Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.ppo_414.001 Ach, hätt' ich meine Lust hier gleichfalls eingetrieben, ppo_414.002
So wär' ich sonder Schmerz, so lebt' ich sonder Weh. ppo_414.003 Ach wäre Blick und Sinn im freien Felde blieben; ppo_414.004 So aber wandt' ich mich in der geraumen Höh, ppo_414.005 Und ließe Aug' und Stern Jerusalem bestralen. ppo_414.006 Der Häuser hohe Pracht, der Gassen weite Zier, ppo_414.007 Die schienen Müh und Lust nach Würden zu bezahlen. ppo_414.008 Der Mauern Wunderbau vermehrte die Begier ppo_414.009 Die innre Gartenlust in etwas zu beschauen. ppo_414.010 Nicht weit von dieser Burg war Florens holder Sitz, ppo_414.011 Den selbst Natur und Kunst nicht schöner konnte bauen. ppo_414.012 Hier rührte meinen Geist der Wollust strenger Blitz. ppo_414.013 Mein Vorwitz führte mich zu einem Marmorkasten, ppo_414.014 Jn welchem Perl und Fluth mit sanftem Rauschen sprang. ppo_414.015 Hier konnte nicht mein Geist nach Willen länger rasten, ppo_414.016 Als deine Wunderpracht die müden Augen zwang ppo_414.017 Auf deinen Fuß zu sehn. Der Kleider leichtes Prangen ppo_414.018 Verrieth den heißen Schluß; du suchtest Fluth und Bad. ppo_414.019 Es spielten durch die Luft die glutbeseelten Wangen, ppo_414.020 Jch weiß, wie sich mein Geist dadurch entzündet hat. ppo_414.021 Die weiße Liljenhand entschnürte Rock und Kleider, ppo_414.022 Und warf Gewand und Schmuck in das bekleete Gras. ppo_414.023 Es schwand mir Aug' und Licht; ich starb, ich ward, ppo_414.024 ach leider ppo_414.025 Durch dich in mich verstrickt. Bald ward ich roth, ppo_414.026 bald blaß. ppo_414.027 Jch wußte ferner nicht fast in mir selbst zu bleiben, ppo_414.028 Als das gewellte Haar schwamm auf der vollen Brust. ppo_414.029 Jch kann dir meine Qual nicht, wie ich will, beschreiben, ppo_414.030 Als deines Leibes Schnee war meine Augenlust. ppo_414.031 Es will Vernunft und Brunst nunmehr den Zügel rauben, ppo_414.032 Und der Begierden Roß zerreißet Zaum und Band. ppo_414.033 Du magst, wie meiner Schrift, dem Boten kühnlich glauben; ppo_414.034 Es ist ihm meine Noth mehr, als zu wohl, bekannt. ppo_414.001 Ach, hätt' ich meine Lust hier gleichfalls eingetrieben, ppo_414.002
So wär' ich sonder Schmerz, so lebt' ich sonder Weh. ppo_414.003 Ach wäre Blick und Sinn im freien Felde blieben; ppo_414.004 So aber wandt' ich mich in der geraumen Höh, ppo_414.005 Und ließe Aug' und Stern Jerusalem bestralen. ppo_414.006 Der Häuser hohe Pracht, der Gassen weite Zier, ppo_414.007 Die schienen Müh und Lust nach Würden zu bezahlen. ppo_414.008 Der Mauern Wunderbau vermehrte die Begier ppo_414.009 Die innre Gartenlust in etwas zu beschauen. ppo_414.010 Nicht weit von dieser Burg war Florens holder Sitz, ppo_414.011 Den selbst Natur und Kunst nicht schöner konnte bauen. ppo_414.012 Hier rührte meinen Geist der Wollust strenger Blitz. ppo_414.013 Mein Vorwitz führte mich zu einem Marmorkasten, ppo_414.014 Jn welchem Perl und Fluth mit sanftem Rauschen sprang. ppo_414.015 Hier konnte nicht mein Geist nach Willen länger rasten, ppo_414.016 Als deine Wunderpracht die müden Augen zwang ppo_414.017 Auf deinen Fuß zu sehn. Der Kleider leichtes Prangen ppo_414.018 Verrieth den heißen Schluß; du suchtest Fluth und Bad. ppo_414.019 Es spielten durch die Luft die glutbeseelten Wangen, ppo_414.020 Jch weiß, wie sich mein Geist dadurch entzündet hat. ppo_414.021 Die weiße Liljenhand entschnürte Rock und Kleider, ppo_414.022 Und warf Gewand und Schmuck in das bekleete Gras. ppo_414.023 Es schwand mir Aug' und Licht; ich starb, ich ward, ppo_414.024 ach leider