Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.

Bild:
<< vorherige Seite

ppo_449.001
reichere Mannigfaltigkeit, Schattirung und Abwechselung ppo_449.002
im Tone und Ausdrucke derselben Gefühle, ppo_449.003
oder die Versinnlichung gewisser einander entgegengesetzter ppo_449.004
Gefühle, Wahrheiten oder Thatsachen ppo_449.005
(die Versinnlichung eines ästhetisch durchgeführten ppo_449.006
Antagonismus) beabsichtigt und bewirkt, ppo_449.007
weil die Verschiedenheit und der Contrast dieser Gefühle, ppo_449.008
Wahrheiten und Thatsachen durch ihre Gegeneinanderstellung ppo_449.009
am bestimmtesten vergegenwärtigt ppo_449.010
wird.

ppo_449.011

So wie aber die poetische Epistel gegen den ppo_449.012
zum Sprachgebiete der Prosa gehörenden Brief sich ppo_449.013
verhält; so verhält sich auch der ästhetische Dialog ppo_449.014
zum gewöhnlichen Gespräche bei der mündlichen Unterhaltung. ppo_449.015
Je specieller nämlich der prosaische ppo_449.016
Brief und die mündliche Unterhaltung sind; desto ppo_449.017
mehr entsprechen sie ihrem Zwecke. Dagegen stellen ppo_449.018
die poetische Epistel und der ästhetische Dialog idealisirte ppo_449.019
Menschen auf, die namentlich im Dialoge ppo_449.020
als Repräsentanten der gesammten Menschheit, oder ppo_449.021
doch als Repräsentanten einzelner Gattungen, Klassen ppo_449.022
und Stände derselben geschildert werden. Daher ppo_449.023
kann der Dialog eben so das Gefühl der Liebe, nach ppo_449.024
seiner verschiedenartigen Ankündigung in den beiden ppo_449.025
Geschlechtern der Menschengattung, wie den Kampf ppo_449.026
zweier einander entgegengesetzten (religiösen oder politischen) ppo_449.027
Ansichten und Systeme darstellen, so, daß ppo_449.028
die schöpferische Einbildungskraft des Dichters besonders ppo_449.029
an der glücklichen Erfindung, gelungenen ppo_449.030
Haltung und erschöpfenden gegenseitigen Stellung ppo_449.031
und Durchführung der Eigenthümlichkeit der einander ppo_449.032
entgegengesetzten Jndividuen und Charaktere, nach ppo_449.033
der Ankündigung ihrer Gefühle, Grundsätze, Ansichten ppo_449.034
und Meinungen, erkannt wird. Ob nun gleich

ppo_449.001
reichere Mannigfaltigkeit, Schattirung und Abwechselung ppo_449.002
im Tone und Ausdrucke derselben Gefühle, ppo_449.003
oder die Versinnlichung gewisser einander entgegengesetzter ppo_449.004
Gefühle, Wahrheiten oder Thatsachen ppo_449.005
(die Versinnlichung eines ästhetisch durchgeführten ppo_449.006
Antagonismus) beabsichtigt und bewirkt, ppo_449.007
weil die Verschiedenheit und der Contrast dieser Gefühle, ppo_449.008
Wahrheiten und Thatsachen durch ihre Gegeneinanderstellung ppo_449.009
am bestimmtesten vergegenwärtigt ppo_449.010
wird.

