Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 4. München, 1871.I. Aufzug. Zimmer. Casperl sitzt am Tische, auf dem ein großer Bierkrug steht. Casperl (in tragischem Tone.) So hab ich denn den letzten Tropfen der Le- bensbitteressenz getrunken! Der Krug ist leer. O Schicksal! (in gewöhnlichem Tone.) Der Krug ist leer, mein Beutel ist leer, ich hab nix mehr! Jetzt sitz' ich halt so da und denk' über die Vergangenheit nach; denn der Blick in die Zukunft bietet mir die traurigste Aussicht: grad so, als wenn ich auf einem hohen Berg stünd und in den Nebel hinaus- schau'n thät. Ha! -- wer ist aber Schuld an meinem physischen und moralischen Elend? Wer ist Schuld daran? Hab' ich nicht selbst Alles ver- than und in den Ocean des unergründlichen Dur- stes versenkt? -- Oh -- oh -- wehe! -- Hab' ich mich nicht auf die unterirdischeste Tiefe der oberirdischesten Höhe eines Schuldenzustandes ge- schwungen, der meine Gläubiger, diese Hyänen, I. Aufzug. Zimmer. Casperl ſitzt am Tiſche, auf dem ein großer Bierkrug ſteht. Casperl (in tragiſchem Tone.) So hab ich denn den letzten Tropfen der Le- bensbittereſſenz getrunken! Der Krug iſt leer. O Schickſal! (in gewöhnlichem Tone.) Der Krug iſt leer, mein Beutel iſt leer, ich hab nix mehr! Jetzt ſitz’ ich halt ſo da und denk’ über die Vergangenheit nach; denn der Blick in die Zukunft bietet mir die traurigſte Ausſicht: grad ſo, als wenn ich auf einem hohen Berg ſtünd und in den Nebel hinaus- ſchau’n thät. Ha! — wer iſt aber Schuld an meinem phyſiſchen und moraliſchen Elend? Wer iſt Schuld daran? Hab’ ich nicht ſelbſt Alles ver- than und in den Ocean des unergründlichen Dur- ſtes verſenkt? — Oh — oh — wehe! — Hab’ ich mich nicht auf die unterirdiſcheſte Tiefe der oberirdiſcheſten Höhe eines Schuldenzuſtandes ge- ſchwungen, der meine Gläubiger, dieſe Hyänen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0147" n="141"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi> Aufzug.</hi> </head><lb/> <stage> <hi rendition="#c">Zimmer. Casperl ſitzt am Tiſche, auf dem ein großer<lb/> Bierkrug ſteht.</hi> </stage><lb/> <sp who="#CASPLERLL"> <speaker> <hi rendition="#b">Casperl</hi> </speaker> <stage>(in tragiſchem Tone.)</stage><lb/> <p>So hab ich denn den letzten Tropfen der Le-<lb/> bensbittereſſenz getrunken! Der Krug iſt leer. O<lb/> Schickſal!</p> <stage>(in gewöhnlichem Tone.)</stage> <p>Der Krug iſt leer, mein<lb/> Beutel iſt leer, ich hab nix mehr! Jetzt ſitz’ ich<lb/> halt ſo da und denk’ über die <hi rendition="#g">Vergangenheit</hi><lb/> nach; denn der Blick in die <hi rendition="#g">Zukunft</hi> bietet mir<lb/> die traurigſte Ausſicht: grad ſo, als wenn ich auf<lb/> einem hohen Berg ſtünd und in den Nebel hinaus-<lb/> ſchau’n thät. Ha! — wer iſt aber Schuld an<lb/> meinem phyſiſchen und moraliſchen Elend? Wer<lb/> iſt Schuld daran? Hab’ ich nicht ſelbſt Alles ver-<lb/> than und in den Ocean des unergründlichen Dur-<lb/> ſtes verſenkt? — Oh — oh — wehe! — Hab’<lb/> ich mich nicht auf die unterirdiſcheſte Tiefe der<lb/> oberirdiſcheſten Höhe eines Schuldenzuſtandes ge-<lb/> ſchwungen, der meine Gläubiger, dieſe Hyänen,<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [141/0147]
I. Aufzug.
Zimmer. Casperl ſitzt am Tiſche, auf dem ein großer
Bierkrug ſteht.
Casperl (in tragiſchem Tone.)
So hab ich denn den letzten Tropfen der Le-
bensbittereſſenz getrunken! Der Krug iſt leer. O
Schickſal! (in gewöhnlichem Tone.) Der Krug iſt leer, mein
Beutel iſt leer, ich hab nix mehr! Jetzt ſitz’ ich
halt ſo da und denk’ über die Vergangenheit
nach; denn der Blick in die Zukunft bietet mir
die traurigſte Ausſicht: grad ſo, als wenn ich auf
einem hohen Berg ſtünd und in den Nebel hinaus-
ſchau’n thät. Ha! — wer iſt aber Schuld an
meinem phyſiſchen und moraliſchen Elend? Wer
iſt Schuld daran? Hab’ ich nicht ſelbſt Alles ver-
than und in den Ocean des unergründlichen Dur-
ſtes verſenkt? — Oh — oh — wehe! — Hab’
ich mich nicht auf die unterirdiſcheſte Tiefe der
oberirdiſcheſten Höhe eines Schuldenzuſtandes ge-
ſchwungen, der meine Gläubiger, dieſe Hyänen,
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Zitationshilfe: | Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 4. München, 1871, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pocci_komoedienbuechlein04_1871/147>, abgerufen am 22.07.2024. |