ppo_212.001 Versinnlichung gewisser Wahrheiten und Lehren ppo_212.002 aus den Kreisen der Wissenschaften und der Künste, ppo_212.003 welche, durch ihre Bedeutsamkeit, Größe, Tiefe ppo_212.004 und Fülle, eine kräftige Bewegung des Gefühlsvermögens, ppo_212.005 und, vermittelst dieser Bewegung, die dichterische ppo_212.006 Darstellung ihrer Gegenstände bewirkten. ppo_212.007 Nur solche Erzeugnisse der didactischen Form der ppo_212.008 Dichtkunst werden dem Gesetze der Form entsprechen, ppo_212.009 sobald der Dichter -- was sich von selbst in Hinficht ppo_212.010 einer vollendeten dichterischen Form versteht -- ppo_212.011 die übrigen Bedingungen dieses Gesetzes an jedeppo_212.012 ästhetisch vollendete stylistische Form erfüllt.
ppo_212.013
Wenn daher in dem Lehrgedichte Gefühle vorherrschen ppo_212.014 und zur Einheit der Form erhoben werden, ppo_212.015 welche durch vorausgegangene Jdeen der Vernunft ppo_212.016 zum deutlichen Bewußtseyn gelangen; so folgt ppo_212.017 von selbst, daß das Lehrgedicht diese Jdeen der ppo_212.018 Vernunft nicht nach ihrem Verhältnisse zum Gebiete ppo_212.019 der menschlichen Erkenntniß (wie z. B. in der Metaphysik, ppo_212.020 in der Sittenlehre &c.), sondern nach ihrer ppo_212.021 Wirkung auf das Gefühlsvermögen darstellt. Deshalb ppo_212.022 darf auch weder die Darstellung des Lehrgedichts ppo_212.023 im Ganzen, noch im Einzelnen die Aufeinanderfolge ppo_212.024 der ästhetisch behandelten Jdeen der Vernunft ppo_212.025 den Anstrich einer systematischen Abhandlung oder ppo_212.026 einer logisch streng berechneten Entwickelung enthalten, ppo_212.027 weil beides dem naturgemäßen Ergusse mächtig ppo_212.028 aufgeregter Gefühle widerstreitet. Eben so wenig ppo_212.029 wird von dem didactischen Dichter eine die dargestellten ppo_212.030 Jdeen planmäßig erschöpfende -- oder gegen jeden ppo_212.031 Einwurf polemisch durchführende -- Behandlung verlangt; ppo_212.032 dagegen versinnlicht der Dichter die zu seinem ppo_212.033 Bewußtseyn gelangten Jdeen der Vernunft unter ppo_212.034 der idealisirten Einheit eines Bildes, das um seiner
ppo_212.001 Versinnlichung gewisser Wahrheiten und Lehren ppo_212.002 aus den Kreisen der Wissenschaften und der Künste, ppo_212.003 welche, durch ihre Bedeutsamkeit, Größe, Tiefe ppo_212.004 und Fülle, eine kräftige Bewegung des Gefühlsvermögens, ppo_212.005 und, vermittelst dieser Bewegung, die dichterische ppo_212.006 Darstellung ihrer Gegenstände bewirkten. ppo_212.007 Nur solche Erzeugnisse der didactischen Form der ppo_212.008 Dichtkunst werden dem Gesetze der Form entsprechen, ppo_212.009 sobald der Dichter — was sich von selbst in Hinficht ppo_212.010 einer vollendeten dichterischen Form versteht — ppo_212.011 die übrigen Bedingungen dieses Gesetzes an jedeppo_212.012 ästhetisch vollendete stylistische Form erfüllt.
