Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.ppo_120.001 Jch sinke tiefer vor dir hin! -- Du warst, ppo_120.002
Eh' aller deiner Stralensöhne frühester ppo_120.003 Mit unnennbaren Wonnen: "Liebe! Liebe!" ppo_120.004 Mit jedem Stral des Augs, mit jedem Schlage ppo_120.005 Des lebensvollen Herzens, ppo_120.006 Erstaunet über sich, und jede Regung seiner ppo_120.007 Natur dir "Liebe! Liebe!" rief -- -- ppo_120.008 Da aller Thronen Erster aufzustreben ppo_120.009 An deiner Herrlichkeiten Saum ppo_120.010 Vor Milliarden Sonnenjahren ppo_120.011 Die kühnen Schwingen schwang -- ppo_120.012 Und im Gefühle seines Seyns, ppo_120.013 Und deines undurchdringlichen Vorherseyns, ppo_120.014 Von Wonne trunken niedersank und schwieg; ppo_120.015 Da warst du ewig schon! Nur Jünglinge, nur Knaben sind ppo_120.016 Vor dir, du Ewiglebender, ppo_120.017 Nur Embryonen sind der Leben frühste; ppo_120.018 Sie, die den Erdball werden sahn, ppo_120.019 Jhn blühen sahn mit tausend neuen Leben; ppo_120.020 Verblühen wieder, wieder aufblühn sahn ppo_120.021 Den Erdenball, der mich im Unermeßlichen ppo_120.022 Vor deinem Angesicht vorüberträgt. -- ppo_120.023 Was bin dann ich, was ich vor dir? ppo_120.024 Unreifer Staub bin ich! Ein Tropfen nur ppo_120.025 Vom Meere hingespritzt ans Ufer ppo_120.026 Der Wesen, bin seit gestern nur! ppo_120.027 Kaum lebend! Staub! noch kaum entsunken ppo_120.028 Der Nichtempfindung! ppo_120.029 Kaum sichtbar, Wesen kaum, ein Hauch, ppo_120.030 Der erst hinüberzittert an die Grenze ppo_120.031 Des Seyns, des Menschenlebens oder Todes. ppo_120.032 Was bin ich dann? was ich vor dir? ppo_120.033 Vor dir, der ist, der war, der seyn wird! ppo_120.034 Wer bin ich, daß mit dir ich reden, ppo_120.001 Jch sinke tiefer vor dir hin! — Du warst, ppo_120.002
Eh' aller deiner Stralensöhne frühester ppo_120.003 Mit unnennbaren Wonnen: „Liebe! Liebe!“ ppo_120.004 Mit jedem Stral des Augs, mit jedem Schlage ppo_120.005 Des lebensvollen Herzens, ppo_120.006 Erstaunet über sich, und jede Regung seiner ppo_120.007 Natur dir „Liebe! Liebe!“ rief — — ppo_120.008 Da aller Thronen Erster aufzustreben ppo_120.009 An deiner Herrlichkeiten Saum ppo_120.010 Vor Milliarden Sonnenjahren ppo_120.011 Die kühnen Schwingen schwang — ppo_120.012 Und im Gefühle seines Seyns, ppo_120.013 Und deines undurchdringlichen Vorherseyns, ppo_120.014 Von Wonne trunken niedersank und schwieg; ppo_120.015 Da warst du ewig schon! Nur Jünglinge, nur Knaben sind ppo_120.016 Vor dir, du Ewiglebender, ppo_120.017 Nur Embryonen sind der Leben frühste; ppo_120.018 Sie, die den Erdball werden sahn, ppo_120.019 Jhn blühen sahn mit tausend neuen Leben; ppo_120.020 Verblühen wieder, wieder aufblühn sahn ppo_120.021 Den Erdenball, der mich im Unermeßlichen ppo_120.022 Vor deinem Angesicht vorüberträgt. — ppo_120.023 Was bin dann ich, was ich vor dir? ppo_120.024 Unreifer Staub bin ich! Ein Tropfen nur ppo_120.025 Vom Meere hingespritzt ans Ufer ppo_120.026 