ppo_414.025 Durch dich in mich verstrickt. Bald ward ich roth, ppo_414.026 bald blaß. ppo_414.027 Jch wußte ferner nicht fast in mir selbst zu bleiben, ppo_414.028 Als das gewellte Haar schwamm auf der vollen Brust. ppo_414.029 Jch kann dir meine Qual nicht, wie ich will, beschreiben, ppo_414.030 Als deines Leibes Schnee war meine Augenlust. ppo_414.031 Es will Vernunft und Brunst nunmehr den Zügel rauben, ppo_414.032 Und der Begierden Roß zerreißet Zaum und Band. ppo_414.033 Du magst, wie meiner Schrift, dem Boten kühnlich glauben; ppo_414.034 Es ist ihm meine Noth mehr, als zu wohl, bekannt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0426" n="414"/> <lb n="ppo_414.001"/> <lg> <l>Ach, hätt' ich meine Lust hier gleichfalls eingetrieben,</l> <lb n="ppo_414.002"/> <l>So wär' ich sonder Schmerz, so lebt' ich sonder Weh.</l> <lb n="ppo_414.003"/> <l>Ach wäre Blick und Sinn im freien Felde blieben;</l> <lb n="ppo_414.004"/> <l>So aber wandt' ich mich in der geraumen Höh,</l> <lb n="ppo_414.005"/> <l>Und ließe Aug' und Stern Jerusalem bestralen.</l> <lb n="ppo_414.006"/> <l>Der Häuser hohe Pracht, der Gassen weite Zier,</l> <lb n="ppo_414.007"/> <l>Die schienen Müh und Lust nach Würden zu bezahlen.</l> <lb n="ppo_414.008"/> <l>Der Mauern Wunderbau vermehrte die Begier</l> <lb n="ppo_414.009"/> <l>Die innre Gartenlust in etwas zu beschauen.</l> <lb n="ppo_414.010"/> <l>Nicht weit von dieser Burg war Florens holder Sitz,</l> <lb n="ppo_414.011"/> <l>Den selbst Natur und Kunst nicht schöner konnte bauen.</l> <lb n="ppo_414.012"/> <l>Hier rührte meinen Geist der Wollust strenger Blitz.</l> <lb n="ppo_414.013"/> <l>Mein Vorwitz führte mich zu einem Marmorkasten,</l> <lb n="ppo_414.014"/> <l>Jn welchem Perl und Fluth mit sanftem Rauschen sprang.</l> <lb n="ppo_414.015"/> <l>Hier konnte nicht mein Geist nach Willen länger rasten,</l> <lb n="ppo_414.016"/> <l>Als deine Wunderpracht die müden Augen zwang</l> <lb n="ppo_414.017"/> <l>Auf deinen Fuß zu sehn. Der Kleider leichtes Prangen</l> <lb n="ppo_414.018"/> <l>Verrieth den heißen Schluß; du suchtest Fluth und Bad.</l> <lb n="ppo_414.019"/> <l>Es spielten durch die Luft die glutbeseelten Wangen,</l> <lb n="ppo_414.020"/> <l>Jch weiß, wie sich mein Geist dadurch entzündet hat.</l> <lb n="ppo_414.021"/> <l>Die weiße Liljenhand entschnürte Rock und Kleider,</l> <lb n="ppo_414.022"/> <l>Und warf Gewand und Schmuck in das bekleete Gras.</l> <lb n="ppo_414.023"/> <l>Es schwand mir Aug' und Licht; ich starb, ich ward,</l> <lb n="ppo_414.024"/> <l> <hi rendition="#right">ach leider</hi> </l> <lb n="ppo_414.025"/> <l>Durch dich in mich verstrickt. Bald ward ich roth,</l> <lb n="ppo_414.026"/> <l> <hi rendition="#right">bald blaß.</hi> </l> <lb n="ppo_414.027"/> <l>Jch wußte ferner nicht fast in mir selbst zu bleiben,</l> <lb n="ppo_414.028"/> <l>Als das gewellte Haar schwamm auf der vollen Brust.</l> <lb n="ppo_414.029"/> <l>Jch kann dir meine Qual nicht, wie ich will, beschreiben,</l> <lb n="ppo_414.030"/> <l>Als deines Leibes Schnee war meine Augenlust.</l> <lb n="ppo_414.031"/> <l>Es will Vernunft und Brunst nunmehr den Zügel rauben,</l> <lb n="ppo_414.032"/> <l>Und der Begierden Roß zerreißet Zaum und Band.</l> <lb n="ppo_414.033"/> <l>Du magst, wie meiner Schrift, dem Boten kühnlich glauben;</l> <lb n="ppo_414.034"/> <l>Es ist ihm meine Noth mehr, als zu wohl, bekannt.</l> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [414/0426]
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Zitationshilfe: | Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/426>, abgerufen am 16.02.2025. |