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Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 2. München, 1861.

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Marie.
Jch kann, ich will nicht urtheilen. Lassen Sie
mir meinen Schmerz.
(will geh'n.)
Steinreich (hält sie zurück.)
Marie! Seit ich Schreiber fortgeschickt, seit du
dich mir entziehst -- weiß ich, was der Schmerz
ist. Was nützen mich meine Geldsäcke? Sie ge-
währen mir keinen Trost! und du -- meiner ei-
genen Schwester Kind -- du, mein Trost -- du
haßest mich?
Marie.
O gewiß nicht, bester Onkel. Jch habe Sie
stets geliebt als meinen Onkel, meinen Wohlthäter!
Jch werde nie vergessen, was ich Jhnen zu danken
habe.
Steinreich.
O wie wohl thut mir dieß! Es ist als ob
eine harte Kruste von meinem Herzen fiele! Meine
Schmerzen schwinden! Jch fühle mich gesund.
Marie.
O geben Sie diesem Gefühle Raum, lieber
Onkel!
(kniet vor ihn und küßt weinend seine Hände) Ein
liebend Kind, kniet vor Jhnen! Was ist der Mensch
ohne Liebe?
3*
Marie.
Jch kann, ich will nicht urtheilen. Laſſen Sie
mir meinen Schmerz.
(will geh’n.)
Steinreich (hält ſie zurück.)
Marie! Seit ich Schreiber fortgeſchickt, ſeit du
dich mir entziehſt — weiß ich, was der Schmerz
iſt. Was nützen mich meine Geldſäcke? Sie ge-
währen mir keinen Troſt! und du — meiner ei-
genen Schweſter Kind — du, mein Troſt — du
haßeſt mich?
Marie.
O gewiß nicht, beſter Onkel. Jch habe Sie
ſtets geliebt als meinen Onkel, meinen Wohlthäter!
Jch werde nie vergeſſen, was ich Jhnen zu danken
habe.
Steinreich.
O wie wohl thut mir dieß! Es iſt als ob
eine harte Kruſte von meinem Herzen fiele! Meine
Schmerzen ſchwinden! Jch fühle mich geſund.
Marie.
O geben Sie dieſem Gefühle Raum, lieber
Onkel!
(kniet vor ihn und küßt weinend ſeine Hände) Ein
liebend Kind, kniet vor Jhnen! Was iſt der Menſch
ohne Liebe?
3*
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[35/0055] Marie. Jch kann, ich will nicht urtheilen. Laſſen Sie mir meinen Schmerz. (will geh’n.) Steinreich (hält ſie zurück.) Marie! Seit ich Schreiber fortgeſchickt, ſeit du dich mir entziehſt — weiß ich, was der Schmerz iſt. Was nützen mich meine Geldſäcke? Sie ge- währen mir keinen Troſt! und du — meiner ei- genen Schweſter Kind — du, mein Troſt — du haßeſt mich? Marie. O gewiß nicht, beſter Onkel. Jch habe Sie ſtets geliebt als meinen Onkel, meinen Wohlthäter! Jch werde nie vergeſſen, was ich Jhnen zu danken habe. Steinreich. O wie wohl thut mir dieß! Es iſt als ob eine harte Kruſte von meinem Herzen fiele! Meine Schmerzen ſchwinden! Jch fühle mich geſund. Marie. O geben Sie dieſem Gefühle Raum, lieber Onkel! (kniet vor ihn und küßt weinend ſeine Hände) Ein liebend Kind, kniet vor Jhnen! Was iſt der Menſch ohne Liebe? 3*

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Zitationshilfe: Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 2. München, 1861, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pocci_komoedienbuechlein02_1861/55>, abgerufen am 23.11.2024.