Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.ppo_410.001 "Alles, alles hätt' ich dann, Geliebtester!" sprach ppo_410.007 ppo_410.019 Vernehmt es, gefühlvolle Seelen! Mit süßem Entzücken ppo_410.020 ppo_410.023 62. ppo_410.024 ppo_410.025b) Die poetische Epistel. Die poetische Epistel unterscheidet sich von dem ppo_410.026 ppo_410.001 „Alles, alles hätt' ich dann, Geliebtester!“ sprach ppo_410.007 ppo_410.019 Vernehmt es, gefühlvolle Seelen! Mit süßem Entzücken ppo_410.020 ppo_410.023 62. ppo_410.024 ppo_410.025b) Die poetische Epistel. Die poetische Epistel unterscheidet sich von dem ppo_410.026 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0422" n="410"/><lb n="ppo_410.001"/>dir in diesen lichten Auen droben, in diesen wonnigen <lb n="ppo_410.002"/>Gefilden, wo gewiß kein herbes Verhängniß treue Liebende <lb n="ppo_410.003"/>trennt! Wie wohl wär' uns dort! Wie wohl <lb n="ppo_410.004"/>im seligsten Genusse der Liebe! Wüßtest du mehr zu <lb n="ppo_410.005"/>wünschen?</p> <lb n="ppo_410.006"/> <p> „Alles, alles hätt' ich dann, Geliebtester!“ sprach <lb n="ppo_410.007"/>das zärtliche Mädchen, und schlang ihren sanft bebenden <lb n="ppo_410.008"/>Arm um ihn. „O wie glücklich wären wir dort, <lb n="ppo_410.009"/>wie unaussprechlich selig! Die Gestirne, so glaub' ich <lb n="ppo_410.010"/>im Ernste, sind der Liebe hold; man liebt dort auch. <lb n="ppo_410.011"/>Jst nicht der Abendstern der Liebe geheiligt? Und sind <lb n="ppo_410.012"/>die beiden Fische des Thierkreises nicht ein liebendes <lb n="ppo_410.013"/>Paar? Die Priesterinnen im Tempel lehrten es neulich. <lb n="ppo_410.014"/>Wann ich traurig bin, dann denk' ich des Liedes, das <lb n="ppo_410.015"/>sie sangen; dann sing' ich es, und sanfte Heiterkeit erhellet <lb n="ppo_410.016"/>meine Seele wieder, wie wenn die Sonne nach <lb n="ppo_410.017"/>trüben Regentagen durch dünnes Gewölke das Land beleuchtet.</p> <lb n="ppo_410.018"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lb n="ppo_410.019"/> <p> Vernehmt es, gefühlvolle Seelen! Mit süßem Entzücken <lb n="ppo_410.020"/>sehen die guten Götter auf treue Liebende nieder, <lb n="ppo_410.021"/>und krönen sie, wo nicht hinieden, doch über den Sternen <lb n="ppo_410.022"/>mit Wonne.</p> </div> <div n="2"> <lb n="ppo_410.023"/> <head> <hi rendition="#c">62. <lb n="ppo_410.024"/><hi rendition="#aq">b</hi>) <hi rendition="#g">Die poetische Epistel.</hi></hi> </head> <lb n="ppo_410.025"/> <p> Die poetische Epistel unterscheidet sich von dem <lb n="ppo_410.026"/>eigentlichen Briefe, dessen Theorie in dem Sprachgebiete <lb n="ppo_410.027"/>der Prosa aufgestellt ward, dadurch, daß sie <lb n="ppo_410.028"/>vermittelst des Jndividuums, an das sie gerichtet <lb n="ppo_410.029"/>ist, zu dem ganzen menschlichen Geschlechte spricht, <lb n="ppo_410.030"/>und Wahrheiten, Gefühle oder Thatsachen von <hi rendition="#g">allgemeinem</hi> <lb n="ppo_410.031"/>Jnteresse versinnlicht, während der prosaische </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [410/0422]
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dir in diesen lichten Auen droben, in diesen wonnigen ppo_410.002
Gefilden, wo gewiß kein herbes Verhängniß treue Liebende ppo_410.003
trennt! Wie wohl wär' uns dort! Wie wohl ppo_410.004
im seligsten Genusse der Liebe! Wüßtest du mehr zu ppo_410.005
wünschen?
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„Alles, alles hätt' ich dann, Geliebtester!“ sprach ppo_410.007
das zärtliche Mädchen, und schlang ihren sanft bebenden ppo_410.008
Arm um ihn. „O wie glücklich wären wir dort, ppo_410.009
wie unaussprechlich selig! Die Gestirne, so glaub' ich ppo_410.010
im Ernste, sind der Liebe hold; man liebt dort auch. ppo_410.011
Jst nicht der Abendstern der Liebe geheiligt? Und sind ppo_410.012
die beiden Fische des Thierkreises nicht ein liebendes ppo_410.013
Paar? Die Priesterinnen im Tempel lehrten es neulich. ppo_410.014
Wann ich traurig bin, dann denk' ich des Liedes, das ppo_410.015
sie sangen; dann sing' ich es, und sanfte Heiterkeit erhellet ppo_410.016
meine Seele wieder, wie wenn die Sonne nach ppo_410.017
trüben Regentagen durch dünnes Gewölke das Land beleuchtet.
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Vernehmt es, gefühlvolle Seelen! Mit süßem Entzücken ppo_410.020
sehen die guten Götter auf treue Liebende nieder, ppo_410.021
und krönen sie, wo nicht hinieden, doch über den Sternen ppo_410.022
mit Wonne.
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62. ppo_410.024
b) Die poetische Epistel. ppo_410.025
Die poetische Epistel unterscheidet sich von dem ppo_410.026
eigentlichen Briefe, dessen Theorie in dem Sprachgebiete ppo_410.027
der Prosa aufgestellt ward, dadurch, daß sie ppo_410.028
vermittelst des Jndividuums, an das sie gerichtet ppo_410.029
ist, zu dem ganzen menschlichen Geschlechte spricht, ppo_410.030
und Wahrheiten, Gefühle oder Thatsachen von allgemeinem ppo_410.031
Jnteresse versinnlicht, während der prosaische
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