ppo_449.011

So wie aber die poetische Epistel gegen den ppo_449.012
zum Sprachgebiete der Prosa gehörenden Brief sich ppo_449.013
verhält; so verhält sich auch der ästhetische Dialog ppo_449.014
zum gewöhnlichen Gespräche bei der mündlichen Unterhaltung. ppo_449.015
Je specieller nämlich der prosaische ppo_449.016
Brief und die mündliche Unterhaltung sind; desto ppo_449.017
mehr entsprechen sie ihrem Zwecke. Dagegen stellen ppo_449.018
die poetische Epistel und der ästhetische Dialog idealisirte ppo_449.019
Menschen auf, die namentlich im Dialoge ppo_449.020
als Repräsentanten der gesammten Menschheit, oder ppo_449.021
doch als Repräsentanten einzelner Gattungen, Klassen ppo_449.022
und Stände derselben geschildert werden. Daher ppo_449.023
kann der Dialog eben so das Gefühl der Liebe, nach ppo_449.024
seiner verschiedenartigen Ankündigung in den beiden ppo_449.025
Geschlechtern der Menschengattung, wie den Kampf ppo_449.026
zweier einander entgegengesetzten (religiösen oder politischen) ppo_449.027
Ansichten und Systeme darstellen, so, daß ppo_449.028
die schöpferische Einbildungskraft des Dichters besonders ppo_449.029
an der glücklichen Erfindung, gelungenen ppo_449.030
Haltung und erschöpfenden gegenseitigen Stellung ppo_449.031
und Durchführung der Eigenthümlichkeit der einander ppo_449.032
entgegengesetzten Jndividuen und Charaktere, nach ppo_449.033
der Ankündigung ihrer Gefühle, Grundsätze, Ansichten ppo_449.034
und Meinungen, erkannt wird. Ob nun gleich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0461" n="449"/><lb n="ppo_449.001"/>reichere Mannigfaltigkeit, Schattirung und Abwechselung <lb n="ppo_449.002"/>im Tone und Ausdrucke <hi rendition="#g">derselben</hi> Gefühle, <lb n="ppo_449.003"/><hi rendition="#g">oder</hi> die Versinnlichung gewisser <hi rendition="#g">einander entgegengesetzter</hi> <lb n="ppo_449.004"/>Gefühle, Wahrheiten oder Thatsachen <lb n="ppo_449.005"/>(die Versinnlichung eines ästhetisch durchgeführten <lb n="ppo_449.006"/><hi rendition="#g">Antagonismus</hi>) beabsichtigt und bewirkt, <lb n="ppo_449.007"/>weil die Verschiedenheit und der Contrast dieser Gefühle, <lb n="ppo_449.008"/>Wahrheiten und Thatsachen durch ihre Gegeneinanderstellung <lb n="ppo_449.009"/>am bestimmtesten vergegenwärtigt <lb n="ppo_449.010"/>wird.</p>
          <lb n="ppo_449.011"/>
          <p>  So wie aber die poetische Epistel gegen den <lb n="ppo_449.012"/>zum Sprachgebiete der Prosa gehörenden Brief sich <lb n="ppo_449.013"/>verhält; so verhält sich auch der ästhetische Dialog <lb n="ppo_449.014"/>zum gewöhnlichen Gespräche bei der mündlichen Unterhaltung. <lb n="ppo_449.015"/>Je <hi rendition="#g">specieller</hi> nämlich der prosaische <lb n="ppo_449.016"/>Brief und die mündliche Unterhaltung sind; desto <lb n="ppo_449.017"/>mehr entsprechen sie ihrem Zwecke. Dagegen stellen <lb n="ppo_449.018"/>die poetische Epistel und der ästhetische Dialog <hi rendition="#g">idealisirte</hi> <lb n="ppo_449.019"/>Menschen auf, die namentlich im Dialoge <lb n="ppo_449.020"/>als Repräsentanten der gesammten Menschheit, oder <lb n="ppo_449.021"/>doch als Repräsentanten einzelner Gattungen, Klassen <lb n="ppo_449.022"/>und Stände derselben geschildert werden. Daher <lb n="ppo_449.023"/>kann der Dialog eben so das Gefühl der Liebe, nach <lb n="ppo_449.024"/>seiner verschiedenartigen Ankündigung in den beiden <lb n="ppo_449.025"/>Geschlechtern der Menschengattung, wie den Kampf <lb n="ppo_449.026"/>zweier einander entgegengesetzten (religiösen oder politischen) <lb n="ppo_449.027"/>Ansichten und Systeme darstellen, so, daß <lb n="ppo_449.028"/>die schöpferische Einbildungskraft des Dichters besonders <lb n="ppo_449.029"/>an der glücklichen Erfindung, gelungenen <lb n="ppo_449.030"/>Haltung und erschöpfenden gegenseitigen Stellung <lb n="ppo_449.031"/>und Durchführung der Eigenthümlichkeit der einander <lb n="ppo_449.032"/>entgegengesetzten Jndividuen und Charaktere, nach <lb n="ppo_449.033"/>der Ankündigung ihrer Gefühle, Grundsätze, Ansichten <lb n="ppo_449.034"/>und Meinungen, erkannt wird. Ob nun gleich
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[449/0461] ppo_449.001 reichere Mannigfaltigkeit, Schattirung und Abwechselung ppo_449.002 im Tone und Ausdrucke derselben Gefühle, ppo_449.003 oder die Versinnlichung gewisser einander entgegengesetzter ppo_449.004 Gefühle, Wahrheiten oder Thatsachen ppo_449.005 (die Versinnlichung eines ästhetisch durchgeführten ppo_449.006 Antagonismus) beabsichtigt und bewirkt, ppo_449.007 weil die Verschiedenheit und der Contrast dieser Gefühle, ppo_449.008 Wahrheiten und Thatsachen durch ihre Gegeneinanderstellung ppo_449.009 am bestimmtesten vergegenwärtigt ppo_449.010 wird. ppo_449.011 So wie aber die poetische Epistel gegen den ppo_449.012 zum Sprachgebiete der Prosa gehörenden Brief sich ppo_449.013 verhält; so verhält sich auch der ästhetische Dialog ppo_449.014 zum gewöhnlichen Gespräche bei der mündlichen Unterhaltung. ppo_449.015 Je specieller nämlich der prosaische ppo_449.016 Brief und die mündliche Unterhaltung sind; desto ppo_449.017 mehr entsprechen sie ihrem Zwecke. Dagegen stellen ppo_449.018 die poetische Epistel und der ästhetische Dialog idealisirte ppo_449.019 Menschen auf, die namentlich im Dialoge ppo_449.020 als Repräsentanten der gesammten Menschheit, oder ppo_449.021 doch als Repräsentanten einzelner Gattungen, Klassen ppo_449.022 und Stände derselben geschildert werden. Daher ppo_449.023 kann der Dialog eben so das Gefühl der Liebe, nach ppo_449.024 seiner verschiedenartigen Ankündigung in den beiden ppo_449.025 Geschlechtern der Menschengattung, wie den Kampf ppo_449.026 zweier einander entgegengesetzten (religiösen oder politischen) ppo_449.027 Ansichten und Systeme darstellen, so, daß ppo_449.028 die schöpferische Einbildungskraft des Dichters besonders ppo_449.029 an der glücklichen Erfindung, gelungenen ppo_449.030 Haltung und erschöpfenden gegenseitigen Stellung ppo_449.031 und Durchführung der Eigenthümlichkeit der einander ppo_449.032 entgegengesetzten Jndividuen und Charaktere, nach ppo_449.033 der Ankündigung ihrer Gefühle, Grundsätze, Ansichten ppo_449.034 und Meinungen, erkannt wird. Ob nun gleich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/461
Zitationshilfe: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/461>, abgerufen am 25.11.2024.