Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.

Bild:
<< vorherige Seite

ppo_392.001
schen
Charakter, und nach ihrer Stelle in der Reihe ppo_392.002
der übrigen dramatischen Dichtungsarten, die Rede ppo_392.003
seyn. -- Das Singspiel zerfällt in die drei einzelnen ppo_392.004
Formen: das Melodrama, die Oper, und ppo_392.005
die Operette.

ppo_392.006

1) Das Melodrama -- welches Monodrama, ppo_392.007
Duodrama u. s. w. seyn kann -- ist ein dramatisches ppo_392.008
Gedicht, dessen Eigenthümlichkeit darin besteht, ppo_392.009
daß die Rede durch abwechselnd eintretende ppo_392.010
Musik unterbrochen wird.
Es unterscheidet ppo_392.011
sich wesentlich von der Oper und Operette dadurch, ppo_392.012
daß weder Arien, noch Duette und Chöre darin ppo_392.013
vorkommen, sondern die Anwendung der Tonkunst ppo_392.014
theils zur Versinnlichung und Erweiterung der in ppo_392.015
der Rede bereits ausgedrückten Gefühle, theils ppo_392.016
zur Vorbereitung auf die sogleich in der Handlung ppo_392.017
darzustellenden Gefühle dient. -- Unter den Teutschen ppo_392.018
ward das Melodrama zuerst von Brandes ppo_392.019
in der Ariadne auf Naxos angebaut, welchem ppo_392.020
Benda das tonkünstlerische Gewand mit solchem ppo_392.021
Erfolge gab, daß Ariadne auf Naxos noch jetzt ppo_392.022
nicht ganz von der Bühne verschwunden ist, und ppo_392.023
mehrere Dichter und Tonkünstler diesem gelungenen ppo_392.024
Vorbilde, doch mit geringerem Erfolge, nachstrebten. ppo_392.025
So Ramler im Pygmalion, Gotter in der ppo_392.026
Medea, Fr. Rambach in dem Theseus auf ppo_392.027
Kreta, Kaffka
in der Rosamunde und andere. ppo_392.028
-- Ob nun gleich die dramatische Dichtkunst durch ppo_392.029
den Eintritt des Melodrama in die Reihe der dramatischen ppo_392.030
Dichtungsarten einen Zuwachs erhielt; so ppo_392.031
behauptet es doch, in dem Kreise der dramatischen ppo_392.032
Kunstformen, die unterste Stelle. Denn seine ppo_392.033
Darstellung hat, durch den Mangel mehrerer Personen, ppo_392.034
zu wenig Handlung, und folglich auch zu wenig

ppo_392.001
schen
Charakter, und nach ihrer Stelle in der Reihe ppo_392.002
der übrigen dramatischen Dichtungsarten, die Rede ppo_392.003
seyn. — Das Singspiel zerfällt in die drei einzelnen ppo_392.004
Formen: das Melodrama, die Oper, und ppo_392.005
die Operette.

ppo_392.006

1) Das Melodrama — welches Monodrama, ppo_392.007
Duodrama u. s. w. seyn kann — ist ein dramatisches ppo_392.008
Gedicht, dessen Eigenthümlichkeit darin besteht, ppo_392.009
daß die Rede durch abwechselnd eintretende ppo_392.010
Musik unterbrochen wird.
Es unterscheidet ppo_392.011
sich wesentlich von der Oper und Operette dadurch, ppo_392.012
daß weder Arien, noch Duette und Chöre darin ppo_392.013
vorkommen, sondern die Anwendung der Tonkunst ppo_392.014
theils zur Versinnlichung und Erweiterung der in ppo_392.015
der Rede bereits ausgedrückten Gefühle, theils ppo_392.016
zur Vorbereitung auf die sogleich in der Handlung ppo_392.017
darzustellenden Gefühle dient. — Unter den Teutschen ppo_392.018
ward das Melodrama zuerst von Brandes ppo_392.019
in der Ariadne auf Naxos angebaut, welchem ppo_392.020
Benda das tonkünstlerische Gewand mit solchem ppo_392.021
Erfolge gab, daß Ariadne auf Naxos noch jetzt ppo_392.022
nicht ganz von der Bühne verschwunden ist, und ppo_392.023
mehrere Dichter und Tonkünstler diesem gelungenen ppo_392.024
Vorbilde, doch mit geringerem Erfolge, nachstrebten. ppo_392.025
So Ramler im Pygmalion, Gotter in der ppo_392.026
Medea, Fr. Rambach in dem Theseus auf ppo_392.027
Kreta, Kaffka
in der Rosamunde und andere. ppo_392.028
— Ob nun gleich die dramatische Dichtkunst durch ppo_392.029
den Eintritt des Melodrama in die Reihe der dramatischen ppo_392.030
Dichtungsarten einen Zuwachs erhielt; so ppo_392.031
behauptet es doch, in dem Kreise der dramatischen ppo_392.032
Kunstformen, die unterste Stelle. Denn seine ppo_392.033
Darstellung hat, durch den Mangel mehrerer Personen, ppo_392.034
zu wenig Handlung, und folglich auch zu wenig

