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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Recht auffaßte. Darauf Beschwerde von Seiten der Gemeinde
beim Landrat. Das Amt dekretierte, der Bauer habe das
Geländer bis zu einem bestimmten Zeitpunkte herzustellen. Der
Bauer ließ den Zeitraum verstreichen, ohne einen Finger zu
rühren. Hierauf Strafverfügung von Seiten der Behörde. Der
Bauer schimpfte und tobte; aber hier half all sein Sperren
nichts. Er hatte sich selbst ins Unrecht gesetzt. Das Anbe¬
fohlene mußte schließlich ausgeführt werden, und Strafe hatte
er obendrein zu zahlen.

So that er in allem gerade das, was ihn am meisten
schädigen mußte. Es war als ob der Teufel den alten
Mann geblendet hätte. Die Bäuerin hatte nicht so ganz
Unrecht mit ihrer Klage, daß ihr Bauer behext worden sein
müsse.

Es gab in der That ein Schreckgespenst, das dem Bauern
im Rücken saß, ein Währwolf, der ihn ritt, daß er halb wahn¬
sinnig, nicht mehr wußte, wo ein und aus.

Seit er dem Händler den Wechsel unterschrieben, hatte
der Büttnerbauer keine ruhige Stunde mehr gehabt. Kaum
war Harrassowitz zum Hause hinaus gewesen, hätte er ihn zu¬
rückrufen mögen, ihm sein Geld zurückzugeben.

Dabei hegte er keinerlei bestimmten Verdacht gegen
Harrassowitz. Er hatte den Händler nicht anders als freund¬
lich und zuvorkommend kennen gelernt. Aber das Bewußsein, daß
es einen Menschen auf der Welt gab, von dem er abhängig
war, der einen Zettel besaß, auf dem sein Name stand, und
der durch diesen Fetzen Papier sein Schicksal in Händen hielt,
das war der Alp, der auf dem Manne lastete, das war das
unheimliche Gespenst, das des Tages plötzlich vor ihm auf¬
tauchte, ihn besaß, wo er ging und stand, und ihn des Nachts
vom Lager aufscheuchte.

In der ersten Zeit, als der Verfallstermin noch in weitem
Felde stand, hatte er sich der Hoffnung auf einen guten Aus¬
gang nicht verschlossen. Wenn die Ernte gut ausfiel, wenn
hohe Preise wurden! Er hatte doch in anderen Jahren manchmal
aus dem Roggen allein an zweitausend Mark erzielt. Warum

Recht auffaßte. Darauf Beſchwerde von Seiten der Gemeinde
beim Landrat. Das Amt dekretierte, der Bauer habe das
Geländer bis zu einem beſtimmten Zeitpunkte herzuſtellen. Der
Bauer ließ den Zeitraum verſtreichen, ohne einen Finger zu
rühren. Hierauf Strafverfügung von Seiten der Behörde. Der
Bauer ſchimpfte und tobte; aber hier half all ſein Sperren
nichts. Er hatte ſich ſelbſt ins Unrecht geſetzt. Das Anbe¬
fohlene mußte ſchließlich ausgeführt werden, und Strafe hatte
er obendrein zu zahlen.

So that er in allem gerade das, was ihn am meiſten
ſchädigen mußte. Es war als ob der Teufel den alten
Mann geblendet hätte. Die Bäuerin hatte nicht ſo ganz
Unrecht mit ihrer Klage, daß ihr Bauer behext worden ſein
müſſe.

Es gab in der That ein Schreckgeſpenſt, das dem Bauern
im Rücken ſaß, ein Währwolf, der ihn ritt, daß er halb wahn¬
ſinnig, nicht mehr wußte, wo ein und aus.

Seit er dem Händler den Wechſel unterſchrieben, hatte
der Büttnerbauer keine ruhige Stunde mehr gehabt. Kaum
war Harraſſowitz zum Hauſe hinaus geweſen, hätte er ihn zu¬
rückrufen mögen, ihm ſein Geld zurückzugeben.

Dabei hegte er keinerlei beſtimmten Verdacht gegen
Harraſſowitz. Er hatte den Händler nicht anders als freund¬
lich und zuvorkommend kennen gelernt. Aber das Bewußſein, daß
es einen Menſchen auf der Welt gab, von dem er abhängig
war, der einen Zettel beſaß, auf dem ſein Name ſtand, und
der durch dieſen Fetzen Papier ſein Schickſal in Händen hielt,
das war der Alp, der auf dem Manne laſtete, das war das
unheimliche Geſpenſt, das des Tages plötzlich vor ihm auf¬
tauchte, ihn beſaß, wo er ging und ſtand, und ihn des Nachts
vom Lager aufſcheuchte.

In der erſten Zeit, als der Verfallstermin noch in weitem
Felde ſtand, hatte er ſich der Hoffnung auf einen guten Aus¬
gang nicht verſchloſſen. Wenn die Ernte gut ausfiel, wenn
hohe Preiſe wurden! Er hatte doch in anderen Jahren manchmal
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[121/0135] Recht auffaßte. Darauf Beſchwerde von Seiten der Gemeinde beim Landrat. Das Amt dekretierte, der Bauer habe das Geländer bis zu einem beſtimmten Zeitpunkte herzuſtellen. Der Bauer ließ den Zeitraum verſtreichen, ohne einen Finger zu rühren. Hierauf Strafverfügung von Seiten der Behörde. Der Bauer ſchimpfte und tobte; aber hier half all ſein Sperren nichts. Er hatte ſich ſelbſt ins Unrecht geſetzt. Das Anbe¬ fohlene mußte ſchließlich ausgeführt werden, und Strafe hatte er obendrein zu zahlen. So that er in allem gerade das, was ihn am meiſten ſchädigen mußte. Es war als ob der Teufel den alten Mann geblendet hätte. Die Bäuerin hatte nicht ſo ganz Unrecht mit ihrer Klage, daß ihr Bauer behext worden ſein müſſe. Es gab in der That ein Schreckgeſpenſt, das dem Bauern im Rücken ſaß, ein Währwolf, der ihn ritt, daß er halb wahn¬ ſinnig, nicht mehr wußte, wo ein und aus. Seit er dem Händler den Wechſel unterſchrieben, hatte der Büttnerbauer keine ruhige Stunde mehr gehabt. Kaum war Harraſſowitz zum Hauſe hinaus geweſen, hätte er ihn zu¬ rückrufen mögen, ihm ſein Geld zurückzugeben. Dabei hegte er keinerlei beſtimmten Verdacht gegen Harraſſowitz. Er hatte den Händler nicht anders als freund¬ lich und zuvorkommend kennen gelernt. Aber das Bewußſein, daß es einen Menſchen auf der Welt gab, von dem er abhängig war, der einen Zettel beſaß, auf dem ſein Name ſtand, und der durch dieſen Fetzen Papier ſein Schickſal in Händen hielt, das war der Alp, der auf dem Manne laſtete, das war das unheimliche Geſpenſt, das des Tages plötzlich vor ihm auf¬ tauchte, ihn beſaß, wo er ging und ſtand, und ihn des Nachts vom Lager aufſcheuchte. In der erſten Zeit, als der Verfallstermin noch in weitem Felde ſtand, hatte er ſich der Hoffnung auf einen guten Aus¬ gang nicht verſchloſſen. Wenn die Ernte gut ausfiel, wenn hohe Preiſe wurden! Er hatte doch in anderen Jahren manchmal aus dem Roggen allein an zweitauſend Mark erzielt. Warum

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/135>, abgerufen am 23.11.2024.