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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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meenen Mann a Brinkel Zeit lan. Mir versprachen och und
mir wern uns Mihe gahn, mir wern alles abzahlen -- mit
dar Zeet."

Edmund Schmeiß erwiderte in kühlem Tone: Das kenne
er schon. Darauf könne er sich nicht einlassen. Er habe den
Wechsel als einen ,feinen' gekauft. Harrassowitz habe ihm gesagt,
Herr Büttner sei ein solider Mann. Er habe sicher darauf
gerechnet, heute sein Geld zu erhalten; habe sich mit anderen
Geschäften schon darauf eingerichtet. Er müsse daher Deckung
verlangen. Falls er sie nicht erlange, sehe er sich genötigt, den
Rechtsweg zu beschreiten.

"Se wern uns doch ne verklag'n wulln?" rief die
Bäuerin entsetzt aus.

Das sei sein gutes Recht, erwiderte der junge Mann.

"Herr Gutt, in Deinen Himmel droben!" rief die Frau.
Sie griff sich an den Mund mit zitternden Fingern, jammerte,
leise vor sich hin weinend: "Moan, Moan, was sull denne
anu aus uns warn!" Der Bauer stöhnte.

Eine namenlose Angst hatte sich der beiden alten Leute
bemächtigt. Ihre Begriffe vom Rechte waren äußerst verwirrte.
Hinter jeder Klage drohte ihnen gleich das Gefängnis. Dem
Richter wie dem Advokaten stand man gleichmäßig schutzlos
gegenüber. Sie sahen bereits im Geiste den Gerichtsvollzieher
ihre letzte Kuh aus dem Stalle führen. Wenn jener es zur
Klage trieb, dann war alles verloren.

Der wackere Büttnerbauer, der in zwei Feldzügen manche
Probe von Beherztheit abgelegt hatte, zitterte wie Espenlaub.
Aller Witz schien den sonst besonnenen Mann verlassen zu haben.
Mit angstvergrößerten Augen, haltlos, jeder Würde vergessend,
hing er, der Sechziger, an den Mienen und Blicken dieses
jungen Menschen, in dessen Wohlgefallen er sein Geschick be¬
schlossen glaubte.

Edmund Schmeiß zog eine umfangreiche goldene Cylinder¬
uhr, deren Deckel er aufspringen ließ. "Ich muß fort!"
rief er, "draußen wartet eine Dame auf mich. Adjeu, Herr¬
schaften!"

meenen Mann a Brinkel Zeit lan. Mir verſprachen och und
mir wern uns Mihe gahn, mir wern alles abzahlen — mit
dar Zeet.“

Edmund Schmeiß erwiderte in kühlem Tone: Das kenne
er ſchon. Darauf könne er ſich nicht einlaſſen. Er habe den
Wechſel als einen ‚feinen‘ gekauft. Harraſſowitz habe ihm geſagt,
Herr Büttner ſei ein ſolider Mann. Er habe ſicher darauf
gerechnet, heute ſein Geld zu erhalten; habe ſich mit anderen
Geſchäften ſchon darauf eingerichtet. Er müſſe daher Deckung
verlangen. Falls er ſie nicht erlange, ſehe er ſich genötigt, den
Rechtsweg zu beſchreiten.

„Se wern uns doch ne verklag'n wulln?“ rief die
Bäuerin entſetzt aus.

Das ſei ſein gutes Recht, erwiderte der junge Mann.

„Herr Gutt, in Deinen Himmel droben!“ rief die Frau.
Sie griff ſich an den Mund mit zitternden Fingern, jammerte,
leiſe vor ſich hin weinend: „Moan, Moan, was ſull denne
anu aus uns warn!“ Der Bauer ſtöhnte.

Eine namenloſe Angſt hatte ſich der beiden alten Leute
bemächtigt. Ihre Begriffe vom Rechte waren äußerſt verwirrte.
Hinter jeder Klage drohte ihnen gleich das Gefängnis. Dem
Richter wie dem Advokaten ſtand man gleichmäßig ſchutzlos
gegenüber. Sie ſahen bereits im Geiſte den Gerichtsvollzieher
ihre letzte Kuh aus dem Stalle führen. Wenn jener es zur
Klage trieb, dann war alles verloren.

Der wackere Büttnerbauer, der in zwei Feldzügen manche
Probe von Beherztheit abgelegt hatte, zitterte wie Eſpenlaub.
Aller Witz ſchien den ſonſt beſonnenen Mann verlaſſen zu haben.
Mit angſtvergrößerten Augen, haltlos, jeder Würde vergeſſend,
hing er, der Sechziger, an den Mienen und Blicken dieſes
jungen Menſchen, in deſſen Wohlgefallen er ſein Geſchick be¬
ſchloſſen glaubte.

Edmund Schmeiß zog eine umfangreiche goldene Cylinder¬
uhr, deren Deckel er aufſpringen ließ. „Ich muß fort!“
rief er, „draußen wartet eine Dame auf mich. Adjeu, Herr¬
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[130/0144] meenen Mann a Brinkel Zeit lan. Mir verſprachen och und mir wern uns Mihe gahn, mir wern alles abzahlen — mit dar Zeet.“ Edmund Schmeiß erwiderte in kühlem Tone: Das kenne er ſchon. Darauf könne er ſich nicht einlaſſen. Er habe den Wechſel als einen ‚feinen‘ gekauft. Harraſſowitz habe ihm geſagt, Herr Büttner ſei ein ſolider Mann. Er habe ſicher darauf gerechnet, heute ſein Geld zu erhalten; habe ſich mit anderen Geſchäften ſchon darauf eingerichtet. Er müſſe daher Deckung verlangen. Falls er ſie nicht erlange, ſehe er ſich genötigt, den Rechtsweg zu beſchreiten. „Se wern uns doch ne verklag'n wulln?“ rief die Bäuerin entſetzt aus. Das ſei ſein gutes Recht, erwiderte der junge Mann. „Herr Gutt, in Deinen Himmel droben!“ rief die Frau. Sie griff ſich an den Mund mit zitternden Fingern, jammerte, leiſe vor ſich hin weinend: „Moan, Moan, was ſull denne anu aus uns warn!“ Der Bauer ſtöhnte. Eine namenloſe Angſt hatte ſich der beiden alten Leute bemächtigt. Ihre Begriffe vom Rechte waren äußerſt verwirrte. Hinter jeder Klage drohte ihnen gleich das Gefängnis. Dem Richter wie dem Advokaten ſtand man gleichmäßig ſchutzlos gegenüber. Sie ſahen bereits im Geiſte den Gerichtsvollzieher ihre letzte Kuh aus dem Stalle führen. Wenn jener es zur Klage trieb, dann war alles verloren. Der wackere Büttnerbauer, der in zwei Feldzügen manche Probe von Beherztheit abgelegt hatte, zitterte wie Eſpenlaub. Aller Witz ſchien den ſonſt beſonnenen Mann verlaſſen zu haben. Mit angſtvergrößerten Augen, haltlos, jeder Würde vergeſſend, hing er, der Sechziger, an den Mienen und Blicken dieſes jungen Menſchen, in deſſen Wohlgefallen er ſein Geſchick be¬ ſchloſſen glaubte. Edmund Schmeiß zog eine umfangreiche goldene Cylinder¬ uhr, deren Deckel er aufſpringen ließ. „Ich muß fort!“ rief er, „draußen wartet eine Dame auf mich. Adjeu, Herr¬ ſchaften!“

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/144>, abgerufen am 23.11.2024.