Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.

Bild:
<< vorherige Seite

ppo_330.001
Gefühl der Lust veranlaßt wird. Doch muß der ppo_330.002
Dichter der komischen poetischen Erzählung, bei aller ppo_330.003
Lebendigkeit seiner Darstellung, sich innerhalb der ppo_330.004
Grenzlinie der Erzählung halten, und nicht ins Gebiet ppo_330.005
der eigentlichen Satyre hinüber streifen, welche ppo_330.006
die Unvollkommenheiten der intellectuellen Welt und ppo_330.007
die Gebrechen in der sittlichen Ordnung der Dinge ppo_330.008
mit aller Schärfe geiselt, die, durch den stark versinnlichten ppo_330.009
Abstand der wirklichen Welt zu der Höhe ppo_330.010
des dem Menschen gebotenen Jdeals der Wahrheit ppo_330.011
und sittlichen Güte, in dem Gemüthe des Satyrikers ppo_330.012
erzeugt wird. Von der Fabel, die häufig mit der ppo_330.013
poetischen Erzählung verwechselt wird, unterscheidet ppo_330.014
sie sich bestimmt dadurch, daß der Fabel ausschließend ppo_330.015
die Versinnlichung der Eigenschaften der Thierwelt ppo_330.016
zusteht.

ppo_330.017

Die wesentlichsten Bedingungen der poetischen ppo_330.018
Erzählung sind Leichtigkeit und Natürlichkeit in der ppo_330.019
Darstellung. Eine gewisse Ausführlichkeit wird in ppo_330.020
dieser epischen Form eher, als in den übrigen, dem ppo_330.021
Dichter verziehen, sobald nur nichts eingemischt ppo_330.022
wird, was als entschieden überflüssig und außerwesentlich ppo_330.023
sich ankündigt; die unverkennbare Breite der ppo_330.024
Darstellung aber ist unvereinbar mit der Festhaltung ppo_330.025
des ästhetischen Charakters der Form. Reim ppo_330.026
und Metrum sind, wie bei allen dichterischen Erzeugnissen, ppo_330.027
auch in der poetischen Erzählung keine ppo_330.028
wesentlichen, sondern nur zufällige Eigenschaften ppo_330.029
der äußern Schönheit der Form.

ppo_330.030
48. ppo_330.031
Beispiele der poetischen Erzählung.
ppo_330.032

1) von Burcard Waldis (+ nach 1554).

ppo_330.001
Gefühl der Lust veranlaßt wird. Doch muß der ppo_330.002
Dichter der komischen poetischen Erzählung, bei aller ppo_330.003
Lebendigkeit seiner Darstellung, sich innerhalb der ppo_330.004
Grenzlinie der Erzählung halten, und nicht ins Gebiet ppo_330.005
der eigentlichen Satyre hinüber streifen, welche ppo_330.006
die Unvollkommenheiten der intellectuellen Welt und ppo_330.007
die Gebrechen in der sittlichen Ordnung der Dinge ppo_330.008
mit aller Schärfe geiselt, die, durch den stark versinnlichten ppo_330.009
Abstand der wirklichen Welt zu der Höhe ppo_330.010
des dem Menschen gebotenen Jdeals der Wahrheit ppo_330.011
und sittlichen Güte, in dem Gemüthe des Satyrikers ppo_330.012
erzeugt wird. Von der Fabel, die häufig mit der ppo_330.013
poetischen Erzählung verwechselt wird, unterscheidet ppo_330.014
sie sich bestimmt dadurch, daß der Fabel ausschließend ppo_330.015
die Versinnlichung der Eigenschaften der Thierwelt ppo_330.016
zusteht.

ppo_330.017

Die wesentlichsten Bedingungen der poetischen ppo_330.018
Erzählung sind Leichtigkeit und Natürlichkeit in der ppo_330.019
Darstellung. Eine gewisse Ausführlichkeit wird in ppo_330.020
dieser epischen Form eher, als in den übrigen, dem ppo_330.021
Dichter verziehen, sobald nur nichts eingemischt ppo_330.022
wird, was als entschieden überflüssig und außerwesentlich ppo_330.023
sich ankündigt; die unverkennbare Breite der ppo_330.024
Darstellung aber ist unvereinbar mit der Festhaltung ppo_330.025
des ästhetischen Charakters der Form. Reim ppo_330.026
und Metrum sind, wie bei allen dichterischen Erzeugnissen, ppo_330.027
auch in der poetischen Erzählung keine ppo_330.028
wesentlichen, sondern nur zufällige Eigenschaften ppo_330.029
der äußern Schönheit der Form.

ppo_330.030
48. ppo_330.031
Beispiele der poetischen Erzählung.
ppo_330.032

1) von Burcard Waldis († nach 1554).