Der Wesen, bin seit gestern nur! ppo_120.027 Kaum lebend! Staub! noch kaum entsunken ppo_120.028 Der Nichtempfindung! ppo_120.029 Kaum sichtbar, Wesen kaum, ein Hauch, ppo_120.030 Der erst hinüberzittert an die Grenze ppo_120.031 Des Seyns, des Menschenlebens oder Todes. ppo_120.032 Was bin ich dann? was ich vor dir? ppo_120.033 Vor dir, der ist, der war, der seyn wird! ppo_120.034 Wer bin ich, daß mit dir ich reden, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0132" n="120"/> <lb n="ppo_120.001"/> <lg> <l>Jch sinke tiefer vor dir hin! — Du warst,</l> <lb n="ppo_120.002"/> <l>Eh' aller deiner Stralensöhne frühester</l> <lb n="ppo_120.003"/> <l>Mit unnennbaren Wonnen: „Liebe! Liebe!“</l> <lb n="ppo_120.004"/> <l>Mit jedem Stral des Augs, mit jedem Schlage</l> <lb n="ppo_120.005"/> <l>Des lebensvollen Herzens,</l> <lb n="ppo_120.006"/> <l>Erstaunet über sich, und jede Regung seiner</l> <lb n="ppo_120.007"/> <l>Natur dir „Liebe! Liebe!“ rief — —</l> <lb n="ppo_120.008"/> <l>Da aller Thronen Erster aufzustreben</l> <lb n="ppo_120.009"/> <l>An deiner Herrlichkeiten Saum</l> <lb n="ppo_120.010"/> <l>Vor Milliarden Sonnenjahren</l> <lb n="ppo_120.011"/> <l>Die kühnen Schwingen schwang —</l> <lb n="ppo_120.012"/> <l>Und im Gefühle seines Seyns,</l> <lb n="ppo_120.013"/> <l>Und deines undurchdringlichen Vorherseyns,</l> <lb n="ppo_120.014"/> <l>Von Wonne trunken niedersank und schwieg;</l> <lb n="ppo_120.015"/> <l>Da warst du ewig schon! Nur Jünglinge, nur Knaben sind</l> <lb n="ppo_120.016"/> <l>Vor dir, du Ewiglebender,</l> <lb n="ppo_120.017"/> <l>Nur Embryonen sind der Leben frühste;</l> <lb n="ppo_120.018"/> <l>Sie, die den Erdball werden sahn,</l> <lb n="ppo_120.019"/> <l>Jhn blühen sahn mit tausend neuen Leben;</l> <lb n="ppo_120.020"/> <l>Verblühen wieder, wieder aufblühn sahn</l> <lb n="ppo_120.021"/> <l>Den Erdenball, der mich im Unermeßlichen</l> <lb n="ppo_120.022"/> <l>Vor deinem Angesicht vorüberträgt. —</l> <lb n="ppo_120.023"/> <l> Was bin dann ich, was ich vor dir?</l> <lb n="ppo_120.024"/> <l>Unreifer Staub bin ich! Ein Tropfen nur</l> <lb n="ppo_120.025"/> <l>Vom Meere hingespritzt ans Ufer</l> <lb n="ppo_120.026"/> <l>Der Wesen, bin seit gestern nur!</l> <lb n="ppo_120.027"/> <l>Kaum lebend! Staub! noch kaum entsunken</l> <lb n="ppo_120.028"/> <l>Der Nichtempfindung!</l> <lb n="ppo_120.029"/> <l>Kaum sichtbar, Wesen kaum, ein Hauch,</l> <lb n="ppo_120.030"/> <l>Der erst hinüberzittert an die Grenze</l> <lb n="ppo_120.031"/> <l>Des Seyns, des Menschenlebens oder Todes.</l> <lb n="ppo_120.032"/> <l>Was bin ich dann? was ich vor dir?</l> <lb n="ppo_120.033"/> <l>Vor dir, der ist, der war, der seyn wird!</l> <lb n="ppo_120.034"/> <l>Wer bin ich, daß mit dir ich reden,</l> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [120/0132]
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Zitationshilfe: | Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/132>, abgerufen am 16.07.2024. |