Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.

Bild:
<< vorherige Seite
ppo_421.001
Gemischt aus Wermuth und aus Wein, ppo_421.002
Um weis' und sittlich gut zu seyn; ppo_421.003
Und wähnt' ich einsam oft zu gehen, ppo_421.004
Verlassen, ohne Schutz und Licht; ppo_421.005
So führt' er mich doch ungesehen, ppo_421.006
Und gab dem Herzen Zuversicht. ppo_421.007
Wohl blühten, Trauter, mir hienieden ppo_421.008
Auch Rosen -- unsrer Jugend Wahn -- ppo_421.009
Doch öfter, ach, war mir's beschieden, ppo_421.010
Zu wallen auf der Dornenbahn.
ppo_421.011
Hold schwebst du nun im bleichen Bilde, ppo_421.012
Helldüstere Vergangenheit, ppo_421.013
Um meinen Geist! Ein Lustgefilde ppo_421.014
Scheint mir das Thal der Jugendzeit. ppo_421.015
Es hebt mein Geist sich mit der Sonne, ppo_421.016
Wenn sie, vom Wolkenflor enthüllt, ppo_421.017
Mit neuem Glanz und Himmelswonne ppo_421.018
Die ganze weite Schöpfung füllt!
ppo_421.019
So mahlt sich deinen Seherblicken, ppo_421.020
Freund, nach der kurzen Winternacht, ppo_421.021
Die Welt in ungeseh'ner Pracht, ppo_421.022
Wann einst dein Auge, ganz Entzücken, ppo_421.023
Beim Urbild' aller Schönheit weilt. ppo_421.024
Und hast du spät das Ziel ereilt, ppo_421.025
Dann siehst du deinen Engel winken, ppo_421.026
Der dich in Gottes Eden führt, ppo_421.027
Wo deine Seele, tief gerührt, ppo_421.028
Wird aus der Lebensquelle trinken!
ppo_421.029
Auch mir ruft einst mein Engel zu, -- ppo_421.030
Wann meiner Freunde Zähren fließen, ppo_421.031
Und sanft sich meine Augen schließen, ppo_421.032
Wie Blumen in der Abendruh; ppo_421.033
Die bange Wehmuth, spricht er, schweige!
ppo_421.001
Gemischt aus Wermuth und aus Wein, ppo_421.002
Um weis' und sittlich gut zu seyn; ppo_421.003
Und wähnt' ich einsam oft zu gehen, ppo_421.004
Verlassen, ohne Schutz und Licht; ppo_421.005
So führt' er mich doch ungesehen, ppo_421.006
Und gab dem Herzen Zuversicht. ppo_421.007
Wohl blühten, Trauter, mir hienieden ppo_421.008
Auch Rosen — unsrer Jugend Wahn — ppo_421.009
Doch öfter, ach, war mir's beschieden, ppo_421.010
Zu wallen auf der Dornenbahn.
ppo_421.011
Hold schwebst du nun im bleichen Bilde, ppo_421.012
Helldüstere Vergangenheit, ppo_421.013
Um meinen Geist! Ein Lustgefilde ppo_421.014
Scheint mir das Thal der Jugendzeit. ppo_421.015
Es hebt mein Geist sich mit der Sonne, ppo_421.016
Wenn sie, vom Wolkenflor enthüllt, ppo_421.017
Mit neuem Glanz und Himmelswonne ppo_421.018
Die ganze weite Schöpfung füllt!
ppo_421.019
So mahlt sich deinen Seherblicken, ppo_421.020
Freund, nach der kurzen Winternacht, ppo_421.021
Die Welt in ungeseh'ner Pracht, ppo_421.022
Wann einst dein Auge, ganz Entzücken, ppo_421.023
Beim Urbild' aller Schönheit weilt. ppo_421.024
Und hast du spät das Ziel ereilt, ppo_421.025
Dann siehst du deinen Engel winken, ppo_421.026
Der dich in Gottes Eden führt, ppo_421.027
Wo deine Seele, tief gerührt, ppo_421.028
Wird aus der Lebensquelle trinken!