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0404" n="392"/><lb n="ppo_392.001"/>schen</hi> Charakter, und nach ihrer Stelle in der Reihe <lb n="ppo_392.002"/>der übrigen dramatischen Dichtungsarten, die Rede <lb n="ppo_392.003"/>seyn. &#x2014; Das Singspiel zerfällt in die drei einzelnen <lb n="ppo_392.004"/>Formen: das <hi rendition="#g">Melodrama,</hi> die <hi rendition="#g">Oper,</hi> und <lb n="ppo_392.005"/>die <hi rendition="#g">Operette.</hi></p>
          <lb n="ppo_392.006"/>
          <p>  1) Das <hi rendition="#g">Melodrama</hi> &#x2014; welches Monodrama, <lb n="ppo_392.007"/>Duodrama u. s. w. seyn kann &#x2014; ist ein dramatisches <lb n="ppo_392.008"/>Gedicht, dessen Eigenthümlichkeit darin besteht, <lb n="ppo_392.009"/><hi rendition="#g">daß die Rede durch abwechselnd eintretende <lb n="ppo_392.010"/>Musik unterbrochen wird.</hi> Es unterscheidet <lb n="ppo_392.011"/>sich wesentlich von der Oper und Operette dadurch, <lb n="ppo_392.012"/>daß weder Arien, noch Duette und Chöre darin <lb n="ppo_392.013"/>vorkommen, sondern die Anwendung der Tonkunst <lb n="ppo_392.014"/><hi rendition="#g">theils</hi> zur Versinnlichung und Erweiterung der in <lb n="ppo_392.015"/>der Rede bereits ausgedrückten Gefühle, <hi rendition="#g">theils</hi> <lb n="ppo_392.016"/>zur Vorbereitung auf die sogleich in der Handlung <lb n="ppo_392.017"/>darzustellenden Gefühle dient. &#x2014; Unter den Teutschen <lb n="ppo_392.018"/>ward das Melodrama zuerst von <hi rendition="#g">Brandes</hi> <lb n="ppo_392.019"/>in der <hi rendition="#g">Ariadne auf Naxos</hi> angebaut, welchem <lb n="ppo_392.020"/><hi rendition="#g">Benda</hi> das tonkünstlerische Gewand mit solchem <lb n="ppo_392.021"/>Erfolge gab, daß Ariadne auf Naxos noch jetzt <lb n="ppo_392.022"/>nicht ganz von der Bühne verschwunden ist, und <lb n="ppo_392.023"/>mehrere Dichter und Tonkünstler diesem gelungenen <lb n="ppo_392.024"/>Vorbilde, doch mit geringerem Erfolge, nachstrebten. <lb n="ppo_392.025"/>So <hi rendition="#g">Ramler</hi> im <hi rendition="#g">Pygmalion, Gotter</hi> in der <lb n="ppo_392.026"/><hi rendition="#g">Medea,</hi> Fr. <hi rendition="#g">Rambach</hi> in dem <hi rendition="#g">Theseus auf <lb n="ppo_392.027"/>Kreta, Kaffka</hi> in der <hi rendition="#g">Rosamunde</hi> und andere. <lb n="ppo_392.028"/>&#x2014; Ob nun gleich die dramatische Dichtkunst durch <lb n="ppo_392.029"/>den Eintritt des Melodrama in die Reihe der dramatischen <lb n="ppo_392.030"/>Dichtungsarten einen Zuwachs erhielt; so <lb n="ppo_392.031"/>behauptet es doch, in dem Kreise der dramatischen <lb n="ppo_392.032"/>Kunstformen, die <hi rendition="#g">unterste</hi> Stelle. Denn seine <lb n="ppo_392.033"/>Darstellung hat, durch den Mangel mehrerer Personen, <lb n="ppo_392.034"/>zu wenig Handlung, und folglich auch zu wenig
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[392/0404] ppo_392.001 schen Charakter, und nach ihrer Stelle in der Reihe ppo_392.002 der übrigen dramatischen Dichtungsarten, die Rede ppo_392.003 seyn. — Das Singspiel zerfällt in die drei einzelnen ppo_392.004 Formen: das Melodrama, die Oper, und ppo_392.005 die Operette. ppo_392.006 1) Das Melodrama — welches Monodrama, ppo_392.007 Duodrama u. s. w. seyn kann — ist ein dramatisches ppo_392.008 Gedicht, dessen Eigenthümlichkeit darin besteht, ppo_392.009 daß die Rede durch abwechselnd eintretende ppo_392.010 Musik unterbrochen wird. Es unterscheidet ppo_392.011 sich wesentlich von der Oper und Operette dadurch, ppo_392.012 daß weder Arien, noch Duette und Chöre darin ppo_392.013 vorkommen, sondern die Anwendung der Tonkunst ppo_392.014 theils zur Versinnlichung und Erweiterung der in ppo_392.015 der Rede bereits ausgedrückten Gefühle, theils ppo_392.016 zur Vorbereitung auf die sogleich in der Handlung ppo_392.017 darzustellenden Gefühle dient. — Unter den Teutschen ppo_392.018 ward das Melodrama zuerst von Brandes ppo_392.019 in der Ariadne auf Naxos angebaut, welchem ppo_392.020 Benda das tonkünstlerische Gewand mit solchem ppo_392.021 Erfolge gab, daß Ariadne auf Naxos noch jetzt ppo_392.022 nicht ganz von der Bühne verschwunden ist, und ppo_392.023 mehrere Dichter und Tonkünstler diesem gelungenen ppo_392.024 Vorbilde, doch mit geringerem Erfolge, nachstrebten. ppo_392.025 So Ramler im Pygmalion, Gotter in der ppo_392.026 Medea, Fr. Rambach in dem Theseus auf ppo_392.027 Kreta, Kaffka in der Rosamunde und andere. ppo_392.028 — Ob nun gleich die dramatische Dichtkunst durch ppo_392.029 den Eintritt des Melodrama in die Reihe der dramatischen ppo_392.030 Dichtungsarten einen Zuwachs erhielt; so ppo_392.031 behauptet es doch, in dem Kreise der dramatischen ppo_392.032 Kunstformen, die unterste Stelle. Denn seine ppo_392.033 Darstellung hat, durch den Mangel mehrerer Personen, ppo_392.034 zu wenig Handlung, und folglich auch zu wenig

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/404
Zitationshilfe: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/404>, abgerufen am 25.11.2024.