ppo_375.001 Spiegel vorhält, und die tausendfachen Formen derselben ppo_375.002 mit heilsamem Spotte beschämt. Was sie ppo_375.003 oben durch Rührung und Schrecken wirkte, leistet ppo_375.004 sie hier durch Scherz und Satyre. Die Schaubühne ppo_375.005 allein kann unsre Schwächen belachen, weil ppo_375.006 sie unsre Empfindlichkeit schont, und den schuldigen ppo_375.007 Thoren nicht wissen will. Ohne roth zu werden, ppo_375.008 sehen wir unsre Larve aus ihrem Spiegel fallen, ppo_375.009 und danken im Geheimen für die sanfte Ermahnung. ppo_375.010 -- Aber ihr großer Wirkungskreis ist noch lange ppo_375.011 nicht geendigt. Die Schaubühne ist mehr, als jede ppo_375.012 andere öffentliche Anstalt des Staates, eine Schule ppo_375.013 der practischen Weisheit, ein Wegweiser durch das ppo_375.014 bürgerliche Leben, ein unfehlbarer Schlüssel zu den ppo_375.015 geheimsten Zugängen der menschlichen Seele. Jch ppo_375.016 gebe zu, daß Eigenliebe und Abhärtung des Gewissens ppo_375.017 nicht selten ihre beste Wirkung vernichten, daß ppo_375.018 sich noch tausend Laster mit frecher Stirne vor ihrem ppo_375.019 Spiegel behaupten; aber wenn wir auch diese ppo_375.020 große Wirkung der Schaubühne einschränken, -- ppo_375.021 wie unendlich viel bleibt noch von ihrem Einflusse ppo_375.022 zurück? Wenn sie die Summe der Laster weder ppo_375.023 tilgt noch vermindert; hat sie uns nicht mit denselben ppo_375.024 bekannt gemacht? Mit diesen Lasterhaften, diesen ppo_375.025 Thoren müssen wir leben. Wir müssen ihnen ppo_375.026 ausweichen, oder begegnen; wir müssen sie untergraben, ppo_375.027 oder ihnen unterliegen. Jetzt aber überraschen ppo_375.028 sie uns nicht mehr. Die Schaubühne hat uns das ppo_375.029 Geheimniß verrathen, sie ausfindig und unschädlich ppo_375.030 zu machen. -- Zugleich ist die Schaubühne der ppo_375.031 gemeinschaftliche Kanal, in welchen von dem denkenden ppo_375.032 bessern Theile des Volkes das Licht der Weisheit ppo_375.033 herunterströmt, und von da aus in mildern ppo_375.034 Stralen durch den ganzen Staat sich verbreitet.
ppo_375.001 Spiegel vorhält, und die tausendfachen Formen derselben ppo_375.002 mit heilsamem Spotte beschämt. Was sie ppo_375.003 oben durch Rührung und Schrecken wirkte, leistet ppo_375.004 sie hier durch Scherz und Satyre. Die Schaubühne ppo_375.005 allein kann unsre Schwächen belachen, weil ppo_375.006 sie unsre Empfindlichkeit schont, und den schuldigen ppo_375.007 Thoren nicht wissen will. Ohne roth zu werden, ppo_375.008 sehen wir unsre Larve aus ihrem Spiegel fallen, ppo_375.009 und danken im Geheimen für die sanfte Ermahnung. ppo_375.010 — Aber ihr großer Wirkungskreis ist noch lange ppo_375.011 nicht geendigt. Die Schaubühne ist mehr, als jede ppo_375.012 andere öffentliche Anstalt des Staates, eine Schule ppo_375.013 der practischen Weisheit, ein Wegweiser durch das ppo_375.014 bürgerliche Leben, ein unfehlbarer Schlüssel zu den ppo_375.015 geheimsten Zugängen der menschlichen Seele. Jch ppo_375.016 gebe zu, daß Eigenliebe und Abhärtung des Gewissens ppo_375.017 nicht selten ihre beste Wirkung vernichten, daß ppo_375.018 sich noch tausend Laster mit frecher Stirne vor ihrem ppo_375.019 Spiegel behaupten; aber wenn wir auch diese ppo_375.020 große Wirkung der Schaubühne einschränken, — ppo_375.021 wie unendlich viel bleibt noch von ihrem Einflusse ppo_375.022 zurück? Wenn sie die Summe der Laster weder ppo_375.023 tilgt noch vermindert; hat sie uns nicht mit denselben ppo_375.024 bekannt gemacht? Mit diesen Lasterhaften, diesen ppo_375.025 Thoren müssen wir leben. Wir müssen ihnen ppo_375.026 ausweichen, oder begegnen; wir müssen sie untergraben, ppo_375.027 oder ihnen unterliegen. Jetzt aber überraschen ppo_375.028 sie uns nicht mehr. Die Schaubühne hat uns das ppo_375.029 Geheimniß verrathen, sie ausfindig und unschädlich ppo_375.030 zu machen. — Zugleich ist die Schaubühne der ppo_375.031 gemeinschaftliche Kanal, in welchen von dem denkenden ppo_375.032 bessern Theile des Volkes das Licht der Weisheit ppo_375.033 herunterströmt, und von da aus in mildern ppo_375.034 Stralen durch den ganzen Staat sich verbreitet.
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andere öffentliche Anstalt des Staates, eine Schule ppo_375.013
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große Wirkung der Schaubühne einschränken, — ppo_375.021
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Geheimniß verrathen, sie ausfindig und unschädlich ppo_375.030
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Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/387>, abgerufen am 24.11.2024.
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