Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.ppo_326.001 Jch stell' ihn an Georgens Platz, ppo_326.002
Und alles Volk fällt vor ihm nieder! ppo_326.003 Ein kluger Einfall! Der Vagant ppo_326.004 War in der Gegend nicht bekannt, ppo_326.005 Und nah und fern ließ sich kein Lauscher spüren. ppo_326.006 So hemmte nichts den Capellan, ppo_326.007 Das kühne Wagstück auszuführen, ppo_326.008 Und leise fühlt' er stracks dem Bettler auf den Zahn: ppo_326.009 Ob er des nächsten Tags der Rolle ppo_326.010 Des heiligen Georgs sich unterziehen wolle. ppo_326.011 Der Gauner hätte wohl, für ein Glas Brantewein, ppo_326.012 Sich nicht bedacht, der Teufel selbst zu seyn. ppo_326.013 Was sollt' er lange sich besinnen, ppo_326.014 Als Heiliger ein Trinkgeld zu gewinnen? ppo_326.015 Er sagte Ja, verschlief die Nacht ppo_326.016 Jn einem Winkel der Capelle, ppo_326.017 Und blähte sich bei früher Tageshelle, ppo_326.018 Bekleidet mit der Gallatracht ppo_326.019 Des Heiligen, an seiner Stelle. -- ppo_326.020 Bald fanden sich viel fromme Seelen ein, ppo_326.021 Und strömten hin zum Könige des Festes. ppo_326.022 Er that, wie ihm befohlen war, sein Bestes, ppo_326.023 Und stand wie ein gebohrner Stein. ppo_326.024 Sie warfen sich mit flehenden Gebärden ppo_326.025 Zu seinen Füßen auf die Knie, ppo_326.026 Und glaubten fest, von ihm gehört zu werden, ppo_326.027 Seht, wie er lächelt, riefen sie, -- ppo_326.028 Er blickt uns an, als lebt' er noch auf Erden! ppo_326.029 Der Afterheilige vernahm ppo_326.030 Mit Schrecken diese Schmeichelworte, ppo_326.031 Verwünschte still den bösen Kram, ppo_326.032 Und sehnte weit sich weg von seinem Orte, ppo_326.033 Wo bald das Ding noch schlimmer kam. -- ppo_326.034 Ein Teufelchen, das -- ohne Zweifel ppo_326.001 Jch stell' ihn an Georgens Platz, ppo_326.002
Und alles Volk fällt vor ihm nieder! ppo_326.003 Ein kluger Einfall! Der Vagant ppo_326.004 War in der Gegend nicht bekannt, ppo_326.005 Und nah und fern ließ sich kein Lauscher spüren. ppo_326.006 So hemmte nichts den Capellan, ppo_326.007 Das kühne Wagstück auszuführen, ppo_326.008 Und leise fühlt' er stracks dem Bettler auf den Zahn: ppo_326.009 Ob er des nächsten Tags der Rolle ppo_326.010 Des heiligen Georgs sich unterziehen wolle. ppo_326.011 Der Gauner hätte wohl, für ein Glas Brantewein, ppo_326.012 Sich nicht bedacht, der Teufel selbst zu seyn. ppo_326.013 Was sollt' er lange sich besinnen, ppo_326.014 Als Heiliger ein Trinkgeld zu gewinnen? ppo_326.015 Er sagte Ja, verschlief die Nacht ppo_326.016 Jn einem Winkel der Capelle, ppo_326.017 Und blähte sich bei früher Tageshelle, ppo_326.018 Bekleidet mit der Gallatracht ppo_326.019 Des Heiligen, an seiner Stelle. — ppo_326.020 Bald fanden sich viel fromme Seelen ein, ppo_326.021 Und strömten hin zum Könige des Festes. ppo_326.022 Er that, wie ihm befohlen war, sein Bestes, ppo_326.023 Und stand wie ein gebohrner Stein. ppo_326.024 Sie warfen sich mit flehenden Gebärden ppo_326.025 Zu seinen Füßen auf die Knie, ppo_326.026 Und glaubten fest, von ihm gehört zu werden, ppo_326.027 Seht, wie er lächelt, riefen sie, — ppo_326.028 Er blickt uns an, als lebt' er noch auf Erden! ppo_326.029 Der Afterheilige vernahm ppo_326.030 Mit Schrecken diese Schmeichelworte, ppo_326.031 Verwünschte still den bösen Kram, ppo_326.032 Und sehnte weit sich weg von seinem Orte, ppo_326.033 Wo bald das Ding noch schlimmer kam. — ppo_326.034 Ein Teufelchen, das — ohne Zweifel <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0338" n="326"/> <lb n="ppo_326.001"/> <lg> <l>Jch stell' ihn an Georgens Platz,</l> <lb n="ppo_326.002"/> <l>Und alles Volk fällt vor ihm nieder!</l> <lb n="ppo_326.003"/> <l> Ein kluger Einfall! Der Vagant</l> <lb n="ppo_326.004"/> <l>War in der Gegend nicht bekannt,</l> <lb n="ppo_326.005"/> <l>Und nah und fern ließ sich kein Lauscher spüren.