Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 6. München, 1877. Dritte Dame. Aber ich bitte Sie, Gräfin: haben wir nicht genug Zeit und Gelegenheit zum Schweigen? Zweite Dame. Die Baronin hat wohl recht: Hofdamen der stillen Nacht zu sein -- das wäre genug, mein' ich! Erste Dame. Wie? Jst nicht unsere Gebieterin, die Königin, eine höchst respectable hohe Frau? Was ist nicht schon Alles in ihrem "Schooße" vorgegangen? Jst sie nicht die Beschützerin der tiefsten Geheimnisse, die Weckerin der herrlichsten Gedanken? Zweite Dame. Allerdings; sie hat große Eigenschaften, die allgemein anerkannt sind. Dritte Dame. Große Eigenschaften -- ja! Aber wohl auch ihre bedeutenden Schattenseiten. Zweite Dame. Schattenseiten? nun das mein' ich! Wo und wann sie erscheint, wird es dunkel und ihr eigenes und unser eigentliches Leben beginnt erst mit der Dunkelheit. Erste Dame. Dafür sind wir aber auch den ganzen Tag frei. Dritte Dame. Aber ich bitte Sie, Gräfin: haben wir nicht genug Zeit und Gelegenheit zum Schweigen? Zweite Dame. Die Baronin hat wohl recht: Hofdamen der ſtillen Nacht zu ſein — das wäre genug, mein’ ich! Erſte Dame. Wie? Jſt nicht unſere Gebieterin, die Königin, eine höchſt reſpectable hohe Frau? Was iſt nicht ſchon Alles in ihrem „Schooße‟ vorgegangen? Jſt ſie nicht die Beſchützerin der tiefſten Geheimniſſe, die Weckerin der herrlichſten Gedanken? Zweite Dame. Allerdings; ſie hat große Eigenſchaften, die allgemein anerkannt ſind. Dritte Dame. Große Eigenſchaften — ja! Aber wohl auch ihre bedeutenden Schattenſeiten. Zweite Dame. Schattenſeiten? nun das mein’ ich! Wo und wann ſie erſcheint, wird es dunkel und ihr eigenes und unſer eigentliches Leben beginnt erſt mit der Dunkelheit. Erſte Dame. Dafür ſind wir aber auch den ganzen Tag frei. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0116" n="80"/> <sp who="#DRI_DAM"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Dritte Dame.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Aber ich bitte Sie, Gräfin: haben wir nicht<lb/> genug Zeit und Gelegenheit zum Schweigen?</p> </sp><lb/> <sp who="#ZWE_DAM"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Zweite Dame.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Die Baronin hat wohl recht: Hofdamen der<lb/> ſtillen Nacht zu ſein — das wäre genug, mein’ ich!</p> </sp><lb/> <sp who="#ER_DAM"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Erſte Dame.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Wie? Jſt nicht unſere Gebieterin, die Königin,<lb/> eine höchſt reſpectable hohe Frau? Was iſt nicht<lb/> ſchon Alles in ihrem „Schooße‟ vorgegangen? Jſt<lb/><hi rendition="#g">ſie</hi> nicht die Beſchützerin der tiefſten Geheimniſſe,<lb/> die Weckerin der herrlichſten Gedanken?</p> </sp><lb/> <sp who="#ZWE_DAM"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Zweite Dame.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Allerdings; ſie hat große Eigenſchaften, die<lb/> allgemein anerkannt ſind.</p> </sp><lb/> <sp who="#DRI_DAM"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Dritte Dame.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Große Eigenſchaften — ja! Aber wohl auch<lb/> ihre bedeutenden Schattenſeiten.</p> </sp><lb/> <sp who="#ZWE_DAM"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Zweite Dame.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Schattenſeiten? nun das mein’ ich! <hi rendition="#g">Wo</hi> und<lb/><hi rendition="#g">wann</hi> ſie erſcheint, wird es <hi rendition="#g">dunkel</hi> und <hi rendition="#g">ihr</hi><lb/> eigenes und <hi rendition="#g">unſer</hi> eigentliches Leben beginnt erſt<lb/> mit der Dunkelheit.</p> </sp><lb/> <sp who="#ER_DAM"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Erſte Dame.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Dafür ſind wir aber auch den <hi rendition="#g">ganzen Tag</hi> frei.</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [80/0116]
Dritte Dame.
Aber ich bitte Sie, Gräfin: haben wir nicht
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Erſte Dame.
Wie? Jſt nicht unſere Gebieterin, die Königin,
eine höchſt reſpectable hohe Frau? Was iſt nicht
ſchon Alles in ihrem „Schooße‟ vorgegangen? Jſt
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Schattenſeiten? nun das mein’ ich! Wo und
wann ſie erſcheint, wird es dunkel und ihr
eigenes und unſer eigentliches Leben beginnt erſt
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Dafür ſind wir aber auch den ganzen Tag frei.
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Zitationshilfe: | Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 6. München, 1877, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pocci_komoedienbuechlein06_1877/116>, abgerufen am 20.07.2024. |