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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Auch dem Gange der Wirtschaft war anzumerken, daß ver¬
hängnisvolle Wandlungen vor sich gegangen waren.

Ein unstätes Wesen machte sich in allem geltend. Über
Gebühr zeitig mußte aufgestanden werden, so daß die überan¬
strengten Menschen des Abends todmüde waren, und ohne Lust
und Liebe am nächsten Tage sich zur Arbeit erhoben. Am
unrechten Flecke wurde gespart. Der Bäuerin warf der Bauer
Verschwendung vor, wenn sie reichlich und gut kochte; die
Folge war, daß fortan mageres Essen auf den Tisch kam,
und daß sich die Seinen hinter seinem Rücken satt aßen. Auch
dem Vieh wollte er vom Futter abknapsen. Die Pferde,
welche Hafer kaum mehr zu sehen bekamen, sollten doch
doppelte Arbeit leisten. Er, der früher bekannt gewesen war,
als Heger und Pfleger seines Viehes, mußte es erleben, daß
ihm, als er mit den abgetriebenen Mähren durchs Dorf
fuhr, das verfängliche Wort: "Pferdeschinder!" nachgerufen
wurde.

Dabei gönnte er sich selbst am wenigsten Ruhe von allen,
plagte und schand sich in gottserbärmlicher Weise. Hohläugig
und ausgemergelt lief er einher, daß es ein Jammer war,
anzusehen. Manchmal überfiel ihn, besonders bei der Mahl¬
zeit, eine Schlafsucht, der er nachgeben mußte, er mochte wollen
oder nicht. In der Kirche, wo er früher stets zu den Auf¬
merksamsten gehört hatte, schlief er jetzt schon im ersten
Teile der Predigt ein. Des Nachts dagegen wachte er oft,
erschreckte die Bäuerin durch Selbstgespräche und wildes Auf¬
schreien.

Jemehr er seine Kräfte nachgeben fühlte, desto ver¬
zweifelter versteifte er sich darauf, seinen Willen durchzu¬
setzen. Plötzlich überkam ihn eine Art von Zwangsvorstellung.
Da warf er sich mit allen Arbeitskräften, die ihm zur
Verfügung standen, auf die Urbarmachung einer Halde,
die von einem eingegangenen Steinbruch zurückgeblieben
war. Die Seinigen hielten ihm vor, daß man ja genug
Ackerland besitze und daß die Arbeit zur Zeit an anderen
Stellen brennend notwendig sei. Aber, mit solchen Einwänden

Auch dem Gange der Wirtſchaft war anzumerken, daß ver¬
hängnisvolle Wandlungen vor ſich gegangen waren.

Ein unſtätes Weſen machte ſich in allem geltend. Über
Gebühr zeitig mußte aufgeſtanden werden, ſo daß die überan¬
ſtrengten Menſchen des Abends todmüde waren, und ohne Luſt
und Liebe am nächſten Tage ſich zur Arbeit erhoben. Am
unrechten Flecke wurde geſpart. Der Bäuerin warf der Bauer
Verſchwendung vor, wenn ſie reichlich und gut kochte; die
Folge war, daß fortan mageres Eſſen auf den Tiſch kam,
und daß ſich die Seinen hinter ſeinem Rücken ſatt aßen. Auch
dem Vieh wollte er vom Futter abknapſen. Die Pferde,
welche Hafer kaum mehr zu ſehen bekamen, ſollten doch
doppelte Arbeit leiſten. Er, der früher bekannt geweſen war,
als Heger und Pfleger ſeines Viehes, mußte es erleben, daß
ihm, als er mit den abgetriebenen Mähren durchs Dorf
fuhr, das verfängliche Wort: „Pferdeſchinder!“ nachgerufen
wurde.

