Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.ppo_222.001 Du bahntest ihr die Wege, Erfinderin der Wahrheit, ppo_222.002
Die du den Geist erheiterst, der dann, durch dich gelenkt, ppo_222.003 In Schlüssen und Verbindung nach deinen Regeln denkt. ppo_222.004 Dein starker Geist enthüllet der Wahrheit sichre Zeichen, ppo_222.005 Durch richtiges Zergliedern, Zertheilen und Vergleichen. ppo_222.006 Du zogst an ehrnen Ketten den Jrrthum hinter her, ppo_222.007 Die Brut der Vorurtheile, ein unzählbares Heer; ppo_222.008 Des Witzes Erstgeburten, phantastische Geschlechter, ppo_222.009 Den Wahn, die blöde Meinung, und ihre blinden ppo_222.010 Töchter. ppo_222.011 Den frechen Sekteneifer, der unterm Sklavenjoch, ppo_222.012 Gezerrt vom alten Jrrthum, noch stolz im Staube kroch; ppo_222.013 Die bauten Hypothesen, geflügelte Chimären, ppo_222.014 Den dummen Aberglauben mit seinen finstern Heeren. ppo_222.015 O Wahrheit, wo ihr Flügel das forschende Gesicht ppo_222.016 Der Sterblichen umflattert, stralt deine Fackel nicht; ppo_222.017 Da werden dich die Füße der Priester niedertreten, ppo_222.018 Vor deinem dunkeln Altar den Jrrthum anzubeten. ppo_222.019 Der Haß wird dich verfolgen, und der Zeloten Zunft ppo_222.020 Aus frommem Grimme rufen: Verflucht sey die Vernunft! ppo_222.021 Mit Flammen wird der Pöbel sich an den Weisen rächen, ppo_222.022 Und wer nicht gläubig irret, wird dann den Tod verbrechen! ppo_222.023 ppo_222.024 Jhr folgte das Naturrecht im fliegenden Gewand; ppo_222.025 Ein heiliges Gesetzbuch trägt ihre rechte Hand; ppo_222.026 Gesetze, die der Schöpfer in unläugbaren Trieben ppo_222.027 Den denkenden Geschöpfen tief in die Brust geschrieben, ppo_222.028 Die auch der Malabare, der ohn' Erkenntniß irrt, ppo_222.029 So sehr er sie verläugnet, nie ganz vertilgen wird. ppo_222.030 Sie hat die Welt versöhnet, sie hat den Zwist vertrieben; ppo_222.031 ppo_222.032 Von ihr lernt beßre Nachkunft Gerechtigkeit zu üben; ppo_222.033 Der Frevel geht an Ketten, und ihre größte Pflicht ppo_222.034 Lehrt: Menschen seyd verträglich, beleidigt Andre nicht! ppo_222.001 Du bahntest ihr die Wege, Erfinderin der Wahrheit, ppo_222.002
Die du den Geist erheiterst, der dann, durch dich gelenkt, ppo_222.003 In Schlüssen und Verbindung nach deinen Regeln denkt. ppo_222.004 Dein starker Geist enthüllet der Wahrheit sichre Zeichen, ppo_222.005 Durch richtiges Zergliedern, Zertheilen und Vergleichen. ppo_222.006 Du zogst an ehrnen Ketten den Jrrthum hinter her, ppo_222.007 Die Brut der Vorurtheile, ein unzählbares Heer; ppo_222.008 Des Witzes Erstgeburten, phantastische Geschlechter, ppo_222.009 Den Wahn, die blöde Meinung, und ihre blinden ppo_222.010 Töchter. ppo_222.011 Den frechen Sekteneifer, der unterm Sklavenjoch, ppo_222.012 Gezerrt vom alten Jrrthum, noch stolz im Staube kroch; ppo_222.013 Die bauten Hypothesen, geflügelte Chimären, ppo_222.014 Den dummen Aberglauben mit seinen finstern Heeren. ppo_222.015 O Wahrheit, wo ihr Flügel das forschende Gesicht ppo_222.016 Der Sterblichen umflattert, stralt deine Fackel nicht; ppo_222.017 Da werden dich die Füße der Priester niedertreten, ppo_222.018 Vor deinem dunkeln Altar den Jrrthum anzubeten. ppo_222.019 Der Haß wird dich verfolgen, und der Zeloten Zunft ppo_222.020 Aus frommem Grimme rufen: Verflucht sey die Vernunft! ppo_222.021 Mit Flammen wird der Pöbel sich an den Weisen rächen, ppo_222.022 Und wer nicht gläubig irret, wird dann den Tod verbrechen! ppo_222.023 ppo_222.024 Jhr folgte das Naturrecht im fliegenden