicht wahr, Herr Büttner?“ Der Bauer bejahte
nach einigem Überlegen. „Mit Zinſen und Koſten, Sie ver¬
ſtehen: Proviſion und Depotzinſen für Harraſſowitz und mich,
alles in allem dreihundertundſechzig Mark. Soviel ſind Sie
mir alſo nach Zahlung der hundertundzwanzig noch ſchuldig.
Dreihundertundſechzig. Bitte, ſich die Zahl zu merken! Nun¬
mehr geben Sie mir ein neues Accept über die eben genannte

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[131/0145] Er wollte zur Thür. Die Bäuerin lief ihm nach, hielt ihn, beſchwor ihn, flehte, er möge bleiben. „Aber, bitte, dann etwas plötzlich! Wenn Sie noch was wollen. Zeit iſt Geld.“ Das Ehepaar beriet von neuem. Der alte Mann erſchien wie ſchwachſinnig. Er ſagte zu allem, was ihm die Frau vorſchlug, ein klägliches „Ich weeß niſcht, ich weeß niſcht!“ „Ich will Ihnen mal was vorſchlagen!“ meinte der junge Schmeiß, „damit wir mit dieſer Sache endlich zu einem Reſultate kommen; denn es fängt nachgerade an, mich zu ennuyieren! — Geben Sie mir, was Sie an barem Gelde im Hauſe haben. Für den Reſt ſchreiben Sie mir ein neues Accept, verſtehen Sie. Der Wechſel mag laufen bis Ultimo Dezember. Dafür nehme ich natürlich Zinſen. Zehn Prozent iſt mein Satz bei Dreimonatsaccepten und drei Prozent Pro¬ viſion. Das iſt noch ſehr koulant, in Anbetracht deſſen, daß Ihre Bonität zweifelhaft iſt. — Alſo, einverſtanden?“ Der Bauer hatte nichts begriffen; nur ſoviel glaubte er zu verſtehen, daß er von der Gefahr einer Klage befreit werden ſollte. Er eilte nach ſeinem geheimen Kaſten, ſchloß auf und zählte mit zitternden Händen auf den Tiſch, was er an Geld dort vorgefunden hatte. Es kam um eine Kleinigkeit mehr als hundertundzwanzig Mark zuſammen. Edmund Schmeiß zählte die Reihen blanker Thaler noch einmal durch. Den Reſt von kleinerer Münze ſchob er dem Bauern hin. „Nickel nehme ich nicht!“ Dann nahm er einen goldenen Blei¬ ſtift zur Hand, der an ſeiner Uhrkette befeſtigt war, und be¬ gann Zahlen niederzuſchreiben. „Alſo hundertundzwanzig Mark per Kaſſa erhalten. Bleiben zweihundertundachtzig Mark in Schuld. Nicht wahr, Herr Büttner?“ Der Bauer bejahte nach einigem Überlegen. „Mit Zinſen und Koſten, Sie ver¬ ſtehen: Proviſion und Depotzinſen für Harraſſowitz und mich, alles in allem dreihundertundſechzig Mark. Soviel ſind Sie mir alſo nach Zahlung der hundertundzwanzig noch ſchuldig. Dreihundertundſechzig. Bitte, ſich die Zahl zu merken! Nun¬ mehr geben Sie mir ein neues Accept über die eben genannte 9 *

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/145>, abgerufen am 27.11.2024.