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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Ida stand noch eine Weile schweigend, mit wogendem
Busen. Allmählich aber fand sie ihre Gemessenheit wieder.
Sie setzte sich, legte ihre schlanke Hand auf Paulinens braun¬
rote derbe. "Da hast Du wohl rechte Freude an Deinem
Jungen, Pauline?"

Pauline konnte nichts sagen, sie nickte stumm.


Ein Brief von Gustav Büttner aus der Garnison war
bei Pauline Katschner eingetroffen. Der Unteroffizier schrieb,
daß er die Absicht habe, nicht weiter zu kapitulieren; so sehr
ihm seine Vorgesetzten auch zuredeten, bei der Truppe zu
bleiben. Die ganze Soldatenspielerei hänge ihm zum Halse
heraus. Nach dem Manöver werde er abgehen und nach
Halbenau kommen. Pauline möchte zu seinen Eltern gehen
und ihnen seinen Entschluß mitteilen.

Pauline war überglücklich. Wie gut Gustav war!

Das Mädchen trug den Brief Tag und Nacht bei sich.
In unbewachten Augenblicken nahm sie ihn vor und las darin.
Jedes seiner Worte war ihr teuer.

Sie hatte sich doch nicht in Gustav getäuscht. Wie oft
hatte ihr die eigene Mutter abgeredet, sich weiter mit ihm
abzugeben, er sei ein Leichtfuß und werde sie ganz sicher sitzen
lassen. Auch andere hatten sie gewarnt.

Gustavs eigenes Benehmen schien eine Zeitlang jenen
Warnern Recht zu geben. Die häßlichsten Dinge waren ihr
von Gustav Büttner hinterbracht worden. Sie hatte an ihm
festgehalten. Sie konnte ja nicht von ihm lassen. Er war ja
der Vater ihres Kindes!

Nun war ihr Vertrauen doch nicht umsonst gewesen.

In diesem Briefe war es ausgesprochen, zwar nicht mit
Worten -- das Heiraten war mit keiner Silbe erwähnt --
aber zwischen den Zeilen lag es. Und Pauline wußte in den
Briefen ihres Geliebten zu lesen. Das einfache Mädchen hatte
von Natur jene weibliche Gabe mitbekommen, dort ahnend zu
wissen, wo ihr Verstehen aufhörte.

Ida ſtand noch eine Weile ſchweigend, mit wogendem
Buſen. Allmählich aber fand ſie ihre Gemeſſenheit wieder.
Sie ſetzte ſich, legte ihre ſchlanke Hand auf Paulinens braun¬
rote derbe. „Da haſt Du wohl rechte Freude an Deinem
Jungen, Pauline?“

Pauline konnte nichts ſagen, ſie nickte ſtumm.


Ein Brief von Guſtav Büttner aus der Garniſon war
bei Pauline Katſchner eingetroffen. Der Unteroffizier ſchrieb,
daß er die Abſicht habe, nicht weiter zu kapitulieren; ſo ſehr
ihm ſeine Vorgeſetzten auch zuredeten, bei der Truppe zu
bleiben. Die ganze Soldatenſpielerei hänge ihm zum Halſe
heraus. Nach dem Manöver werde er abgehen und nach
Halbenau kommen. Pauline möchte zu ſeinen Eltern gehen
und ihnen ſeinen Entſchluß mitteilen.

Pauline war überglücklich. Wie gut Guſtav war!

Das Mädchen trug den Brief Tag und Nacht bei ſich.
In unbewachten Augenblicken nahm ſie ihn vor und las darin.
Jedes ſeiner Worte war ihr teuer.

Sie hatte ſich doch nicht in Guſtav getäuſcht. Wie oft
hatte ihr die eigene Mutter abgeredet, ſich weiter mit ihm
abzugeben, er ſei ein Leichtfuß und werde ſie ganz ſicher ſitzen
laſſen. Auch andere hatten ſie gewarnt.

Guſtavs eigenes Benehmen ſchien eine Zeitlang jenen
Warnern Recht zu geben. Die häßlichſten Dinge waren ihr
von Guſtav Büttner hinterbracht worden. Sie hatte an ihm
feſtgehalten. Sie konnte ja nicht von ihm laſſen. Er war ja
der Vater ihres Kindes!

Nun war ihr Vertrauen doch nicht umſonſt geweſen.

In dieſem Briefe war es ausgeſprochen, zwar nicht mit
Worten — das Heiraten war mit keiner Silbe erwähnt —
aber zwiſchen den Zeilen lag es. Und Pauline wußte in den
Briefen ihres Geliebten zu leſen. Das einfache Mädchen hatte
von Natur jene weibliche Gabe mitbekommen, dort ahnend zu
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[105/0119] Ida ſtand noch eine Weile ſchweigend, mit wogendem Buſen. Allmählich aber fand ſie ihre Gemeſſenheit wieder. Sie ſetzte ſich, legte ihre ſchlanke Hand auf Paulinens braun¬ rote derbe. „Da haſt Du wohl rechte Freude an Deinem Jungen, Pauline?“ Pauline konnte nichts ſagen, ſie nickte ſtumm. Ein Brief von Guſtav Büttner aus der Garniſon war bei Pauline Katſchner eingetroffen. Der Unteroffizier ſchrieb, daß er die Abſicht habe, nicht weiter zu kapitulieren; ſo ſehr ihm ſeine Vorgeſetzten auch zuredeten, bei der Truppe zu bleiben. Die ganze Soldatenſpielerei hänge ihm zum Halſe heraus. Nach dem Manöver werde er abgehen und nach Halbenau kommen. Pauline möchte zu ſeinen Eltern gehen und ihnen ſeinen Entſchluß mitteilen. Pauline war überglücklich. Wie gut Guſtav war! Das Mädchen trug den Brief Tag und Nacht bei ſich. In unbewachten Augenblicken nahm ſie ihn vor und las darin. Jedes ſeiner Worte war ihr teuer. Sie hatte ſich doch nicht in Guſtav getäuſcht. Wie oft hatte ihr die eigene Mutter abgeredet, ſich weiter mit ihm abzugeben, er ſei ein Leichtfuß und werde ſie ganz ſicher ſitzen laſſen. Auch andere hatten ſie gewarnt. Guſtavs eigenes Benehmen ſchien eine Zeitlang jenen Warnern Recht zu geben. Die häßlichſten Dinge waren ihr von Guſtav Büttner hinterbracht worden. Sie hatte an ihm feſtgehalten. Sie konnte ja nicht von ihm laſſen. Er war ja der Vater ihres Kindes! Nun war ihr Vertrauen doch nicht umſonſt geweſen. In dieſem Briefe war es ausgeſprochen, zwar nicht mit Worten — das Heiraten war mit keiner Silbe erwähnt — aber zwiſchen den Zeilen lag es. Und Pauline wußte in den Briefen ihres Geliebten zu leſen. Das einfache Mädchen hatte von Natur jene weibliche Gabe mitbekommen, dort ahnend zu wiſſen, wo ihr Verſtehen aufhörte.

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/119>, abgerufen am 23.11.2024.