Dabei gönnte er ſich ſelbſt am wenigſten Ruhe von allen,
plagte und ſchand ſich in gottserbärmlicher Weiſe. Hohläugig
und ausgemergelt lief er einher, daß es ein Jammer war,
anzuſehen. Manchmal überfiel ihn, beſonders bei der Mahl¬
zeit, eine Schlafſucht, der er nachgeben mußte, er mochte wollen
oder nicht. In der Kirche, wo er früher ſtets zu den Auf¬
merkſamſten gehört hatte, ſchlief er jetzt ſchon im erſten
Teile der Predigt ein. Des Nachts dagegen wachte er oft,
erſchreckte die Bäuerin durch Selbſtgeſpräche und wildes Auf¬
ſchreien.

Jemehr er ſeine Kräfte nachgeben fühlte, deſto ver¬
zweifelter verſteifte er ſich darauf, ſeinen Willen durchzu¬
ſetzen. Plötzlich überkam ihn eine Art von Zwangsvorſtellung.
Da warf er ſich mit allen Arbeitskräften, die ihm zur
Verfügung ſtanden, auf die Urbarmachung einer Halde,
die von einem eingegangenen Steinbruch zurückgeblieben
war. Die Seinigen hielten ihm vor, daß man ja genug
Ackerland beſitze und daß die Arbeit zur Zeit an anderen
Stellen brennend notwendig ſei. Aber, mit ſolchen Einwänden

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[119/0133] Auch dem Gange der Wirtſchaft war anzumerken, daß ver¬ hängnisvolle Wandlungen vor ſich gegangen waren. Ein unſtätes Weſen machte ſich in allem geltend. Über Gebühr zeitig mußte aufgeſtanden werden, ſo daß die überan¬ ſtrengten Menſchen des Abends todmüde waren, und ohne Luſt und Liebe am nächſten Tage ſich zur Arbeit erhoben. Am unrechten Flecke wurde geſpart. Der Bäuerin warf der Bauer Verſchwendung vor, wenn ſie reichlich und gut kochte; die Folge war, daß fortan mageres Eſſen auf den Tiſch kam, und daß ſich die Seinen hinter ſeinem Rücken ſatt aßen. Auch dem Vieh wollte er vom Futter abknapſen. Die Pferde, welche Hafer kaum mehr zu ſehen bekamen, ſollten doch doppelte Arbeit leiſten. Er, der früher bekannt geweſen war, als Heger und Pfleger ſeines Viehes, mußte es erleben, daß ihm, als er mit den abgetriebenen Mähren durchs Dorf fuhr, das verfängliche Wort: „Pferdeſchinder!“ nachgerufen wurde. Dabei gönnte er ſich ſelbſt am wenigſten Ruhe von allen, plagte und ſchand ſich in gottserbärmlicher Weiſe. Hohläugig und ausgemergelt lief er einher, daß es ein Jammer war, anzuſehen. Manchmal überfiel ihn, beſonders bei der Mahl¬ zeit, eine Schlafſucht, der er nachgeben mußte, er mochte wollen oder nicht. In der Kirche, wo er früher ſtets zu den Auf¬ merkſamſten gehört hatte, ſchlief er jetzt ſchon im erſten Teile der Predigt ein. Des Nachts dagegen wachte er oft, erſchreckte die Bäuerin durch Selbſtgeſpräche und wildes Auf¬ ſchreien. Jemehr er ſeine Kräfte nachgeben fühlte, deſto ver¬ zweifelter verſteifte er ſich darauf, ſeinen Willen durchzu¬ ſetzen. Plötzlich überkam ihn eine Art von Zwangsvorſtellung. Da warf er ſich mit allen Arbeitskräften, die ihm zur Verfügung ſtanden, auf die Urbarmachung einer Halde, die von einem eingegangenen Steinbruch zurückgeblieben war. Die Seinigen hielten ihm vor, daß man ja genug Ackerland beſitze und daß die Arbeit zur Zeit an anderen Stellen brennend notwendig ſei. Aber, mit ſolchen Einwänden

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/133>, abgerufen am 23.11.2024.