ppo_212.013
Wenn daher in dem Lehrgedichte Gefühle vorherrschen ppo_212.014 und zur Einheit der Form erhoben werden, ppo_212.015 welche durch vorausgegangene Jdeen der Vernunft ppo_212.016 zum deutlichen Bewußtseyn gelangen; so folgt ppo_212.017 von selbst, daß das Lehrgedicht diese Jdeen der ppo_212.018 Vernunft nicht nach ihrem Verhältnisse zum Gebiete ppo_212.019 der menschlichen Erkenntniß (wie z. B. in der Metaphysik, ppo_212.020 in der Sittenlehre &c.), sondern nach ihrer ppo_212.021 Wirkung auf das Gefühlsvermögen darstellt. Deshalb ppo_212.022 darf auch weder die Darstellung des Lehrgedichts ppo_212.023 im Ganzen, noch im Einzelnen die Aufeinanderfolge ppo_212.024 der ästhetisch behandelten Jdeen der Vernunft ppo_212.025 den Anstrich einer systematischen Abhandlung oder ppo_212.026 einer logisch streng berechneten Entwickelung enthalten, ppo_212.027 weil beides dem naturgemäßen Ergusse mächtig ppo_212.028 aufgeregter Gefühle widerstreitet. Eben so wenig ppo_212.029 wird von dem didactischen Dichter eine die dargestellten ppo_212.030 Jdeen planmäßig erschöpfende — oder gegen jeden ppo_212.031 Einwurf polemisch durchführende — Behandlung verlangt; ppo_212.032 dagegen versinnlicht der Dichter die zu seinem ppo_212.033 Bewußtseyn gelangten Jdeen der Vernunft unter ppo_212.034 der idealisirten Einheit eines Bildes, das um seiner
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0224"n="212"/><lbn="ppo_212.001"/> Versinnlichung gewisser Wahrheiten und Lehren <lbn="ppo_212.002"/>aus den Kreisen der Wissenschaften und der Künste, <lbn="ppo_212.003"/>welche, durch ihre Bedeutsamkeit, Größe, Tiefe <lbn="ppo_212.004"/>und Fülle, eine kräftige Bewegung des Gefühlsvermögens, <lbn="ppo_212.005"/>und, vermittelst dieser Bewegung, die dichterische <lbn="ppo_212.006"/>Darstellung ihrer Gegenstände bewirkten. <lbn="ppo_212.007"/>Nur <hirendition="#g">solche</hi> Erzeugnisse der didactischen Form der <lbn="ppo_212.008"/>Dichtkunst werden dem Gesetze der Form entsprechen, <lbn="ppo_212.009"/>sobald der Dichter — was sich von selbst in Hinficht <lbn="ppo_212.010"/>einer vollendeten dichterischen Form versteht —<lbn="ppo_212.011"/>die übrigen Bedingungen dieses Gesetzes an <hirendition="#g">jede</hi><lbn="ppo_212.012"/>ästhetisch vollendete stylistische Form erfüllt.</p><lbn="ppo_212.013"/><p> Wenn daher in dem Lehrgedichte Gefühle vorherrschen <lbn="ppo_212.014"/>und zur Einheit der Form erhoben werden, <lbn="ppo_212.015"/>welche durch vorausgegangene Jdeen der Vernunft <lbn="ppo_212.016"/>zum deutlichen Bewußtseyn gelangen; so folgt <lbn="ppo_212.017"/>von selbst, daß das Lehrgedicht diese Jdeen der <lbn="ppo_212.018"/>Vernunft nicht nach ihrem Verhältnisse zum Gebiete <lbn="ppo_212.019"/>der menschlichen Erkenntniß (wie z. B. in der Metaphysik, <lbn="ppo_212.020"/>in der Sittenlehre &c.), sondern nach ihrer <lbn="ppo_212.021"/>Wirkung auf das Gefühlsvermögen darstellt. Deshalb <lbn="ppo_212.022"/>darf auch weder die Darstellung des Lehrgedichts <lbn="ppo_212.023"/>im Ganzen, noch im Einzelnen die Aufeinanderfolge <lbn="ppo_212.024"/>der ästhetisch behandelten Jdeen der Vernunft <lbn="ppo_212.025"/>den Anstrich einer systematischen Abhandlung oder <lbn="ppo_212.026"/>einer logisch streng berechneten Entwickelung enthalten, <lbn="ppo_212.027"/>weil beides dem naturgemäßen Ergusse mächtig <lbn="ppo_212.028"/>aufgeregter Gefühle widerstreitet. Eben so wenig <lbn="ppo_212.029"/>wird von dem didactischen Dichter eine die dargestellten <lbn="ppo_212.030"/>Jdeen planmäßig erschöpfende — oder gegen jeden <lbn="ppo_212.031"/>Einwurf polemisch durchführende — Behandlung verlangt; <lbn="ppo_212.032"/>dagegen versinnlicht der Dichter die zu seinem <lbn="ppo_212.033"/>Bewußtseyn gelangten Jdeen der Vernunft unter <lbn="ppo_212.034"/>der idealisirten Einheit eines <hirendition="#g">Bildes,</hi> das um seiner
</p></div></div></body></text></TEI>
[212/0224]
ppo_212.001
Versinnlichung gewisser Wahrheiten und Lehren ppo_212.002
aus den Kreisen der Wissenschaften und der Künste, ppo_212.003
welche, durch ihre Bedeutsamkeit, Größe, Tiefe ppo_212.004
und Fülle, eine kräftige Bewegung des Gefühlsvermögens, ppo_212.005
und, vermittelst dieser Bewegung, die dichterische ppo_212.006
Darstellung ihrer Gegenstände bewirkten. ppo_212.007
Nur solche Erzeugnisse der didactischen Form der ppo_212.008
Dichtkunst werden dem Gesetze der Form entsprechen, ppo_212.009
sobald der Dichter — was sich von selbst in Hinficht ppo_212.010
einer vollendeten dichterischen Form versteht — ppo_212.011
die übrigen Bedingungen dieses Gesetzes an jede ppo_212.012
ästhetisch vollendete stylistische Form erfüllt.
ppo_212.013
Wenn daher in dem Lehrgedichte Gefühle vorherrschen ppo_212.014
und zur Einheit der Form erhoben werden, ppo_212.015
welche durch vorausgegangene Jdeen der Vernunft ppo_212.016
zum deutlichen Bewußtseyn gelangen; so folgt ppo_212.017
von selbst, daß das Lehrgedicht diese Jdeen der ppo_212.018
Vernunft nicht nach ihrem Verhältnisse zum Gebiete ppo_212.019
der menschlichen Erkenntniß (wie z. B. in der Metaphysik, ppo_212.020
in der Sittenlehre &c.), sondern nach ihrer ppo_212.021
Wirkung auf das Gefühlsvermögen darstellt. Deshalb ppo_212.022
darf auch weder die Darstellung des Lehrgedichts ppo_212.023
im Ganzen, noch im Einzelnen die Aufeinanderfolge ppo_212.024
der ästhetisch behandelten Jdeen der Vernunft ppo_212.025
den Anstrich einer systematischen Abhandlung oder ppo_212.026
einer logisch streng berechneten Entwickelung enthalten, ppo_212.027
weil beides dem naturgemäßen Ergusse mächtig ppo_212.028
aufgeregter Gefühle widerstreitet. Eben so wenig ppo_212.029
wird von dem didactischen Dichter eine die dargestellten ppo_212.030
Jdeen planmäßig erschöpfende — oder gegen jeden ppo_212.031
Einwurf polemisch durchführende — Behandlung verlangt; ppo_212.032
dagegen versinnlicht der Dichter die zu seinem ppo_212.033
Bewußtseyn gelangten Jdeen der Vernunft unter ppo_212.034
der idealisirten Einheit eines Bildes, das um seiner
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: gekennzeichnet;
Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: nicht übernommen;
Kustoden: nicht übernommen;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine;
rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: nicht übernommen;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/224>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.