Gewand; ppo_222.025 Ein heiliges Gesetzbuch trägt ihre rechte Hand; ppo_222.026 Gesetze, die der Schöpfer in unläugbaren Trieben ppo_222.027 Den denkenden Geschöpfen tief in die Brust geschrieben, ppo_222.028 Die auch der Malabare, der ohn' Erkenntniß irrt, ppo_222.029 So sehr er sie verläugnet, nie ganz vertilgen wird. ppo_222.030 Sie hat die Welt versöhnet, sie hat den Zwist vertrieben; ppo_222.031 ppo_222.032 Von ihr lernt beßre Nachkunft Gerechtigkeit zu üben; ppo_222.033 Der Frevel geht an Ketten, und ihre größte Pflicht ppo_222.034 Lehrt: Menschen seyd verträglich, beleidigt Andre nicht! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0234" n="222"/> <lb n="ppo_222.001"/> <lg> <l> Du bahntest ihr die Wege, Erfinderin der Wahrheit,</l> <lb n="ppo_222.002"/> <l>Die du den Geist erheiterst, der dann, durch dich gelenkt,</l> <lb n="ppo_222.003"/> <l>In Schlüssen und Verbindung nach deinen Regeln denkt.</l> <lb n="ppo_222.004"/> <l>Dein starker Geist enthüllet der Wahrheit sichre Zeichen,</l> <lb n="ppo_222.005"/> <l>Durch richtiges Zergliedern, Zertheilen und Vergleichen.</l> <lb n="ppo_222.006"/> <l>Du zogst an ehrnen Ketten den Jrrthum hinter her,</l> <lb n="ppo_222.007"/> <l>Die Brut der Vorurtheile, ein unzählbares Heer;</l> <lb n="ppo_222.008"/> <l>Des Witzes Erstgeburten, phantastische Geschlechter,</l> <lb n="ppo_222.009"/> <l>Den Wahn, die blöde Meinung, und ihre blinden</l> <lb n="ppo_222.010"/> <l> <hi rendition="#right">Töchter.</hi> </l> <lb n="ppo_222.011"/> <l>Den frechen Sekteneifer, der unterm Sklavenjoch,</l> <lb n="ppo_222.012"/> <l>Gezerrt vom alten Jrrthum, noch stolz im Staube kroch;</l> <lb n="ppo_222.013"/> <l>Die bauten Hypothesen, geflügelte Chimären,</l> <lb n="ppo_222.014"/> <l>Den dummen Aberglauben mit seinen finstern Heeren.</l> <lb n="ppo_222.015"/> <l> O Wahrheit, wo ihr Flügel das forschende Gesicht</l> <lb n="ppo_222.016"/> <l>Der Sterblichen umflattert, stralt deine Fackel nicht;</l> <lb n="ppo_222.017"/> <l>Da werden dich die Füße der Priester niedertreten,</l> <lb n="ppo_222.018"/> <l>Vor deinem dunkeln Altar den Jrrthum anzubeten.</l> <lb n="ppo_222.019"/> <l>Der Haß wird dich verfolgen, und der Zeloten Zunft</l> <lb n="ppo_222.020"/> <l>Aus frommem Grimme rufen: Verflucht sey die Vernunft!</l> <lb n="ppo_222.021"/> <l>Mit Flammen wird der Pöbel sich an den Weisen rächen,</l> <lb n="ppo_222.022"/> <l>Und wer nicht gläubig irret, wird dann den Tod verbrechen!</l> <lb n="ppo_222.023"/> <l/> <lb n="ppo_222.024"/> <l> Jhr folgte das Naturrecht im fliegenden Gewand;</l> <lb n="ppo_222.025"/> <l>Ein heiliges Gesetzbuch trägt ihre rechte Hand;</l> <lb n="ppo_222.026"/> <l>Gesetze, die der Schöpfer in unläugbaren Trieben</l> <lb n="ppo_222.027"/> <l>Den denkenden Geschöpfen tief in die Brust geschrieben,</l> <lb n="ppo_222.028"/> <l>Die auch der Malabare, der ohn' Erkenntniß irrt,</l> <lb n="ppo_222.029"/> <l>So sehr er sie verläugnet, nie ganz vertilgen wird.</l> <lb n="ppo_222.030"/> <l>Sie hat die Welt versöhnet, sie hat den Zwist vertrieben;</l> <lb n="ppo_222.031"/> <l/> <lb n="ppo_222.032"/> <l>Von ihr lernt beßre Nachkunft Gerechtigkeit zu üben;</l> <lb n="ppo_222.033"/> <l>Der Frevel geht an Ketten, und ihre größte Pflicht</l> <lb n="ppo_222.034"/> <l>Lehrt: Menschen seyd verträglich, beleidigt Andre nicht!</l> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [222/0234]
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Zitationshilfe: | Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/234>, abgerufen am 18.07.2024. |