Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.ppo_037.001 Ob nun gleich die von dem lyrischen Dichter ppo_037.007 ppo_037.017 Je verschiedener aber die menschlichen Gefühle ppo_037.018 ppo_037.001 Ob nun gleich die von dem lyrischen Dichter ppo_037.007 ppo_037.017 Je verschiedener aber die menschlichen Gefühle ppo_037.018 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0049" n="37"/><lb n="ppo_037.001"/> Haltung vermittelst einer stylistischen Form <lb n="ppo_037.002"/>dargestellt werden, die dem <hi rendition="#g">Gesetze der Form</hi> <lb n="ppo_037.003"/>vollkommen entspricht, und, als vollendete Einheit, <lb n="ppo_037.004"/>Richtigkeit und Schönheit der Form unausflöslich <lb n="ppo_037.005"/>verbindet.</p> <lb n="ppo_037.006"/> <p> Ob nun gleich die von dem lyrischen Dichter <lb n="ppo_037.007"/>als Stoff dargestellten Gefühle ihm <hi rendition="#g">ganz individuell</hi> <lb n="ppo_037.008"/>angehören, so daß sie, nach dieser Gestaltung <lb n="ppo_037.009"/>und Ankündigung, in keinem andern menschlichen <lb n="ppo_037.010"/>Gemüthe entstehen konnten; so erscheinen sie <lb n="ppo_037.011"/>doch, unter der Einheit der dichterischen Form, nach <lb n="ppo_037.012"/>ihrem Zusammenhange mit den höchsten Jdealen der <lb n="ppo_037.013"/>Menschheit, als so geläuterte und rein menschliche <lb n="ppo_037.014"/>Gefühle, daß jedes gebildete Wesen unsrer Gattung <lb n="ppo_037.015"/>in denselben, als in seinen eigenen, sich wieder erkennt.</p> <lb n="ppo_037.016"/> <lb n="ppo_037.017"/> <p> Je verschiedener aber die menschlichen Gefühle <lb n="ppo_037.018"/><hi rendition="#g">theils</hi> an sich nach ihrer <hi rendition="#g">Quelle</hi> als sinnliche, intellectuelle, <lb n="ppo_037.019"/>ästhetische und sittliche Gefühle, <hi rendition="#g">theils</hi> <lb n="ppo_037.020"/>nach dem Grade ihrer individuellen <hi rendition="#g">Stärke</hi> seyn <lb n="ppo_037.021"/>können; desto verschiedener ist auch der <hi rendition="#g">Charakter</hi> <lb n="ppo_037.022"/>der einzelnen lyrischen Gedichte, so wie die Stärke <lb n="ppo_037.023"/>des <hi rendition="#g">Tones</hi> und der ästhetischen Farbengebung in <lb n="ppo_037.024"/>denselben. Denn anders äußert sich das sinnliche <lb n="ppo_037.025"/>Gefühl bei dem Genusse der Liebe und des Weins, <lb n="ppo_037.026"/>als das intellectuelle Gefühl bei der Wahrnehmung <lb n="ppo_037.027"/>der Unermeßlichkeit des Weltalls, und das sittliche <lb n="ppo_037.028"/>Gefühl bei der Vergegenwärtigung unsrer individuellen <lb n="ppo_037.029"/>Fehler und Verirrungen, oder bei der dichterischen <lb n="ppo_037.030"/>Darstellung des Glaubens an Gott und <lb n="ppo_037.031"/>Unsterblichkeit. Wenn daher auch der gemeinsame <lb n="ppo_037.032"/>Charakter <hi rendition="#g">aller</hi> lyrischen Gedichte darauf beruht, <lb n="ppo_037.033"/>daß sie unmittelbare Gefühle unter einer idealischen <lb n="ppo_037.034"/>Darstellung in einer vollendeten stylistischen Form </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [37/0049]
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Haltung vermittelst einer stylistischen Form ppo_037.002
dargestellt werden, die dem Gesetze der Form ppo_037.003
vollkommen entspricht, und, als vollendete Einheit, ppo_037.004
Richtigkeit und Schönheit der Form unausflöslich ppo_037.005
verbindet.
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Ob nun gleich die von dem lyrischen Dichter ppo_037.007
als Stoff dargestellten Gefühle ihm ganz individuell ppo_037.008
angehören, so daß sie, nach dieser Gestaltung ppo_037.009
und Ankündigung, in keinem andern menschlichen ppo_037.010
Gemüthe entstehen konnten; so erscheinen sie ppo_037.011
doch, unter der Einheit der dichterischen Form, nach ppo_037.012
ihrem Zusammenhange mit den höchsten Jdealen der ppo_037.013
Menschheit, als so geläuterte und rein menschliche ppo_037.014
Gefühle, daß jedes gebildete Wesen unsrer Gattung ppo_037.015
in denselben, als in seinen eigenen, sich wieder erkennt.
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Je verschiedener aber die menschlichen Gefühle ppo_037.018
theils an sich nach ihrer Quelle als sinnliche, intellectuelle, ppo_037.019
ästhetische und sittliche Gefühle, theils ppo_037.020
nach dem Grade ihrer individuellen Stärke seyn ppo_037.021
können; desto verschiedener ist auch der Charakter ppo_037.022
der einzelnen lyrischen Gedichte, so wie die Stärke ppo_037.023
des Tones und der ästhetischen Farbengebung in ppo_037.024
denselben. Denn anders äußert sich das sinnliche ppo_037.025
Gefühl bei dem Genusse der Liebe und des Weins, ppo_037.026
als das intellectuelle Gefühl bei der Wahrnehmung ppo_037.027
der Unermeßlichkeit des Weltalls, und das sittliche ppo_037.028
Gefühl bei der Vergegenwärtigung unsrer individuellen ppo_037.029
Fehler und Verirrungen, oder bei der dichterischen ppo_037.030
Darstellung des Glaubens an Gott und ppo_037.031
Unsterblichkeit. Wenn daher auch der gemeinsame ppo_037.032
Charakter aller lyrischen Gedichte darauf beruht, ppo_037.033
daß sie unmittelbare Gefühle unter einer idealischen ppo_037.034
Darstellung in einer vollendeten stylistischen Form
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