ppo_421.029
Auch mir ruft einst mein Engel zu, — ppo_421.030
Wann meiner Freunde Zähren fließen, ppo_421.031
Und sanft sich meine Augen schließen, ppo_421.032
Wie Blumen in der Abendruh; ppo_421.033
Die bange Wehmuth, spricht er, schweige!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0433" n="421"/>
          <lb n="ppo_421.001"/>
          <lg>
            <l>Gemischt aus Wermuth und aus Wein,</l>
            <lb n="ppo_421.002"/>
            <l>Um weis' und sittlich gut zu seyn;</l>
            <lb n="ppo_421.003"/>
            <l>Und wähnt' ich einsam oft zu gehen,</l>
            <lb n="ppo_421.004"/>
            <l>Verlassen, ohne Schutz und Licht;</l>
            <lb n="ppo_421.005"/>
            <l>So führt' er mich doch ungesehen,</l>
            <lb n="ppo_421.006"/>
            <l>Und gab dem Herzen Zuversicht.</l>
            <lb n="ppo_421.007"/>
            <l>Wohl blühten, Trauter, mir hienieden</l>
            <lb n="ppo_421.008"/>
            <l>Auch Rosen &#x2014; unsrer Jugend Wahn &#x2014;</l>
            <lb n="ppo_421.009"/>
            <l>Doch öfter, ach, war mir's beschieden,</l>
            <lb n="ppo_421.010"/>
            <l>Zu wallen auf der Dornenbahn. </l>
          </lg>
          <lb n="ppo_421.011"/>
          <lg>
            <l>  Hold schwebst du nun im bleichen Bilde,</l>
            <lb n="ppo_421.012"/>
            <l>Helldüstere Vergangenheit,</l>
            <lb n="ppo_421.013"/>
            <l>Um meinen Geist! Ein Lustgefilde</l>
            <lb n="ppo_421.014"/>
            <l>Scheint mir das Thal der Jugendzeit.</l>
            <lb n="ppo_421.015"/>
            <l>Es hebt mein Geist sich mit der Sonne,</l>
            <lb n="ppo_421.016"/>
            <l>Wenn sie, vom Wolkenflor enthüllt,</l>
            <lb n="ppo_421.017"/>
            <l>Mit neuem Glanz und Himmelswonne</l>
            <lb n="ppo_421.018"/>
            <l>Die ganze weite Schöpfung füllt! </l>
          </lg>
          <lb n="ppo_421.019"/>
          <lg>
            <l>  So mahlt sich deinen Seherblicken,</l>
            <lb n="ppo_421.020"/>
            <l>Freund, nach der kurzen Winternacht,</l>
            <lb n="ppo_421.021"/>
            <l>Die Welt in ungeseh'ner Pracht,</l>
            <lb n="ppo_421.022"/>
            <l>Wann einst dein Auge, ganz Entzücken,</l>
            <lb n="ppo_421.023"/>
            <l>Beim Urbild' aller Schönheit weilt.</l>
            <lb n="ppo_421.024"/>
            <l>Und hast du spät das Ziel ereilt,</l>
            <lb n="ppo_421.025"/>
            <l>Dann siehst du deinen Engel winken,</l>
            <lb n="ppo_421.026"/>
            <l>Der dich in Gottes Eden führt,</l>
            <lb n="ppo_421.027"/>
            <l>Wo deine Seele, tief gerührt,</l>
            <lb n="ppo_421.028"/>
            <l>Wird aus der Lebensquelle trinken! </l>
          </lg>
          <lb n="ppo_421.029"/>
          <lg>
            <l>  Auch mir ruft einst mein Engel zu, &#x2014;</l>
            <lb n="ppo_421.030"/>
            <l>Wann meiner Freunde Zähren fließen,</l>
            <lb n="ppo_421.031"/>
            <l>Und sanft sich meine Augen schließen,</l>
            <lb n="ppo_421.032"/>
            <l>Wie Blumen in der Abendruh;</l>
            <lb n="ppo_421.033"/>
            <l>Die bange Wehmuth, spricht er, schweige!</l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[421/0433] ppo_421.001 Gemischt aus Wermuth und aus Wein, ppo_421.002 Um weis' und sittlich gut zu seyn; ppo_421.003 Und wähnt' ich einsam oft zu gehen, ppo_421.004 Verlassen, ohne Schutz und Licht; ppo_421.005 So führt' er mich doch ungesehen, ppo_421.006 Und gab dem Herzen Zuversicht. ppo_421.007 Wohl blühten, Trauter, mir hienieden ppo_421.008 Auch Rosen — unsrer Jugend Wahn — ppo_421.009 Doch öfter, ach, war mir's beschieden, ppo_421.010 Zu wallen auf der Dornenbahn. ppo_421.011 Hold schwebst du nun im bleichen Bilde, ppo_421.012 Helldüstere Vergangenheit, ppo_421.013 Um meinen Geist! Ein Lustgefilde ppo_421.014 Scheint mir das Thal der Jugendzeit. ppo_421.015 Es hebt mein Geist sich mit der Sonne, ppo_421.016 Wenn sie, vom Wolkenflor enthüllt, ppo_421.017 Mit neuem Glanz und Himmelswonne ppo_421.018 Die ganze weite Schöpfung füllt! ppo_421.019 So mahlt sich deinen Seherblicken, ppo_421.020 Freund, nach der kurzen Winternacht, ppo_421.021 Die Welt in ungeseh'ner Pracht, ppo_421.022 Wann einst dein Auge, ganz Entzücken, ppo_421.023 Beim Urbild' aller Schönheit weilt. ppo_421.024 Und hast du spät das Ziel ereilt, ppo_421.025 Dann siehst du deinen Engel winken, ppo_421.026 Der dich in Gottes Eden führt, ppo_421.027 Wo deine Seele, tief gerührt, ppo_421.028 Wird aus der Lebensquelle trinken! ppo_421.029 Auch mir ruft einst mein Engel zu, — ppo_421.030 Wann meiner Freunde Zähren fließen, ppo_421.031 Und sanft sich meine Augen schließen, ppo_421.032 Wie Blumen in der Abendruh; ppo_421.033 Die bange Wehmuth, spricht er, schweige!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/433
Zitationshilfe: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/433>, abgerufen am 25.11.2024.