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0342" n="330"/><lb n="ppo_330.001"/>Gefühl der Lust veranlaßt wird. Doch muß der <lb n="ppo_330.002"/>Dichter der komischen poetischen Erzählung, bei aller <lb n="ppo_330.003"/>Lebendigkeit seiner Darstellung, sich innerhalb der <lb n="ppo_330.004"/>Grenzlinie der Erzählung halten, und nicht ins Gebiet <lb n="ppo_330.005"/>der eigentlichen Satyre hinüber streifen, welche <lb n="ppo_330.006"/>die Unvollkommenheiten der intellectuellen Welt und <lb n="ppo_330.007"/>die Gebrechen in der sittlichen Ordnung der Dinge <lb n="ppo_330.008"/>mit aller Schärfe geiselt, die, durch den stark versinnlichten <lb n="ppo_330.009"/>Abstand der wirklichen Welt zu der Höhe <lb n="ppo_330.010"/>des dem Menschen gebotenen Jdeals der Wahrheit <lb n="ppo_330.011"/>und sittlichen Güte, in dem Gemüthe des Satyrikers <lb n="ppo_330.012"/>erzeugt wird. Von der Fabel, die häufig mit der <lb n="ppo_330.013"/>poetischen Erzählung verwechselt wird, unterscheidet <lb n="ppo_330.014"/>sie sich bestimmt dadurch, daß der Fabel ausschließend <lb n="ppo_330.015"/>die Versinnlichung der Eigenschaften der Thierwelt <lb n="ppo_330.016"/>zusteht.</p>
          <lb n="ppo_330.017"/>
          <p>  Die wesentlichsten Bedingungen der poetischen <lb n="ppo_330.018"/>Erzählung sind Leichtigkeit und Natürlichkeit in der <lb n="ppo_330.019"/>Darstellung. Eine gewisse Ausführlichkeit wird in <lb n="ppo_330.020"/>dieser epischen Form eher, als in den übrigen, dem <lb n="ppo_330.021"/>Dichter verziehen, sobald nur nichts eingemischt <lb n="ppo_330.022"/>wird, was als entschieden überflüssig und außerwesentlich <lb n="ppo_330.023"/>sich ankündigt; die unverkennbare Breite der <lb n="ppo_330.024"/>Darstellung aber ist unvereinbar mit der Festhaltung <lb n="ppo_330.025"/>des ästhetischen Charakters der Form. Reim <lb n="ppo_330.026"/>und Metrum sind, wie bei allen dichterischen Erzeugnissen, <lb n="ppo_330.027"/>auch in der poetischen Erzählung keine <lb n="ppo_330.028"/>wesentlichen, sondern nur <hi rendition="#g">zufällige</hi> Eigenschaften <lb n="ppo_330.029"/>der <hi rendition="#g">äußern</hi> Schönheit der Form.</p>
        </div>
        <div n="2">
          <lb n="ppo_330.030"/>
          <head> <hi rendition="#c">48. <lb n="ppo_330.031"/><hi rendition="#g">Beispiele der poetischen Erzählung.</hi></hi> </head>
          <lb n="ppo_330.032"/>
          <p> <hi rendition="#et">  1) <hi rendition="#g">von Burcard Waldis</hi> (&#x2020; nach 1554).</hi> </p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[330/0342] ppo_330.001 Gefühl der Lust veranlaßt wird. Doch muß der ppo_330.002 Dichter der komischen poetischen Erzählung, bei aller ppo_330.003 Lebendigkeit seiner Darstellung, sich innerhalb der ppo_330.004 Grenzlinie der Erzählung halten, und nicht ins Gebiet ppo_330.005 der eigentlichen Satyre hinüber streifen, welche ppo_330.006 die Unvollkommenheiten der intellectuellen Welt und ppo_330.007 die Gebrechen in der sittlichen Ordnung der Dinge ppo_330.008 mit aller Schärfe geiselt, die, durch den stark versinnlichten ppo_330.009 Abstand der wirklichen Welt zu der Höhe ppo_330.010 des dem Menschen gebotenen Jdeals der Wahrheit ppo_330.011 und sittlichen Güte, in dem Gemüthe des Satyrikers ppo_330.012 erzeugt wird. Von der Fabel, die häufig mit der ppo_330.013 poetischen Erzählung verwechselt wird, unterscheidet ppo_330.014 sie sich bestimmt dadurch, daß der Fabel ausschließend ppo_330.015 die Versinnlichung der Eigenschaften der Thierwelt ppo_330.016 zusteht. ppo_330.017 Die wesentlichsten Bedingungen der poetischen ppo_330.018 Erzählung sind Leichtigkeit und Natürlichkeit in der ppo_330.019 Darstellung. Eine gewisse Ausführlichkeit wird in ppo_330.020 dieser epischen Form eher, als in den übrigen, dem ppo_330.021 Dichter verziehen, sobald nur nichts eingemischt ppo_330.022 wird, was als entschieden überflüssig und außerwesentlich ppo_330.023 sich ankündigt; die unverkennbare Breite der ppo_330.024 Darstellung aber ist unvereinbar mit der Festhaltung ppo_330.025 des ästhetischen Charakters der Form. Reim ppo_330.026 und Metrum sind, wie bei allen dichterischen Erzeugnissen, ppo_330.027 auch in der poetischen Erzählung keine ppo_330.028 wesentlichen, sondern nur zufällige Eigenschaften ppo_330.029 der äußern Schönheit der Form. ppo_330.030 48. ppo_330.031 Beispiele der poetischen Erzählung. ppo_330.032 1) von Burcard Waldis († nach 1554).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/342
Zitationshilfe: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/342>, abgerufen am 25.11.2024.