Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 4. München, 1871.II. Aufzug. Reichmeublirter Salon. Jm Vordergrund großer Ar- beitstisch, Acten darauf. Casperl, über seine rothe Jacke einen schwarzen Frack mit Ordenssternen, tritt mit vornehmen Schritten ein. Nun hat mich die Zauberfeder zum wirklichen Mann der Feder gemacht. Jch bin Staatsminister! Jch kann sagen, daß ich mich federleicht emporge- schwungen habe. Ja es ist wahr, was das Sprich- wort sagt: "Mit dem Amt kommt auch der Ver- stand." Jch darf es gestehen: ich leite mein Mi- nisterium mit Umsicht, Vorsicht, Nachsicht, Durch- sicht, Einsicht, Kurzsicht und noch verschiedenen an- deren Sichten. Weiß ich Nichts und fallt mir Nichts ein, was eigentlich immer der Fall ist, so darf ich nur meine Ministerzauberfeder hinter's Ohr stecken, oder ins Tintenfaßl eintauchen, und meine Beschlüsse sind von salomonischer Weisheit. Leider nützt sich so eine Feder im Drange der Geschäfte bald ab; zum Glück habe ich meinen treuen Geheimsekretär II. Aufzug. Reichmeublirter Salon. Jm Vordergrund großer Ar- beitstiſch, Acten darauf. Casperl, über ſeine rothe Jacke einen ſchwarzen Frack mit Ordensſternen, tritt mit vornehmen Schritten ein. Nun hat mich die Zauberfeder zum wirklichen Mann der Feder gemacht. Jch bin Staatsminiſter! Jch kann ſagen, daß ich mich federleicht emporge- ſchwungen habe. Ja es iſt wahr, was das Sprich- wort ſagt: „Mit dem Amt kommt auch der Ver- ſtand.‟ Jch darf es geſtehen: ich leite mein Mi- niſterium mit Umſicht, Vorſicht, Nachſicht, Durch- ſicht, Einſicht, Kurzſicht und noch verſchiedenen an- deren Sichten. Weiß ich Nichts und fallt mir Nichts ein, was eigentlich immer der Fall iſt, ſo darf ich nur meine Miniſterzauberfeder hinter’s Ohr ſtecken, oder ins Tintenfaßl eintauchen, und meine Beſchlüſſe ſind von ſalomoniſcher Weisheit. Leider nützt ſich ſo eine Feder im Drange der Geſchäfte bald ab; zum Glück habe ich meinen treuen Geheimſekretär <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0254" n="248"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Aufzug.</hi> </head><lb/> <stage> <hi rendition="#c">Reichmeublirter Salon. Jm Vordergrund großer Ar-<lb/> beitstiſch, Acten darauf.</hi> </stage><lb/> <sp who="#CAS"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Casperl,</hi> </hi> </speaker><lb/> <stage> <hi rendition="#c">über ſeine rothe Jacke einen ſchwarzen Frack mit Ordensſternen, tritt<lb/> mit vornehmen Schritten ein.</hi> </stage><lb/> <p>Nun hat mich die Zauberfeder zum wirklichen<lb/> Mann der Feder gemacht. Jch bin Staatsminiſter!<lb/> Jch kann ſagen, daß ich mich federleicht emporge-<lb/> ſchwungen habe. Ja es iſt wahr, was das Sprich-<lb/> wort ſagt: „Mit dem Amt kommt auch der Ver-<lb/> ſtand.‟ Jch darf es geſtehen: ich leite mein Mi-<lb/> niſterium mit Umſicht, Vorſicht, Nachſicht, Durch-<lb/> ſicht, Einſicht, Kurzſicht und noch verſchiedenen an-<lb/> deren Sichten. Weiß ich Nichts und fallt mir Nichts<lb/> ein, was eigentlich immer der Fall iſt, ſo darf ich<lb/> nur meine Miniſterzauberfeder hinter’s Ohr ſtecken,<lb/> oder ins Tintenfaßl eintauchen, und meine Beſchlüſſe<lb/> ſind von ſalomoniſcher Weisheit. Leider nützt ſich<lb/> ſo eine Feder im Drange der Geſchäfte bald ab;<lb/> zum Glück habe ich meinen treuen Geheimſekretär<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [248/0254]
II. Aufzug.
Reichmeublirter Salon. Jm Vordergrund großer Ar-
beitstiſch, Acten darauf.
Casperl,
über ſeine rothe Jacke einen ſchwarzen Frack mit Ordensſternen, tritt
mit vornehmen Schritten ein.
Nun hat mich die Zauberfeder zum wirklichen
Mann der Feder gemacht. Jch bin Staatsminiſter!
Jch kann ſagen, daß ich mich federleicht emporge-
ſchwungen habe. Ja es iſt wahr, was das Sprich-
wort ſagt: „Mit dem Amt kommt auch der Ver-
ſtand.‟ Jch darf es geſtehen: ich leite mein Mi-
niſterium mit Umſicht, Vorſicht, Nachſicht, Durch-
ſicht, Einſicht, Kurzſicht und noch verſchiedenen an-
deren Sichten. Weiß ich Nichts und fallt mir Nichts
ein, was eigentlich immer der Fall iſt, ſo darf ich
nur meine Miniſterzauberfeder hinter’s Ohr ſtecken,
oder ins Tintenfaßl eintauchen, und meine Beſchlüſſe
ſind von ſalomoniſcher Weisheit. Leider nützt ſich
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Zitationshilfe: | Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 4. München, 1871, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pocci_komoedienbuechlein04_1871/254>, abgerufen am 24.07.2024. |