</l> <lb n="ppo_326.006"/> <l>So hemmte nichts den Capellan,</l> <lb n="ppo_326.007"/> <l>Das kühne Wagstück auszuführen,</l> <lb n="ppo_326.008"/> <l>Und leise fühlt' er stracks dem Bettler auf den Zahn:</l> <lb n="ppo_326.009"/> <l>Ob er des nächsten Tags der Rolle</l> <lb n="ppo_326.010"/> <l>Des heiligen Georgs sich unterziehen wolle.</l> <lb n="ppo_326.011"/> <l> Der Gauner hätte wohl, für ein Glas Brantewein,</l> <lb n="ppo_326.012"/> <l>Sich nicht bedacht, der Teufel selbst zu seyn.</l> <lb n="ppo_326.013"/> <l>Was sollt' er lange sich besinnen,</l> <lb n="ppo_326.014"/> <l>Als Heiliger ein Trinkgeld zu gewinnen?</l> <lb n="ppo_326.015"/> <l>Er sagte Ja, verschlief die Nacht</l> <lb n="ppo_326.016"/> <l>Jn einem Winkel der Capelle,</l> <lb n="ppo_326.017"/> <l>Und blähte sich bei früher Tageshelle,</l> <lb n="ppo_326.018"/> <l>Bekleidet mit der Gallatracht</l> <lb n="ppo_326.019"/> <l>Des Heiligen, an seiner Stelle. —</l> <lb n="ppo_326.020"/> <l> Bald fanden sich viel fromme Seelen ein,</l> <lb n="ppo_326.021"/> <l>Und strömten hin zum Könige des Festes.</l> <lb n="ppo_326.022"/> <l>Er that, wie ihm befohlen war, sein Bestes,</l> <lb n="ppo_326.023"/> <l>Und stand wie ein gebohrner Stein.</l> <lb n="ppo_326.024"/> <l>Sie warfen sich mit flehenden Gebärden</l> <lb n="ppo_326.025"/> <l>Zu seinen Füßen auf die Knie,</l> <lb n="ppo_326.026"/> <l>Und glaubten fest, von ihm gehört zu werden,</l> <lb n="ppo_326.027"/> <l>Seht, wie er lächelt, riefen sie, —</l> <lb n="ppo_326.028"/> <l>Er blickt uns an, als lebt' er noch auf Erden!</l> <lb n="ppo_326.029"/> <l> Der Afterheilige vernahm</l> <lb n="ppo_326.030"/> <l>Mit Schrecken diese Schmeichelworte,</l> <lb n="ppo_326.031"/> <l>Verwünschte still den bösen Kram,</l> <lb n="ppo_326.032"/> <l>Und sehnte weit sich weg von seinem Orte,</l> <lb n="ppo_326.033"/> <l>Wo bald das Ding noch schlimmer kam. —</l> <lb n="ppo_326.034"/> <l> Ein Teufelchen, das — ohne Zweifel</l> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [326/0338]
ppo_326.001
Jch stell' ihn an Georgens Platz, ppo_326.002
Und alles Volk fällt vor ihm nieder! ppo_326.003
Ein kluger Einfall! Der Vagant ppo_326.004
War in der Gegend nicht bekannt, ppo_326.005
Und nah und fern ließ sich kein Lauscher spüren. ppo_326.006
So hemmte nichts den Capellan, ppo_326.007
Das kühne Wagstück auszuführen, ppo_326.008
Und leise fühlt' er stracks dem Bettler auf den Zahn: ppo_326.009
Ob er des nächsten Tags der Rolle ppo_326.010
Des heiligen Georgs sich unterziehen wolle. ppo_326.011
Der Gauner hätte wohl, für ein Glas Brantewein, ppo_326.012
Sich nicht bedacht, der Teufel selbst zu seyn. ppo_326.013
Was sollt' er lange sich besinnen, ppo_326.014
Als Heiliger ein Trinkgeld zu gewinnen? ppo_326.015
Er sagte Ja, verschlief die Nacht ppo_326.016
Jn einem Winkel der Capelle, ppo_326.017
Und blähte sich bei früher Tageshelle, ppo_326.018
Bekleidet mit der Gallatracht ppo_326.019
Des Heiligen, an seiner Stelle. — ppo_326.020
Bald fanden sich viel fromme Seelen ein, ppo_326.021
Und strömten hin zum Könige des Festes. ppo_326.022
Er that, wie ihm befohlen war, sein Bestes, ppo_326.023
Und stand wie ein gebohrner Stein. ppo_326.024
Sie warfen sich mit flehenden Gebärden ppo_326.025
Zu seinen Füßen auf die Knie, ppo_326.026
Und glaubten fest, von ihm gehört zu werden, ppo_326.027
Seht, wie er lächelt, riefen sie, — ppo_326.028
Er blickt uns an, als lebt' er noch auf Erden! ppo_326.029
Der Afterheilige vernahm ppo_326.030
Mit Schrecken diese Schmeichelworte, ppo_326.031
Verwünschte still den bösen Kram, ppo_326.032
Und sehnte weit sich weg von seinem Orte, ppo_326.033
Wo bald das Ding noch schlimmer kam. — ppo_326.034
Ein Teufelchen, das — ohne Zweifel
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/338 |
Zitationshilfe: | Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/338>, abgerufen am 16.02.2025. |